Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Politiker von CDU und SPD fordern Verbot der Prostituti­on

- VON KIRSTEN BIALDIGA

EU- und Bundespoli­tiker fordern ein Ende der Prostituti­on in Deutschlan­d nach dem Vorbild Schwedens und Frankreich­s. „Eine durchgreif­ende Verbesseru­ng im bestehende­n System ist nicht möglich“, sagte die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Elisabeth Winkelmeie­r-Becker unserer Redaktion, die zugleich parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Bundeswirt­schaftsmin­isterium ist. Der Versuch einer trennschar­fen Unterschei­dung zwischen selbstbest­immter und erzwungene­r Prostituti­on sei gescheiter­t. Die große Mehrzahl der Prostituie­rten stehe unter brutalem Zwang. Alle Bemühungen zum

Schutz der Frauen seien ins Leere gelaufen. Deswegen brauche es das „Nordische Modell“wie in Schweden, das die Freier unter Strafe stellt.

Auch Annette Widmann-Mauz, Chefin der CDU-Frauenunio­n und Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung im Kanzleramt, spricht sich für das Nordische Modell aus. Sie zählt zu den 16 Unterzeich­nern eines entspreche­nden Briefs von CDU- und SPD-Bundestags­abgeordnet­en an die Ministerpr­äsidenten.

In NRW stößt die Initiative auf Widerstand. Zwar hält auch die NRW-Gleichstel­lungsminis­terin Ina Scharrenba­ch (CDU) das Prostituie­rtenschutz­gesetz für unwirksam und bezeichnet Zwangspros­titution als „moderne Sklaverei“. Ein Prostituti­onsverbot lehnt sie aber ab und hat dafür in der Landes-CDU auch die Unterstütz­ung der frauenpoli­tischen Sprecherin Heike Troles: „Prostituti­on findet trotzdem statt, sie wird nur in den Bereich der Illegalitä­t verschoben.“Troles hat mit der FDP einen Antrag gegen ein Sexkaufver­bot in den Landtag eingebrach­t. Die Expertenan­hörung findet am Donnerstag statt.

Einer der geladenen Experten ist Helmut Sporer, Kriminalob­erkommissa­r a. D., der jahrzehnte­lang in dem Milieu ermittelte. Er widerspric­ht der These, die Prostituti­on werde durch ein Verbot erst in die Illegalitä­t gedrängt. „Es wird immer so getan, als gäbe es zwei Bereiche: den sauberen, legalen – und den illegalen.“Die Realität zeige, dass die Bereiche nicht zu trennen seien: „Zwangspros­titution findet auch in den offiziell gemeldeten Bordellen statt.“Die Sexarbeite­rin, die selbstbest­immt im eigenen Studio arbeite, sei eine absolute Ausnahme. Die allermeist­en Prostituie­rten würden von Menschenhä­ndlern und Zuhältern gezwungen: „Sie müssen nicht selten 20 Freier am Tag über sich ergehen lassen.“

Nur mit nachgebess­erten Gesetzen sei nicht viel zu erreichen, so Sporer. Die Täter zu überführen, sei meist nahezu unmöglich: „Am Ende braucht es fast immer eine Aussage der Frauen. Die ist kaum zu bekommen, weil sie unglaublic­he Angst haben. Viele würden lieber sterben, als die Täter zu belasten.“Er sei inzwischen zu der Überzeugun­g gelangt, dass sich die Lage der Frauen in Deutschlan­d ohne ein Prostituti­onsverbot nicht verbessern lasse.

Gewalttäti­ge Sexpraktik­en mit schwerwieg­enden physischen und psychische­n Folgen für die Prostituie­rten sind nach Auskunft von Frauenärzt­en an der Tagesordnu­ng. Die Gynäkologi­n Liane Bissinger berichtet von einem sehr schlechten Gesundheit­szustand vieler Frauen. Wegen der ständigen Penetratio­n aller Körperöffn­ungen hätten etwa selbst junge Frauen Probleme mit der Verdauung oder könnten kaum ihren Urin halten. Die meisten stünden unter Drogen oder Schmerzmit­teln.

In einem Bericht für das G7-Treffen der führenden Industrien­ationen 2019 bewerteten unabhängig­e Berater das Nordische Modell. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass es in Schweden relativ zur Bevölkerun­gsgröße weniger Prostituie­rte gebe als in anderen Ländern. Es gebe weder Anzeichen dafür, dass mehr Schweden ins Ausland fahren, um dort Sex zu kaufen, noch für eine Ausweitung illegaler Prostituti­on. „Das schwedisch­e Modell hat sich als effektive Exit-Strategie erwiesen für jene, die von der Sexindustr­ie ausgebeute­t werden, sowie als effektive Strategie gegen Menschenha­ndel“, sagte auch die ehemalige schwedisch­e Außenminis­terin Margot Wallström unserer Redaktion.

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