Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
15-Kilometer-Regel verunsichert Kommunen
Die Maßnahmen für Corona-Hotspots bleiben umstritten. Derzeit betrifft das acht Kreise und Städte in NRW. Fragen wirft auch eine Urlaubs-Ausnahme auf.
Angesichts steigender Infektionszahlen zählen acht Kreise und kreisfreie Städte in NRW zu den Hotspots. Dort steigt die Sorge, dass bald ein eingeschränkter Bewegungsradius greifen könnte. Bürger dürfen sich dann ab der Grenze ihres Wohnortes, also der politischen Gemeinde, nur noch in einem Radius von 15 Kilometern Luftlinie fortbewegen. Im Hotspot selbst sind sie in ihrer Bewegung nicht eingeschränkt.
Auf die Frage, ob das NRW-Gesundheitsministerium rechtliche Schwierigkeiten sehe, wenn in einem Hotspot-Kreis einige Kommunen deutlich unter dem Inzidenzwert von 200 liegen, sagte ein Sprecher, für die Bürger sei wichtig, dass die Regelungen klar und verständlich seien. „Sie können sich daher nicht kleinteilig und täglich wechselnd an jeder Gemeindeinfektionszahl orientieren.“Die getroffene Regelung stelle einen sinnvollen und aus Ministeriumssicht rechtmäßigen Ausgleich zwischen Punktgenauigkeit und Handhabbarkeit einer Regelung dar.
Im Kreis Mettmann, in dem die Inzidenz am Dienstag über die Marke von mehr als 200 Neuinfizierten je 100.000 Einwohner in sieben Tagen stieg, wartet man erst einmal ab. Grund sind einer Sprecherin zufolge technische Probleme bei der Übermittlung von Werten, die Tatsache, dass der Kreis erst einen Tag über der Marke liegt sowie der Umstand, dass sich ein Drittel der Infektionen auf Ausbrüche in Seniorenheimen zurückführen und damit klar eingrenzen lasse.
Mit dem Meldestau hatten nach Angaben des Ministeriumssprechers bereits die Städte Bielefeld, Gelsenkirchen und Bottrop argumentiert. „Da die Maßnahmen zur Einschränkung des Bewegungsradius aber sehr grundrechtsrelevant sind, muss das zuerst geklärt werden“, so der Sprecher. Man habe die Städte am Dienstag aufgefordert, dies angesichts der Meldefrist des Infektionsschutzgesetz zu erläutern. Zudem müssen sie mitteilen, was ihre Prüfung der Erforderlichkeit weiterer Schutzmaßnahmen ergeben habe.
Zu welchem Unmut innerhalb eines Kreises die 15-Kilometer-Regelung führen kann, zeigt sich exemplarisch im Oberbergischen Kreis. Auf deutliche Ablehnung stößt die Regionalverordnung des Landes etwa in Radevormwald. „Ich halte diese Regelung für keine gute Lösung“, sagte Bürgermeister Johannes Mans (parteilos). Die Kommunen würden mit Verfügungen konfrontiert, die sie nur schwer kontrollieren können. Diese würden bei den Bürgern „nur Verdruss und Ärger“schaffen.
SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty nannte die Verunsicherung der Kommunen „das Ergebnis eines völligen Durcheinanders bei der Regierung Laschet“. Wer so unklar kommuniziere und handle, dürfe sich nicht wundern, dass am Ende keiner mehr durchblicke und wüsste, was gelte: „Ich kann verstehen, dass die Menschen sich nicht mehr ernst genommen fühlen.“
Für Diskussion dürfte noch der Punkt führen, dass die Verordnung Fahrten aus „gewichtigen und unabweisbaren Gründen“zulässt. Was darunter zu verstehen ist, darauf gibt die Begründung für einen vorangegangenen Verordnungsentwurf Hinweise, die unserer Redaktion vorliegt. Darin heißt es, das Verlassen des Gebiets für mehrtägige Urlaubsreisen werde einen solchen Grund darstellen. Sie seien derzeit im Inland aufgrund des in allen Ländern geltenden Verbots touristischer Beherbergungen ohnehin weitgehend nicht möglich. „Inwieweit Auslandsreisen zulässig sind, bleibt der Hoheit des jeweiligen ausländischen Staates und seiner Einreiseregelungen überlassen“, so der Entwurfstext.
Der Chef der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Michael Mertens, hat zudem praktische Fragen für die Beamten: Das Bußgeld von bis zu
25.000 Euro lasse auf die Schwere des Vergehens schließen, „und dann dürften die Kollegen bei der Durchsetzung auch härtere Zwangsmaßnahmen anwenden als beim Fahren ohne Führerschein“. Niemand könne wollen, dass Uneinsichtige in Handschellen aufs Revier geführt werden müssten.