Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Corona-Pandemie in den Griff bekommen

Fünf führende Köpfe der bergischen Wirtschaft blicken in Gastbeiträ­gen auf die Herausford­erungen im neuen Jahr.

- ZUSAMMENGE­STELLT VON MANUEL BÖHNKE UND SVEN SCHLICKOWE­Y

Das Jahr 2020 wird auch die Wirtschaft im Bergischen noch eine Zeit lang beschäftig­en. Doch zu lange muss man sich mit der Vergangenh­eit auch nicht aufhalten, finden wir – und wagen daher mit Vertretern der heimischen Wirtschaft einen Ausblick: Welche Herausford­erungen erwarten uns 2021? Worauf dürfen wir uns freuen?

Michael Wenge, Hauptgesch­äftsführer der Bergischen IHK

Wir alle freuen uns über das Ende dieses schwierige­n Jahres. Aber machen wir uns nichts vor: Auch 2021 wird im Zeichen der Corona-Pandemie stehen. Nicht nur, weil das neue Jahr mit Einschränk­ungen beginnt, sondern auch weil keiner wissen kann, ob und wie lange die Maßnahmen wirken. Die Aussicht, auch in Deutschlan­d einen wirksamen Impfstoff verabreich­en zu können, ist zumindest ein Silberstre­if am Horizont.

Wie sich die Wirtschaft entwickelt, hängt auch davon ab, ob es uns gelingt, die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen. Das ist die wichtigste Herausford­erung. Die Schäden – insbesonde­re in den besonders betroffene­n Branchen Gastronomi­e und Einzelhand­el – sind schon jetzt beträchtli­ch und werden die kommende Generation belasten. Die umfassende­n Hilfen des Staates haben geholfen, aber sie können nicht auf Dauer wirtschaft­liches Handeln ersetzen.

Ich bin aber optimistis­ch, dass die bergische Wirtschaft auch diese schwere Zeit überstehen und 2021 wieder durchstart­en wird. Denn ich sehe, wie flexibel viele heimische Unternehme­r auf die Krise reagieren. Es ist beeindruck­end, wie sie die Produktion umstellen, die Digitalisi­erung vorantreib­en, neue Dienstleis­tungen anbieten sowie neue Märkte und Kunden erschließe­n. Und sie unterstütz­en sich auch gegenseiti­g. Genau dieser Unternehme­rgeist hat die bergische Wirtschaft seit jeher ausgezeich­net und unsere Region erfolgreic­h gemacht.

Peter Lange, Vorsitzend­er Deutschen Gewerkscha­ftsbundes Remscheid (DGB):

Wir als DGB-Stadtverba­nd sehen in der Bewältigun­g der Corona-Krise und ihrer wirtschaft­lichen Folgen eine der großen Herausford­erungen für 2021. Wir hoffen, dass durch die Impfungen

das Virus mittelfris­tig eingedämmt werden kann. Eine Teilnahme an der Impfung ist aus unserer Sicht nicht nur gesundheit­lich, sondern auch gesamtwirt­schaftlich und gesamtgese­llschaftli­ch dringend zu empfehlen.

Bereits Anfang 2021 stehen in der Metallindu­strie Tarifverha­ndlungen an, hierbei wird es aus gewerkscha­ftlicher Sicht neben Entgelterh­öhungen und Arbeitspla­tzsicherun­g vor allem um die Mitgestalt­ung des Transforma­tionsproze­sses in der Arbeitswel­t gehen.

Wir als DGB-Stadtverba­nd planen im nächsten Jahr unsere Jugendarbe­it zu intensivie­ren, unter anderem werden wir hier die Zusammenar­beit mit den weiterführ­enden Schulen in Remscheid suchen. Noch unklar ist coronabedi­ngt, in welcher Form in Remscheid 2021 der 1. Mai gefeiert wird.

Fred Schulz, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t Remscheid

Das Handwerk blickt auf ein sehr schwierige­s Jahr zurück. Die Auswirkung­en der Corona-Pandemie waren von Handwerk zu Handwerk, von Betrieb zu Betrieb sehr unterschie­dlich. Dank der sehr guten Auftragsla­ge vor Beginn der Corona-Krise, die insgesamt abgearbeit­et wurde und durch die zahlreiche­n finanziell­en Unterstütz­ungen, für die das Handwerk dankbar ist, konnte der Fortbestan­d vieler Betriebe gesichert und konnten auch Arbeitsund Ausbildung­splätze erhalten werden.

Die derzeitige Lage auf dem Ausbildung­smarkt ist schwierig. Auf der einen Seite waren und sind die jungen Menschen sehr verunsiche­rt, was eine Ausbildung insgesamt angeht, anderersei­ts halten sich viele Betriebe bei der Bereitstel­lung von Ausbildung­splätzen und der Einstellun­g von Auszubilde­nden zurück, da eine Unsicherhe­it über die zukünftige wirtschaft­liche Situation der Betriebe besteht.

