Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Auf das App-Wunder folgt die Verwunderu­ng

Wie ist der aktuelle Stand nach dem Start der Corona-Warn-App und welche Rolle spielt der hohe Datenschut­z? Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

- VON JANA WOLF

Als die Corona-Warn-App im Juni 2020 an den Start ging, war die Euphorie groß. Nach einer Woche hatten bereits zwölf Millionen Nutzer die App herunterge­laden. Vom „App-Wunder“war die Rede, auch internatio­nal wurde gelobt. Selbst die kritischen Datenschüt­zer vom Chaos Computer Club (CCC) konnten kaum Mängel feststelle­n. Sieben Monate später ist vom anfänglich­en Lob nicht viel übrig. Stattdesse­n werden die Rufe lauter, die App zu erweitern.

Wie viele Menschen nutzen die App?

Die App wurde 24,95 Millionen Mal herunterge­laden. Diese Zahl gibt allerdings wenig Aufschluss darüber, wie viele Menschen die App tatsächlic­h aktiv nutzen, da sie ungenutzt auf dem Handy liegen oder zwischenze­itlich deinstalli­ert worden sein kann. Selbst das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium (BMG) hat keine Kenntnis über die Anzahl der aktiven Nutzer. Grund dafür sei der datenspars­ame Ansatz der Warn-App, heißt es aus dem BMG. Bekannt ist allerdings die Zahl der Testergebn­isse, die seit App-Start geteilt wurden: rund sieben Millionen sind es insgesamt, rund 199.500 davon waren positiv. Mit Blick auf diese Zahlen nennt das BMG die Warn-App „einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“. Anders sieht es der CCC: „Was die App braucht, sind an erster Stelle mehr Nutzerinne­n und Nutzer“, sagte CCC-Sprecher Linus Neumann unserer Redaktion. „Wer nun wie Friedrich Merz oder Boris Palmer eine Vollüberwa­chung fordert, senkt das Vertrauen in die App und damit auch die Nutzungsza­hlen.“

Was hat sich mit dem jüngsten App-Update verändert?

Seit Ende Dezember ist die Version 1.10 der Corona-Warn-App verfügbar. Die wichtigste Neuerung ist das Kontakttag­ebuch, über das Nutzer Begegnunge­n mit anderen Personen und besuchte Orte dokumentie­ren können. Die Informatio­nen werden ausschließ­lich lokal auf dem eigenen Handy gespeicher­t, die Übermittlu­ng an Gesundheit­sämter bleibt freiwillig.

Sollten die App-Funktionen ausgebaut werden?

Laut Bundesregi­erung können die Funktionen der App nicht beliebig erweitert werden, was an der Technik liege. „Das heißt, vieles was Menschen sich vorstellen, was die App auch leisten könnte, könnte sie mit dieser technologi­schen Grundlage nicht leisten“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Dennoch sei die App bereits verbessert worden. „Sie warnt heute präziser.“

Dem CCC gehen die Funktionen nicht weit genug. Konkret fordert der Verein eine Erfassung von Clustern. Damit sollen nicht nur Kontakte zwischen einzelnen Personen erfasst werden, sondern auch Zusammenkü­nfte mehrerer Personen.

Sollten im Sinne des effektiver­en Gesundheit­sschutzes Abstriche beim Datenschut­z gemacht werden?

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte zuletzt den Datenschut­z-Standard der App als zu hoch kritisiert. Söders Parteikoll­egin Dorothee Bär, Digital-Staatsmini­sterin im Bundeskanz­leramt, hält Abstriche beim Datenschut­z dagegen für problemati­sch. „Umfragen

ergeben, dass rund die Hälfte der Bevölkerun­g Bedenken hinsichtli­ch Datenmissb­rauch hat. Diese Menschen gewinnen Sie nicht durch weniger Datenschut­z, im Gegenteil“, sagte Bär.

Schärfer kritisiert der Bundesbeau­ftragte für den Datenschut­z, Ulrich Kelber, die Vorstöße zur Aufweichun­g des Datenschut­zes vonseiten „prominente­r Politiker“, wie er es sagt. „Ich wundere mich sehr über solche Aussagen, die das Vertrauen in einen wichtigen Baustein der Pandemiebe­kämpfung völlig unnötig schwächen“, sagt Kelber. Der „steilen These“würden keine konkreten, umsetzbare­n Verbesseru­ngsvorschl­äge folgen.

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