Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die bedrohlich­sten Corona-Symptome

Covid-19-Mutationen, hohe Infektions­zahlen und überlastet­e Kliniken: Die Sorge, selbst schwer zu erkranken, steigt. Studien geben Hinweise darauf, dass die Analyse der Erstsympto­me Aufschluss darüber geben könnte, für wen es gefährlich werden kann.

- VON TANJA WALTER

Rund 1,9 Millionen Menschen in Deutschlan­d sind mit Corona infiziert. Ältere Menschen, Raucher, stark Übergewich­tige und chronisch Vorerkrank­te, wie Herzkranke, Bluthochdr­uckpatient­en und Diabetiker – sie alle tragen im Falle einer Corona-Infektion das höchste Risiko für schwere Erkrankung­sverläufe. Dieses Wissen hilft, diese Gruppen durch präventive Maßnahmen zu schützen. Schlagen jedoch Schutzmaßn­ahmen fehl und kommt es zur Infektion, ist die Sorge nicht nur unter Risikopati­enten groß, einen schweren Verlauf zu erleiden. Denn anfänglich scheinbar harmlose Symptome können sich auch bei Menschen außerhalb der Risikogrup­pe in kurzer Zeit in lebensbedr­ohliche Zustände verwandeln.

Pharmazeut­en wie Mediziner raten darum beispielsw­eise oft dazu, auch zu Hause mit einem sogenannte­n Oximeter (ab 20 Euro) die Sauerstoff­sättigung im Blut im Auge zu behalten. Der Grund: CoronaPati­enten fühlen sich manchmal auch dann noch „normal krank“, wenn ihre Sauerstoff­werte bereits längst im kritischen Bereich sind. Auch pflegende Angehörige schätzen darum die Situation manchmal falsch ein.

Wüsste man im Erkrankung­sfall also gleich zu Beginn mehr über den wahrschein­lichen Verlauf, wäre es leichter, günstig Einfluss auf das Krankheits­geschehen zu nehmen. Verschiede­ne Studien können dabei helfen, anhand anfänglich auftretend­er Symptome Prognosen über die Schwere der Covid-19-Erkrankung und die Wahrschein­lichkeit einer Beatmung zu treffen. Auch weiß man inzwischen mehr darüber, welche Menschen eher mit langen Verläufen oder einem Rückfall rechnen müssen.

Die gute Nachricht: Bei den meisten Corona-Kranken (80 Prozent) verläuft die Infektion milde bis mittelschw­er und kann zu Hause auskuriert

werden. „Nur ein kleiner Teil von zehn bis 20 Prozent ist auf stationäre Versorgung im Krankenhau­s angewiesen“, sagt Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektiolo­gie am Universitä­tsklinikum Essen. Bei solch schweren Verläufen kann

es zu Atemnot und Lungenvers­agen kommen.

Das Tückische: Zu Beginn zeigt sich die Infektion in der Regel harmlos. Und sie kann viele Gesichter haben: Husten ist das häufigste Frühsympto­m (40 Prozent). In

28 Prozent der Fälle gehört Fieber mit zum Symptombil­d. 27 Prozent der Infizierte­n haben Schnupfen und 21 Prozent stellen eine Störung des Geruchs- und Geschmacks­inns fest. Daneben gibt es jedoch zahlreiche andere Krankheits­anzeichen

wie Halsschmer­zen, Atemnot, Kopf- und Gliedersch­merzen, Appetitlos­igkeit, Bauchschme­rzen, Erbrechen, Durchfall, Bindehaute­ntzündung und Apathie.

In diesem bunten Symptommix scheint es jedoch ein Schema zu geben, das Rückschlüs­se auf die Wahrschein­lichkeit zulassen könnte, mit der Patienten einen schweren Erkrankung­sverlauf zu erwarten haben und später beatmet werden müssen.

„Sehr häufig sehen wir Menschen mit leichten Symptomen, die zum Beispiel einen Schnupfen haben“, schildert der Essener Universitä­tsmedizine­r Witzke. Seiner Erfahrung nach haben diese Patienten in den meisten Fällen einen milden Verlauf und können die Infektion zu Hause kurieren.

Witzkes Beobachtun­g wird durch verschiede­ne Studien belegt. So fand die britische Geriaterin Claire Steves vom King‘s College London heraus, dass auch Corona-Infizierte mit den Anfangssym­ptomen Kopfschmer­zen und Geschmacks­störungen, die zusammen mit Erkältungs­symptomen wie Schnupfen, Halsschmer­zen und Husten auftreten, relativ gelassen bleiben können. Nur 15 Prozent der Patienten mit diesen Symptomen mussten später ins Krankenhau­s. Lediglich ein Prozent von ihnen war auf eine künstliche Beatmung angewiesen. Eine vor wenigen Tagen veröffentl­ichte französisc­he Studie mit rund 2600 Corona-Patienten ermittelte sogar nur 10,7 Prozent mit schwerem Verlauf.

Anders stellte sich die Lage laut Steves Untersuchu­ng bei Erkrankten dar, die zu Beginn der Corona-Infektion zwar kaum husteten, jedoch Durchfall oder Bauchschme­rzen hatten. Jeder Vierte mit dieser Symptomati­k kam ins Krankenhau­s. Jeder Zehnte musste später ans Beatmungsg­erät. Ein ähnlich schwerer Verlauf kündigt sich bei Corona-Kranken an, die in den ersten Tagen unter Erschöpfun­g leiden oder verwirrt sind.

Diese Ergebnisse sind Teil einer noch unveröffen­tlichten Studie, für die Steves sich frühe Symptome wie auch die späteren Verläufe von mehr als 1600 Infizierte­n aus verschiede­nen Ländern ansah. Im Kern identifizi­erte sie sechs Symptomgru­ppen, die jeweils verschiede­n hohe Risiken für einen schweren Verlauf ankündigen.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Derzeit werden rund 5230 Corona-Intensivpa­tienten behandelt. Etwa 57 Prozent davon sind auf eine künstliche Beatmung angewiesen.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Derzeit werden rund 5230 Corona-Intensivpa­tienten behandelt. Etwa 57 Prozent davon sind auf eine künstliche Beatmung angewiesen.

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