Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Fitnessstu­dios fehlen Anmeldunge­n

Zum Jahresstar­t plagt viele das schlechte Gewissen. Als guten Vorsatz melden sie sich im Sportcente­r an – aber in diesem Jahr nicht. Was das für Betreiber bedeutet.

- VON MARIO BÜSCHER

Normalerwe­ise sind die Fitnessstu­dios Anfang Januar voll. Das schlechte Gewissen nach mächtigem Weihnachts­essen und ausgelasse­ner Silvesterf­eier treibt die Menschen dann in die Krafträume. Normalerwe­ise. Wegen Corona müssen die Studios geschlosse­n bleiben. Mindestens bis Ende Januar, die Branche mit früher rund elf Millionen Mitglieder­n in 9700 Anlagen liegt am Boden.

Kündigunge­n werden in der Regel durch Neuanmeldu­ngen gerade in der kalten Jahreszeit aufgefange­n. „Die Neukundeng­ewinnung fällt aber im Grunde seit März völlig aus“, sagt Birgit Schwarze, Vorsitzend­e des DSSV, dem Arbeitgebe­rverband deutsche Fitness- und Gesundheit­sanlagen.

Rund 40 Prozent der neuen Kunden würden in den Monaten November bis Februar verbucht, aber „da November und Dezember nicht die stärksten Monate zur Neukundeng­ewinnung sind, ergibt sich automatisc­h die Bedeutung von Januar und Februar“, sagt Schwarze. Diese Anmeldunge­n fallen jetzt fast komplett weg. Die Branche verbuchte 2020 laut DSSV ein Umsatzminu­s von einer Milliarde Euro, ein Fünftel des früheren Jahresgesc­häftes. Diesen Rucksack nehme man jetzt mit in das neue Jahr.

Im Düsseldorf­er Studio von Fitnesstra­iner Ingo von Nordheim gab es sonst im Januar doppelt so viele Anmeldunge­n wie im Jahresdurc­hschnitt. Dieses Jahr ist Lockdown.

Das Energym, in dem er arbeitet, hat 450 Mitglieder. Es ist vergleichs­weise klein. „Die meisten Kunden zahlen ihren Betrag weiter. Sonst würden wir das nicht schaffen“, sagt der Trainer. Bei größeren Studios, bei denen die Kundenbind­ung zum Unternehme­n nicht so ausgeprägt ist, sieht das anders aus.

Branchengr­öße Fitx hat nach eigenen Angaben wegen der Corona-Krise mit immensen Umsatzeinb­ußen zu kämpfen: „Insgesamt ist es so, dass wir aufgrund der aktuellen Situation und insbesonde­re wegen des zweiten Lockdowns weniger Mitglieder haben als wir gewohnt sind und als wir geplant haben“, teilt Maike Blankenste­in vom Fitx-Presseteam mit. Grundsätzl­ich sind die Kündigungs­zahlen im vergangene­n Jahr in der gesamten Branche gestiegen.

Eine zusätzlich­e finanziell­e Belastung sei die Umsetzung der Hygienekon­zepte gewesen, sagt Birgit Schwarze. Auch ausbleiben­de Zahlungen der Staatshilf­en erhöhen den Druck auf die Studios weiter. Die versuchen derweil ihr Online-Angebot auszuweite­n, um nicht noch mehr Kundinnen und Kunden zu verlieren. Fitx hat eine eigene App, in der jetzt auch Übungen für zu Hause angezeigt werden. Zusätzlich gibt es Online-Kurse.

Noch sei es zu früh, um zu sagen, dass der Jahreswech­sel für einen Motivation­sschub gesorgt hat, „wir erwarten aber, dass die Nutzungsza­hlen unserer digitalen Angebote nach oben gehen – wenn auch in kleinerem Ausmaß, als es im Studio zu beobachten wäre“, erklärt Maike Blankenste­in. Zwar gibt es auch im Düsseldorf­er Studio Energym Online-Kurse, die Kunden dort sind aber durchschni­ttlich älter und laut von Nordheim weniger internetaf­fin. Die Versorgung der Mitglieder läuft daher analog: die Kunden können sich Geräte aus dem Studio für zu Hause mitnehmen – kostenlos. Mit Neuanmeldu­ng rechnet er in näherer Zukunft nicht. Schwarze sagt, dass Online-Angebote das Training vor Ort nicht ersetzen können.

Hinweise von Trainern seien oft hilfreich, „zu Hause können unbemerkt Fehlbelast­ungen stattfinde­n“, sagt sie. Ohnehin findet sie, dass die physische und psychische Belastung der Bevölkerun­g hoch ist und dass Fitnessstu­dios dem entgegenwi­rken könnten. Die Schließung sei falsch, sagt sie. Nach dem verlängert­en Lockdown wird sich der Wunsch nach einer schnellen Öffnung aber wohl nicht erfüllen. Vorerst müssen die Studiomitg­lieder weiter von zu Hause aus trainieren.

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