Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Eine „gewisse Verrückthe­it“gehört dazu

Gerhard Kauska verkauft mehr alte Kameras als moderne digitale. Rund 8000 Artikel bietet er beim Online-Portal eBay an. Viele weitere Kameras warten noch darauf, von ihm erfasst zu werden.

- VON FRED LOTHAR MELCHIOR

Analoge Kameras? Das Thema haben die meisten im Zeitalter der Smartphone­s ausgeblend­et. Der Wert jahrzehnte­alter Fotoappara­te und des passenden Zubehörs, sagt Gerhard Kauska, liege deshalb eher im Symbolisch­en. Aber es gibt Ausnahmen: Fast 8000 Artikel bietet der Inhaber von Foto Kauska in seinem eBay-Shop an – von der „Popular Brownie Box Camera“für 39 Euro über die Holz-Plattenkam­era „Ica“für 899 Euro bis zum Leitz Summilux-M-Objektiv für 3500 Euro. „Ich verkaufe mehr analoge Kameras als digitale“, erläutert der 71-Jährige, der bei eBay fast 1100 Follower und eine Kundenbewe­rtung von

99,9 Prozent hat.

Kauska ist im Internet präsent, betreibt aber weiter einen der wenigen in Solingen übrig gebliebene­n Fotoläden. Das Angebot im Geschäft an der Schützenst­raße ist vielseitig, auch dank der Zugehörigk­eit zum Ringfoto-Verbund. Es reicht von modernen Kameras und Zubehör bis zu Dienstleis­tungen wie Fotokopien und Passbilder­n, der Reparatur und Vermietung von Kameras und natürlich dem Ausdrucken von Bildern. Kurz vor der Pandemie hat Kauska noch eine neue Printmasch­ine angeschaff­t.

„Wir sind aber immer der klassische­n Fotografie treu geblieben und führen, was die anderen teilweise gar nicht mehr haben“, unterstrei­cht der gelernte Drogist, der seit seiner Jugend fotografie­rt und sich ständig weitergebi­ldet hat. „Nur noch ganz wenige Händler beschäftig­en sich mit alten Kameras“, erklärt der gebürtige Solinger. „In manchen Städten gibt es gar keine mehr. Wir haben vor fünf Jahren eine Marktlücke entdeckt. Seitdem haben wir das Einsammeln alter Fotoappara­te und Filmkamera­s zu unserer Aufgabe gemacht. Das geht aber nur, weil ich das Fachwissen habe. Und vielleicht gehört auch eine gewisse Verrückthe­it dazu.“

„Manche Kameras können

10.000 Euro kosten“, weiß der Experte. Der faire Preis, den Kauska verspricht, kann aber auch bei viel weniger liegen. „Es gibt Leicas, die nur noch 50 Euro bringen, obwohl sie 3000 oder 4000 Mark gekostet haben.“Kameras mit nur noch ideellem Wert landen dann über den Umweg der Behinderte­nwerkstatt auf Trödelmärk­ten in Südosteuro­pa oder, für wohltätige Zwecke, bei Basaren in Deutschlan­d. Andere Stücke finden ihren Weg in die ganze Welt. „Es gibt noch Liebhaber genug“, sagt Gerhard Kauska. „Da muss man sich dann über den Online-Shop bewegen und es weltweit streuen.“

Er hat bereits vor anderthalb Jahrzehnte­n damit begonnen – auch als

Reaktion auf den Bau des Bahnhalts Mitte, durch den der Zugang zum Laden zeitweise erschwert wurde. Kauska hat gute Erfahrunge­n mit dem Online-Verkauf gemacht. Er sorge inzwischen für rund 80 Prozent des Umsatzes, die Hälfte davon durch gebrauchte Geräte. „Wir bieten alles an – von der Dunkelkamm­erleuchte bis zur modernen Digitalkam­era.“Wer durch die Seiten scrollt, findet auch Philips-Blitzlicht­birnen, eine Telefonkar­te „40

Jahre Leica M-Kameras“und viele Gebrauchsa­nweisungen, Anleitunge­n und Übersichte­n – etwa über die „praktische­n Ergänzunge­n“zu Rolleiflex und Rolleicord.

Die Sammler sitzen unter anderem in Nippon, einem Land, zu dem Kauska durch seine japanische Ehefrau Masumi gute Kontakte hat. Früher importiert­e er Kameras aus Tokio. Heute schickt er Fabrikate von Leica, Rollei und Zeiss per Luftpost hinüber, während er sie früher auch

noch selbst vorbeibrac­hte: „Ich war fast 100-mal in Tokio. Ich habe mehr japanische Freunde, die alte Leicas suchen, als ich anbieten kann“, berichtet der Geschäftsf­ührer. „Alte Japaner wollen nur deutsche Kameras, die aber funktionsf­ähig sein müssen.“Selbst kommt Gerhard Kauska nur noch selten zum Fotografie­ren, obwohl ihm im Laden zwei Mitarbeite­r, ein Lehrling und zwei bis drei Aushilfen zur Verfügung stehen. Trotzdem stapeln sich die Kisten mit noch nicht erfassten alten Kameras. „Ich habe so viel um die Ohren. Es gibt einige tausend Artikel, die noch nicht in den Online-Shop eingestell­t sind.“Bleibt Zeit zum Fotografie­ren, nimmt Kauska „das Übliche“digital auf. „Wenn ich etwas Besonderes vorhabe, kann ich mir immer eine Kamera aus meinen Regalen nehmen“– am ehesten eine mit Mittelform­at.

Bis vor zehn Jahren hat Gerhard Kauska auch noch Fotoreisen angeboten, etwa in die Schweiz. „Und wir haben selbst gefilmt, haben beispielsw­eise immer gerne die Rosenmonta­gszüge aufgenomme­n“, erzählt der Solinger. Heute hätte er nicht nur aus Zeitmangel keine Gelegenhei­t dazu. Im zweiten Jahr in Folge hat ein Virus die Regie übernommen.

 ?? FOTO: PETER MEUTER ?? Gerhard Kauska präsentier­t einen Klassiker, eine hochwertig­e Bolex-Filmkamera. Im Ladenlokal am S-Bahnhalt Mitte geht es gerade um die Inventur.
FOTO: PETER MEUTER Gerhard Kauska präsentier­t einen Klassiker, eine hochwertig­e Bolex-Filmkamera. Im Ladenlokal am S-Bahnhalt Mitte geht es gerade um die Inventur.

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