Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Ein neuer Blick auf Andy Warhol“
Der Direktor des Museums Ludwig spricht über die Krise und die laufende Sonderausstellung im Lockdown.
Wie erleben Sie gerade die Situation im zweiten Lockdown?
Dr. Yilmaz Dziewior: Die Situation ist sehr schwierig. Das gilt nicht nur für die Museen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Für uns ist sehr enttäuschend, dass wir eine sehr schöne und interessante Sonderausstellung wie „Andy Warhol Now“nicht zeigen können. Wir haben zusammen mit den Kolleginnen der Tate in London drei Jahre Arbeit in dieses Projekt investiert. Allerdings sind wir froh, dass wir die Ausstellung überhaupt in Köln rechtzeitig realisieren konnten. Durch den Lockdown in Großbritannien war es nicht sicher, ob die mehr als 100 Werke überhaupt nach Deutschland gebracht werden können. Jetzt hoffen wir, dass wir unser Haus Mitte Januar wieder für das Publikum öffnen können. Dann hätten wir zwar einen Monat verloren, aber die Schau läuft noch bis zum 18. April. Würde das Ganze länger dauern sollte, müssten wir sehen, ob eine Verlängerung möglich ist. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht.
Wie ist es im Moment für Sie als Direktor durch ein leeres Museum zu gehen?
Dziewior: Ehrlich gesagt, habe ich dazu im Moment kaum Zeit, weil wir auch während der Schließung sehr viel Arbeit bewältigen müssen. Dazu gehört zum Beispiel der regelmäßige Erfahrungsaustausch mit den Kolleginnen anderer großer Häuser wie dem Städel in Frankfurt oder der Staatsgalerie in Stuttgart. Dazu kommt der enorme logistische Aufwand, wenn wir Ausstellungen verlängern müssen. Das gilt auch für die Schließung und die Wiedereröffnung des Museums. Da passiert sehr viel hinter den Kulissen – Arbeit, die beim regulären Betrieb nicht anfallen würde.
Was ist jetzt im Vergleich zum Frühjahr anders?
Dziewior: Wir sind routinierter geworden. Das Team weiß, was es in dieser Situation tun muss, und, wie es sich verhalten muss, um sich selbst vor einer Infektion zu schützen. Anders ist auch, dass jetzt der Impfstoff da ist und die berechtigte Hoffnung besteht, dass wir bis zur zweiten Jahreshälfte das Problem in den Griff bekommen. Schwierig ist im Vergleich zum Frühjahr, dass der Lockdown deutlich länger dauert. Das ist schon sehr belastend.
Was macht den Reiz der Warhol-Ausstellung aus?
Dziewior: Wir zeigen einen Künstler, von dem jeder glaubt ihn gut zu kennen. Wir werfen aber einen neuen Blick auf Andy Warhol und zeigen Werke, die noch nie zuvor in Europa zu sehen waren. Das gilt zum Beispiel für die figürlich gemalten Bilder aus seinem Frühwerk. Diese sind teilweise noch in seiner Studentenzeit entstanden. Wir geben einen Überblick von den Anfängen bis zum Spätwerk. Dazu gibt es insgesamt drei neue Fragestellungen.
Welche sind das?
Dziewior: Zum einen geht es um den queeren Warhol. Er war jung und schwul, was sich in seinen frühen Arbeiten immer wieder zeigt. Dazu zählen die Zeichnungen von nackten Männern, auf die der Künstler seinen begehrenden Blick wirft. Wenn man das gesellschaftliche Umfeld der Zeit berücksichtigt, weiß man, welchen Wagemut es gebraucht hat, um solche Motive zu wählen. Damals war Homosexualität nicht nur strafbar, sondern galt auch als schwere Krankheit und war entsprechend geächtet. Die zweite Fragestellung ist Warhol als Sohn von Einwanderern. Da geht es um die Rolle der Religion. In den frühen Arbeiten gibt es den Zwiebelturm einer ost-katholischen Kirche in Pittsburgh. Die religiösen Motive ziehen sich bis zum Spätwerk durch. Der dritte Themenkomplex ist der Umgang mit Subkulturen wie afroamerikanischen bzw. latinx Transsexuellen und Transgender. Warhol verwendet die gleichen künstlerischen und formalen Techniken für diese Menschen wie er sie für Mick Jagger oder Dolly Parton Bilder nutzt. Das bedeutet eine Demokratisierung und eine Sichtbarmachung dieser Subkulturen.
Sie stellen auch den Zugang der jungen Generation zu Warhol her.
Dziewior: Das gilt zum Beispiel für die Celebrities-Kultur. Das spiegelt sich in den Prominenten in Warhols Interviewmagazin oder seinen TVShows wieder. Das ist eine Vorwegnahme von Instagram und Facebook. Das spricht junge Leute an, weil sie es kennen. Warhol war immer sehr an der modernen Technik interessiert. Beim Smartphone und bei den sozialen Medien wäre er sicher ganz vorne dabei gewesen.
Bis Sie die Ausstellung eröffnen können, gibt es zahlreiche digitale Angebote.
Dziewior: Da war unser Team sehr kreativ. Es gibt verschiedene Social-Media-Formate wie die von Cartoonistinnen, die aus verschiedenen sozialen und kulturellen Persepektiven ihre Sicht auf Warhol präsentieren. Dazu kommen die spannenden Tagebücher von Warhol, die in kurzen Videoclips von unseren Mitarbeiterinnen vorgelesen werden. Außerdem haben wir Kölnerinnen wie Francois-Xavier Roth oder Bettina Böttinger gefragt, warum sie sich auf Warhol freuen. Diese Frage haben wir aber auch Jugendlichen gestellt.
Wenn die Ausstellung eröffnet wird, müssen Zeitfenster für den Besuch vorab gebucht werden.
Dziewior: Wir rechnen nach der Wiedereröffnung mit einem großen Andrang auf die Sonderausstellung. Gleichzeitig müssen wir die Regelungen für die maximale Besucherzahl im Museum beachten. Daher wird es die Zeitfenster geben, die man reservieren kann, sobald der Termin für die Wiedereröffnung feststeht. Da sollte man sich dann beeilen. Außerdem werden wir die Öffnungszeiten verlängern. Von Dienstag bis Donnerstag sowie am Sonntag haben wir von 10 bis 20 Uhr und am Freitag und Samstag von 10 bis 22 Uhr geöffnet.
www.museum-ludwig.de