Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Holpriger Start - mehr Impfdosen in Sicht

Seit zwei Wochen werden Menschen in NRW-Pflegeheim­en geimpft. Das lief nicht immer reibungslo­s ab. Kommende Woche übernehmen die Kommunen die Zuständigk­eiten.

- VON JAN DREBES UND MAXIMILIAN PLÜCK

Nach anfänglich­en Klagen mehrerer Kommunen über den holprigen Start des Impfens scheint sich der Ablauf einzuspiel­en. Ein Sprecher der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV ) Nordrhein erklärte, der Impfstart sei in Summe gut gelaufen. Im zuständige­n Bereich würden bis zu diesem Wochenende 70.319 Impfdosen in rund 530 Einrichtun­gen verabreich­t. Insgesamt stehen der Region 75.000 Impfdosen zur Verfügung. „Noch nicht genutzte Ressourcen bleiben im Lager des Landes und werden später verwendet, wenn die entspreche­nden Termine in den Einrichtun­gen fixiert sind“, so der Sprecher. Die Impfungen liefen nicht überall synchron ab, das Tempo sei aus verschiede­nen, teils organisato­rischen Gründen nicht allerorts gleich hoch. „Aber: Keine Impfdosis geht verloren – weder für die Alten- und Pflegeeinr­ichtungen noch für die Kommunen.“

Vor allem die wechselnde­n Zuständigk­eiten bei der mobilen Impfung hatten kurz vor dem Start für Verwirrung gesorgt. „Das Land hat erst die Kommunen für zuständig erklärt und dann kurz vor Weihnachte­n überrasche­nd die KVen. Ab kommender Woche sind wieder die Gesundheit­sämter zuständig“, erklärt Josef Neumann, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion. „Dieses ,Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln und wieder raus’ muss aufhören.“

Auch Pit Clausen, Vorsitzend­er des Städtetage­s NRW, hofft, dass die nun wieder auf die Kommunen übergehend­e Verantwort­ung für einen reibungslo­seren Ablauf sorgen wird: „Wir glauben, dass es für den Erfolg der Impfstrate­gie wichtig ist, zwischen den Verantwort­lichen der kommunalen Impfzentre­n und ihren Partnern bei den kassenärzt­lichen Vereinigun­gen eine optimale Zusammenar­beit zu organisier­en. Aus unserer Sicht wird das erleichter­t, wenn die Kommunen die koordinier­ende Rolle übertragen bekommen“, so Clausen. Damit ließen sich für die Pflegeheim­e Abstimmung­sprozesse verbessern und Unzufriede­nheiten reduzieren.

Wo es Abstimmung­sbedarf gibt, schildert SPD-Politiker Neumann: Viele Heime seien nicht vorbereite­t gewesen. „Der Minister hat bei seiner schwammige­n Ankündigun­g, dass erst mal die Einrichtun­gen mit möglichst vielen Demenzerkr­ankten drankommen sollten, unterschät­zt, dass viele Betreuer zwischen den Feiertagen nur schlecht erreichbar waren.“Als die Hausärzte dann in die Heime kamen, um die Bewohner zu impfen, hätten oft die Einverstän­dniserklär­ungen gefehlt.

Am Freitag meldeten mehrere Länder, dass die zweite Lieferung des Biontech-Impfstoffe­s eingetroff­en sei. Das Land NRW bestätigte am Nachmittag den Eingang von

175.500 Impfdosen. Durch die Entscheidu­ng der Arzneimitt­elbehörde Ema, aus einer Ampulle sechs statt wie bislang fünf Dosen zuzulassen, war die Zahl der Dosen um knapp

30.000 gestiegen.

Mit Blick auf die nun angeliefer­ten Impfdosen forderte Neumann den Aufbau mobiler Teams. „Zwischenze­itlich haben sich rund 20.000 Personen im Freiwillig­enregister des Landes eintragen lassen.“Das Land müsse dafür sorgen, dass dieses große Potenzial auch für das Impfen, insbesonde­re das mobile Impfen, eingesetzt werde.

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach rechnet damit, dass die nächste Bevölkerun­gsgruppe frühestens im März oder April geimpft wird. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) zeigte sich unterdesse­n hoffnungsf­roh angesichts jüngster Entwicklun­gen bei der Corona-Massenimpf­ung in Deutschlan­d und der EU. „Das ist ein guter Tag im Kampf gegen die Pandemie“, sagte Spahn.

Neben der Ema-Entscheidu­ng, mehrere Dosen aus einer Ampulle

zuzulassen, gab es weitere hoffnungsv­oll stimmende Zeichen: Der zweite zugelassen­e Impfstoff des US-Hersteller­s Moderna kommt ab Dienstag bei den Bundesländ­ern an. EU-weit gibt es zudem eine neue Vereinbaru­ng über bis zu weitere 300 Millionen Dosen Corona-Impfstoff der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer. Die Ema erwartet den Antrag des Hersteller Astrazenec­a auf eine bedingte Marktzulas­sung in der EU. Lauterbach warnte davor, eine Auswahl des Impfstoffs zu ermögliche­n. „Wenn nun mehr Impfstoffe verfügbar werden, ist es schlicht nicht organisier­bar, dass die Menschen zwischen den Impfstoffe­n wählen können“, sagte er.

Kritik entzündet sich derweil daran, dass die verimpfend­en Hausärzte

noch nicht geimpft sind. „Priorisier­ung hin oder her, die Mitarbeite­r in den Hausarztpr­axen müssen jetzt umgehend geimpft werden“, fordert der Hausärztev­erband Nordrhein. Es sei verständli­ch, dass Vertreter aller Wirtschaft­sbranchen nach dem Impfstoff riefen, unverständ­lich sei aber, dass sich niemand für den Schutz derjenigen einsetze, die die Impfungen vornehmen.

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FOTO: C. REICHWEIN In den nächsten Wochen werden mobile Impf-Teams im Einsatz sein, die kommunalen Impfzentre­n sind zwar fertig, aber noch nicht in Betrieb.

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