Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die bedrohlichsten Corona-Symptome
Covid-19-Mutationen, hohe Infektionszahlen und überlastete Kliniken: Die Sorge, selbst schwer zu erkranken, steigt. Studien geben Hinweise darauf, dass die Analyse der Erstsymptome Aufschluss darüber geben könnte, für wen es gefährlich werden kann.
Rund 1,9 Millionen Menschen in Deutschland sind mit Corona infiziert. Ältere Menschen, Raucher, stark Übergewichtige und chronisch Vorerkrankte, wie Herzkranke, Bluthochdruckpatienten und Diabetiker – sie alle tragen im Falle einer Corona-Infektion das höchste Risiko für schwere Erkrankungsverläufe. Dieses Wissen hilft, diese Gruppen durch präventive Maßnahmen zu schützen. Schlagen jedoch Schutzmaßnahmen fehl und kommt es zur Infektion, ist die Sorge nicht nur unter Risikopatienten groß, einen schweren Verlauf zu erleiden. Denn anfänglich scheinbar harmlose Symptome können sich auch bei Menschen außerhalb der Risikogruppe in kurzer Zeit in lebensbedrohliche Zustände verwandeln.
Pharmazeuten wie Mediziner raten darum beispielsweise oft dazu, auch zu Hause mit einem sogenannten Oximeter (ab 20 Euro) die Sauerstoffsättigung im Blut im Auge zu behalten. Der Grund: CoronaPatienten fühlen sich manchmal auch dann noch „normal krank“, wenn ihre Sauerstoffwerte bereits längst im kritischen Bereich sind. Auch pflegende Angehörige schätzen darum die Situation manchmal falsch ein.
Wüsste man im Erkrankungsfall also gleich zu Beginn mehr über den wahrscheinlichen Verlauf, wäre es leichter, günstig Einfluss auf das Krankheitsgeschehen zu nehmen. Verschiedene Studien können dabei helfen, anhand anfänglich auftretender Symptome Prognosen über die Schwere der Covid-19-Erkrankung und die Wahrscheinlichkeit einer Beatmung zu treffen. Auch weiß man inzwischen mehr darüber, welche Menschen eher mit langen Verläufen oder einem Rückfall rechnen müssen.
Die gute Nachricht: Bei den meisten Corona-Kranken (80 Prozent) verläuft die Infektion milde bis mittelschwer und kann zu Hause auskuriert
werden. „Nur ein kleiner Teil von zehn bis 20 Prozent ist auf stationäre Versorgung im Krankenhaus angewiesen“, sagt Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektiologie am Universitätsklinikum Essen. Bei solch schweren Verläufen kann
es zu Atemnot und Lungenversagen kommen.
Das Tückische: Zu Beginn zeigt sich die Infektion in der Regel harmlos. Und sie kann viele Gesichter haben: Husten ist das häufigste Frühsymptom (40 Prozent). In
28 Prozent der Fälle gehört Fieber mit zum Symptombild. 27 Prozent der Infizierten haben Schnupfen und 21 Prozent stellen eine Störung des Geruchs- und Geschmacksinns fest. Daneben gibt es jedoch zahlreiche andere Krankheitsanzeichen
wie Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Bindehautentzündung und Apathie.
In diesem bunten Symptommix scheint es jedoch ein Schema zu geben, das Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit zulassen könnte, mit der Patienten einen schweren Erkrankungsverlauf zu erwarten haben und später beatmet werden müssen.
„Sehr häufig sehen wir Menschen mit leichten Symptomen, die zum Beispiel einen Schnupfen haben“, schildert der Essener Universitätsmediziner Witzke. Seiner Erfahrung nach haben diese Patienten in den meisten Fällen einen milden Verlauf und können die Infektion zu Hause kurieren.
Witzkes Beobachtung wird durch verschiedene Studien belegt. So fand die britische Geriaterin Claire Steves vom King‘s College London heraus, dass auch Corona-Infizierte mit den Anfangssymptomen Kopfschmerzen und Geschmacksstörungen, die zusammen mit Erkältungssymptomen wie Schnupfen, Halsschmerzen und Husten auftreten, relativ gelassen bleiben können. Nur 15 Prozent der Patienten mit diesen Symptomen mussten später ins Krankenhaus. Lediglich ein Prozent von ihnen war auf eine künstliche Beatmung angewiesen. Eine vor wenigen Tagen veröffentlichte französische Studie mit rund 2600 Corona-Patienten ermittelte sogar nur 10,7 Prozent mit schwerem Verlauf.
Anders stellte sich die Lage laut Steves Untersuchung bei Erkrankten dar, die zu Beginn der Corona-Infektion zwar kaum husteten, jedoch Durchfall oder Bauchschmerzen hatten. Jeder Vierte mit dieser Symptomatik kam ins Krankenhaus. Jeder Zehnte musste später ans Beatmungsgerät. Ein ähnlich schwerer Verlauf kündigt sich bei Corona-Kranken an, die in den ersten Tagen unter Erschöpfung leiden oder verwirrt sind.
Diese Ergebnisse sind Teil einer noch unveröffentlichten Studie, für die Steves sich frühe Symptome wie auch die späteren Verläufe von mehr als 1600 Infizierten aus verschiedenen Ländern ansah. Im Kern identifizierte sie sechs Symptomgruppen, die jeweils verschieden hohe Risiken für einen schweren Verlauf ankündigen.