Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Ein Notruf in Gelb und Schwarz
Das Modehaus Johann in der Lenneper Altstadt will mit der Teilnahme an der bundesweiten Aktion „Wir machen auf(merksam)“auf die dramatische Situation im Einzelhandel mit Textilien und Schuhen hinweisen.
Das Modehaus Johann will mit der Teilnahme an der Aktion „Wir machen auf(merksam)“auf die Situation im Einzelhandel hinweisen.
Sie sind keine Masken-Verweigerer, wollen auch nicht zu den Corona-Leugnern gerechnet werden. Unter dem auf den ersten Blick provokanten Motto „Wir machen auf“lenken seit Montag, 11 Uhr, Einzelhändler in ganz Deutschland den Blick der Öffentlichkeit auf die Folgen der Corona-Politik für ihre Existenz.
Dabei ist auch Bärbel Beck, Geschäftsführerin des Modehaus Johann in der Lenneper Altstadt. Für die Teilnahme an der Aktion hat sie Fensterscheiben des Geschäfts auf der Kölner Straße mit den mal schwarz, mal gelb gehaltenen Plakaten beklebt, die auf der Aktionsplattform herunter geladen werden können
„Wir können unsere Ware nicht wie die Gastronomen in die Tiefkühltruhe legen“
Bärbel Beck Geschäftsführerin Modehaus Johann
Die Initiatoren laufen bei Bärbel Beck offenen Türen ein. Denn die Situation im inhabergeführten Textilhandel habe sich durch den zweiten Lockdown noch mal deutlich verschärft, sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Während im wegen der Pandemie verschlossenen Geschäft nicht verkaufte Winterware auf Kunden wartet und die Frühjahrs-Kollektionen schon dekoriert werden, steht die Modehändlerin bereits unter dem Druck, die Herbstware für dieses Jahr ordern zu müssen.
Diese Rhythmen des Geschäfts seien vielen Kunden nicht bewusst, sagt Bärbel Beck. Entziehen kann sie sich ihnen nicht, will sie nicht ihre Verträge mit Markenpartnern verlieren. So entstehe „Warendruck von beiden Seiten“– einerseits durch nicht verkaufte Winter-Ware, andererseits durch bereits jetzt zu ordernde Textilien für eine Zeit, von der man jetzt nicht sicher sagen kann, ob sie wieder unbeschwertes Einkaufen ermöglichen wird.
„Wir können die Sachen nicht wie die Gastronomen in die Tiefkühltruhe legen“, zieht Bärbel Beck den Vergleich zu der ebenfalls durch Corona in Not geratenen Gastronomie. Sie könne die Ware, die sie mit ihrem Geld vorfinanziert hat und die sie in der Pandemie nicht verkaufen kann, auch nicht an den Lieferanten zurückgeben, sondern muss sie im schlimmsten Fall weitestgehend als Verlust verbuchen, wenn sie später auch verbilligt keinen Käufer findet. Eine Kausalität, die in der Branche nicht mehr lange gutgehen könne. Bald müssten die ersten Geschäfte schließen, prognostiziert Bärbel Beck.
Hier setzt auch die Kampagne mit ihrer Kritik an. So wird unter anderem eine ähnliche Entschädigungs-Regel gefordert, wie sie für die Gastronomie schon gilt. Noch lieber aber würden die Geschäftsinhaber wieder öffnen. „Wir können die Hygieneauflagen genauso gut wie ein Lebensmittelhandel erfüllen“, heißt es auf der Internet-Seite der Kampagne.
Bärbel Beck würde es schon helfen, wenn die Kunden sich nach einem Schaufenster-Bummel dazu entscheiden würden, sich eine Auswahl an Textilien zur Anprobe nach daheim schicken zu lassen. Diese Möglichkeit des stationären Online-Handels sei vielen gar nicht bewusst. Auch nicht, dass sie und ihr Team im Laden weiter präsent sind.
Wer auf den Plakaten genauer hinsieht, erkennt, dass ein kleiner gedrucktes „merksam“den Slogan „Wir machen auf“komplettiert. Denn darum geht es den Machern der Kampagne zuallererst. Die Öffentlichkeit auf ihre schwierige Situation hinzuweisen – und an ihre Solidarität zu appellieren.