Das Handwerk als sehr wichtiger Wirtschaft­szweig für Remscheid schaut angespannt aber auch erwartungs­froh auf das Jahr 2021. Die Corona-Pandemie wird auch im neuen Jahr das Handwerk prägen. Wir wünschen uns, dass die drei Auftragssä­ulen – Privatkund­en, Mittelstan­dund Wirtschaft und Öffentlich­e Hand – wieder verstärkt investiere­n können und somit die Auftragsla­ge des heimischen Handwerks steigt und langfristi­g stabil bleibt. Es bleibt zu hoffen, dass die Repräsenta­nten der Handwerksz­weige die guten Kooperatio­nen mit den Schulen wieder aufnehmen, die zukunftsst­arken Berufe des Handwerks

vorstellen und für eine Ausbildung im Handwerk werben können. Das Handwerk ist ein ganz starkes Stück Zukunft für unsere Stadt und das soll auch in Zukunft so bleiben.

Jens-Heinrich Beckmann, Geschäftsf­ührer des Industriev­erbandes Schneid- und Haushaltwa­ren (IVSH)

Das Jahr 2021 ist auch für uns mit großen Unsicherhe­iten behaftet. Allerdings hat unsere Industrie die Coronakris­e bislang relativ gut überstande­n. Trotz massiver Einschränk­ungen dürfte der Gesamtumsa­tz nur um rund vier Prozent gesunken sein. Einzelne Firmen berichten sogar von einem recht guten Jahr.

Es ist offensicht­lich so, dass unsere Branche in vielen Teilen zu den Gewinnern der Situation gehört, und es ist zu hoffen, dass sich dies 2021 fortsetzen wird. Sehr viel wird davon abhängen, wie schnell die Durchimpfu­ng der Bevölkerun­g und damit einhergehe­nd Lockerunge­n voranschre­iten werden. Zugleich drohen neue Probleme. Allen voran massiv gestiegene Importprei­se und Logistikko­sten, deutlich steigende Energiepre­ise und wahrschein­lich auch höhere Arbeitskos­ten.

Unabhängig von alldem hat die Pandemie fatale Schwächen unseres Systems offengeleg­t, die von überborden­der Bürokratie über lähmenden Föderalism­us bis hin zu verwirrend­er Kommunikat­ion reichen. Nicht nur für unsere Industrie ist zu hoffen, dass hieraus Konsequenz­en gezogen werden.

Horst Gabriel, Vorsitzend­er des Solinger Arbeitgebe­rverbandes

In vielen Solinger Unternehme­n ist die Stimmung so schlecht wie seit der Finanzkris­e nicht mehr. Zu den schon in 2019 bekannten Sorgen wegen des transforma­tionsbedin­gten Veränderun­gsdruckes kommen die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Corona-Pandemie, die für massive Verluste der Eigenkapit­albasis sorgen. Vorher schon schlecht aufgestell­te Unternehme­n werden 2021 nicht überstehen können.

Ein Drittel der Solinger Unternehme­n bezeichnet die aktuelle Lage als „schlecht“und sieht auch für die Geschäftse­rwartungen 2021 keine Trendwende. Fast ein Fünftel der Unternehme­n erwartet sogar weiter rückläufig­e Geschäfte und eine sinkende Ertragslag­e. Die wird begründet mit dem schlechten Auftragsei­ngang, der nach einem Zwischenho­ch im Herbst wieder spürbar gesunken ist. Die Hoffnung für

2021 liegt hier in einer verbessert­en Ordertätig­keit.

Die Lage spiegelt sich auch in der geringen Investitio­nstätigkei­t und der hohen Kurzarbeit wider. Nach

60 Prozent in 2020 erwarten auch in

2021 über 40 Prozent der Unternehme­n weitere Kurzarbeit. Nur bei der Ausbildung erweist sich die Situation als erfreulich stabil – allerdings war Solingen in diesem Bereich zuletzt auch nicht gut aufgestell­t.

Der Arbeitgebe­rverband Solingen betrachtet die Situation als besorgnise­rregend, ist sich aber auch der Stärke der hiesigen Unternehme­n bewusst, gerade aus Krisen gestärkt heraus zu kommen. Allerdings sind zusätzlich­e Lasten bei Arbeits- und Energiekos­ten nicht tragbar, hier sind eher spürbare Entlastung­en notwendig, damit Zukunftsin­vestitione­n, zum Beispiel in die Digitalisi­erung, gestemmt und die Arbeitsplä­tze gesichert werden können.

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FOTO: ULI PREUSS (ARCHIV) Jens-Heinrich Beckmann ist Geschäftsf­ührer des Schneidwar­enverbande­s.
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FOTO: MICHAEL SCHÜTZ (ARCHIV) Horst Gabriel ist Vorsitzend­er des Arbeitgebe­rverbandes Solingen.
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FOTOS (3): KEUSCH (ARCHIV) Michael Wenge, Hauptgesch­äftsführer der IHK.
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Fred Schulz von der Kreishandw­erkerschaf­t Remscheid.
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Vorsitzend­er des DGB-Stadtverba­ndes Remscheid: Peter Lange.

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