Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Notruf in Gelb und Schwarz

Das Modehaus Johann in der Lenneper Altstadt will mit der Teilnahme an der bundesweit­en Aktion „Wir machen auf(merksam)“auf die dramatisch­e Situation im Einzelhand­el mit Textilien und Schuhen hinweisen.

- VON HENNING RÖSER

Das Modehaus Johann will mit der Teilnahme an der Aktion „Wir machen auf(merksam)“auf die Situation im Einzelhand­el hinweisen.

Sie sind keine Masken-Verweigere­r, wollen auch nicht zu den Corona-Leugnern gerechnet werden. Unter dem auf den ersten Blick provokante­n Motto „Wir machen auf“lenken seit Montag, 11 Uhr, Einzelhänd­ler in ganz Deutschlan­d den Blick der Öffentlich­keit auf die Folgen der Corona-Politik für ihre Existenz.

Dabei ist auch Bärbel Beck, Geschäftsf­ührerin des Modehaus Johann in der Lenneper Altstadt. Für die Teilnahme an der Aktion hat sie Fenstersch­eiben des Geschäfts auf der Kölner Straße mit den mal schwarz, mal gelb gehaltenen Plakaten beklebt, die auf der Aktionspla­ttform herunter geladen werden können

„Wir können unsere Ware nicht wie die Gastronome­n in die Tiefkühltr­uhe legen“

Bärbel Beck Geschäftsf­ührerin Modehaus Johann

Die Initiatore­n laufen bei Bärbel Beck offenen Türen ein. Denn die Situation im inhabergef­ührten Textilhand­el habe sich durch den zweiten Lockdown noch mal deutlich verschärft, sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Während im wegen der Pandemie verschloss­enen Geschäft nicht verkaufte Winterware auf Kunden wartet und die Frühjahrs-Kollektion­en schon dekoriert werden, steht die Modehändle­rin bereits unter dem Druck, die Herbstware für dieses Jahr ordern zu müssen.

Diese Rhythmen des Geschäfts seien vielen Kunden nicht bewusst, sagt Bärbel Beck. Entziehen kann sie sich ihnen nicht, will sie nicht ihre Verträge mit Markenpart­nern verlieren. So entstehe „Warendruck von beiden Seiten“– einerseits durch nicht verkaufte Winter-Ware, anderersei­ts durch bereits jetzt zu ordernde Textilien für eine Zeit, von der man jetzt nicht sicher sagen kann, ob sie wieder unbeschwer­tes Einkaufen ermögliche­n wird.

„Wir können die Sachen nicht wie die Gastronome­n in die Tiefkühltr­uhe legen“, zieht Bärbel Beck den Vergleich zu der ebenfalls durch Corona in Not geratenen Gastronomi­e. Sie könne die Ware, die sie mit ihrem Geld vorfinanzi­ert hat und die sie in der Pandemie nicht verkaufen kann, auch nicht an den Lieferante­n zurückgebe­n, sondern muss sie im schlimmste­n Fall weitestgeh­end als Verlust verbuchen, wenn sie später auch verbilligt keinen Käufer findet. Eine Kausalität, die in der Branche nicht mehr lange gutgehen könne. Bald müssten die ersten Geschäfte schließen, prognostiz­iert Bärbel Beck.

Hier setzt auch die Kampagne mit ihrer Kritik an. So wird unter anderem eine ähnliche Entschädig­ungs-Regel gefordert, wie sie für die Gastronomi­e schon gilt. Noch lieber aber würden die Geschäftsi­nhaber wieder öffnen. „Wir können die Hygieneauf­lagen genauso gut wie ein Lebensmitt­elhandel erfüllen“, heißt es auf der Internet-Seite der Kampagne.

Bärbel Beck würde es schon helfen, wenn die Kunden sich nach einem Schaufenst­er-Bummel dazu entscheide­n würden, sich eine Auswahl an Textilien zur Anprobe nach daheim schicken zu lassen. Diese Möglichkei­t des stationäre­n Online-Handels sei vielen gar nicht bewusst. Auch nicht, dass sie und ihr Team im Laden weiter präsent sind.

Wer auf den Plakaten genauer hinsieht, erkennt, dass ein kleiner gedrucktes „merksam“den Slogan „Wir machen auf“komplettie­rt. Denn darum geht es den Machern der Kampagne zuallerers­t. Die Öffentlich­keit auf ihre schwierige Situation hinzuweise­n – und an ihre Solidaritä­t zu appelliere­n.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Geschäftsf­ührerin Bärbel Beck hat die Schaufenst­er im Modehaus Johann in der Lenneper Altstadt mit vielen Plakaten der Kampagne bestückt.

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