Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die verbindende Brücke der Sprache
Die kostenfreie Reihe samt Lesung und Schreibwerkstatt soll in diesem Jahr fortgeführt werden. Schulen können sich melden.
Er fühlte sich ausgeliefert, heimatlos und entwurzelt, als er einst aus seiner Heimat Ungarn in die Fremde flüchten musste. Da die Familie das damals herrschende sozialistische System ablehnte, war sie ständig Schikanen ausgesetzt. Die anschließende Flucht führte über das ehemalige Jugoslawien und Italien nach Deutschland.
Akos Doma nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er von seinem persönlichen Trauma spricht. Dennoch sieht er in der Flucht auch eine Rettung – vor Repressalien, politischer Bevormundung und persönlicher Enge. Das bekannte der Autor in der Zentralbibliothek, in der er 2019 aus seinem autobiografischen Roman „Der Weg der Wünsche“las. Und vor allem vor Schülern der Sophie-Scholl-Gesamtschule. Diesen wird er wohl ewig im Gedächtnis bleiben. Denn der gebürtige Budapester arbeitete mit ihnen am Tag darauf eng in einer Schreibwerkstatt zusammen.
Diese Begegnungen, die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und die damit verbundende Reflexion der eigenen Kultur fördert die „Interkulturelle Lesereihe“in Remscheid. Dahinter stehen mehrere Kooperationspartner. Auch wenn wegen Corona die Termine 2020 nicht wie geplant stattfinden konnten, soll die Reihe 2021 fortgeführt werden. Wir geben einen Überblick.
Die Partner
Das Kommunale Integrationszentrum Remscheid, der Caritasverband, der Verein „Die Lütteraten“, der IKE – Förderverein für Interkulturelle Erziehung, die Schlawiner, die Deutsch-Indische Gesellschaft – Zweigstelle Remscheid, die Akademie der Kulturellen Bildung sowie das Katholische Bildungswerk Wuppertal/Solingen/Remscheid arbeiten zusammen. Schirmherr ist Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz.
Das Konzept Die Interkulturelle Lesereihe ist als Zweiteiler angelegt. Ein deutschsprachiger Autor aus einer Familie mit Zuwanderungsgeschichte liest zunächst an einem Abend an öffentlichen Orten wie der Zentralbibliothek aus seinem Werk. Begleitet wird er dabei von einem Musiker, der ebenfalls einen anderen kulturellen Hintergrund hat. Im Anschluss gibt es eine Frage- und Diskussionsrunde. Der Eintritt ist frei. Die Lesungen finden zweimal jährlich, im Frühjahr und Herbst, statt.
Der zweite Teil des Konzeptes sieht die direkte Begegnung mit
Jugendlichen vor: Der Autor gibt eine Schreibwerkstatt in einer Schule. „Schüler erfahren so nicht nur etwas über die hochspannende Vita eines Autors, der sich sehr gut in das Kulturgeschehen eingefügt hat, sondern merken auch: Da ist jemand, der hat es geschafft. Und zwar über die Sprache“, erklärt Wolfgang Luge vom Organisationsteam.
Insofern sind Autoren wie Akos Doma, Rajvinder Singh, Ijoma Mangold und viele weitere bekannte und hochdotierte Schriftsteller Mutmacher und Brückenbauer: Sie
verbinden zwei Kulturen über die Brücke der Sprache. Und sie sind Rollenmodelle gerade auch für viele Schüler in Remscheid. Denn hier leben 120 Nationen friedlich zusammen.
Texterfassung, Sprachkompetenz, Interaktion – die Werkstatt ist vielschichtig. „Bei dem einen oder anderen Schüler hat es die Lust am Schreiben geweckt“, fügt Sabine Smith, ebenfalls Organisatorin, hinzu. Alle Kinder und Jugendlichen erhalten bei diesem Konzept einen Zugang zu Literatur, treffen einen Autor, können ihre Stimme selbst erheben – und sich dadurch weiterentwickeln. Eine Schülerin aus einem Schreibseminar mit Rajvinder Singh sei sogar Journalistin geworden.