Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Verführer mit Millionen
ANALYSE Weil die Corona-Krise auch eine Finanzkrise ist, denken viele Bundesligisten über Investoren nach. Das mag auf den ersten Blick verlockend, ja alternativlos klingen. Sie sollten lieber zu hohe Ziele korrigieren.
Die finanziellen Einbußen der CoronaKrise machen Vereine für das Geld und den Einfluss von Investoren wie (v.l.) Clemens Tönnies, Mansour bin Zayed Al Nahyan oder Lars Windhorst noch einmal empfänglicher. Doch diese kurzfristige Hilfe birgt langfristige Gefahren.
chalke hat vergangene Woche gleich zwei glückliche Entscheidungen getroffen. Zunächst wehrte sich der Klub gegen zusätzliche finanzielle Unterstützung durch den Fleischunternehmer Clemens Tönnies. Dann stellte Trainer Christian Gross im Bundesligaspiel gegen die TSG Hoffenheim den 19-jährigen Matthew Hoppe als Mittelstürmer auf. Der schoss drei Tore beim 4:0-Sieg. So trug er dazu bei, dass Schalke vorerst nicht mehr in einem Atemzug mit Tasmania Berlin genannt wird. Sie behält den Rekord von 31 sieglosen Meisterschaftsspielen in Serie.
Während Hoppe dem Klub sportlich Hoffnung gibt, war die Entscheidung gegen eine Finanzspritze von Tönnies ein Beweis dafür, dass sich die Vereinsspitze vom einstigen Chef des Aufsichtsrats emanzipiert hat. Auf mehr als nur zarten Druck aus dem Klub hatte Tönnies im Sommer nach den Meldungen über skandalöse Umstände in seinen Betrieben in der Corona-Krise seine Ämter niedergelegt.
Für Schalke war das ein Schritt aus der Abhängigkeit vom Milliardär aus Wiedenbrück. Er hatte den Verein in der Vergangenheit mit Darlehen unterstützt, war über sein Unternehmen Premium-Sponsor und als Aufsichtsratschef der Mann, der das Sagen hatte. Unabhängig vom Amt, das keine Beteiligung am operativen Geschäft vorsieht, bestimmte Tönnies bis in Kleinigkeiten die Politik. Widerspruch war nicht vorgesehen, vor allem durch seine blendenden Beziehungen zu den Boulevard-Medien war Tönnies das
Gesicht von Schalke 04.
Das war fast vergessen, als er sich öffentlich mit seinem Hilfsangebot meldete. Schalke tat sich schwer, das Angebot abzulehnen. Dem Vernehmen nach gaben zwei Stimmen im Aufsichtsrat den Ausschlag. Trotzdem eine weise Entscheidung, denn es ist sicher, dass der Großunternehmer seine Hilfe (über Aufstockung des Sponsorenvertrags oder als Darlehen) mit Ansprüchen verbunden hätte. Da denkt Tönnies wie die Kneipenbesucher früher: Wer Geld in die Musikbox wirft, der darf auch bestimmen, was gespielt wird. Schalke hat zwar weiter turmhohe Verbindlichkeiten von mindestens 200 Millionen Euro, aber immerhin die Entscheidungsgewalt. Das führt auf jeden Fall zum Abschied von hochfliegenden sportlichen Träumen. Schalke wird kleine Brötchen backen. Und das ist überhaupt nicht schlimm.
Es passt aber nicht zum Selbstverständnis des Vereins, den sportliche Illusionen erst so tief in die roten Zahlen getrieben haben. Und darum wird nun auch über alternative Modelle diskutiert. Das eine ist die Ausgliederung der Profiabteilung aus dem eingetragenen Verein. Das andere ist die Frage, wie viel Einfluss Schalke Investoren zugestehen will. Noch gehört der Verein zu den sieben Bundesligisten, die keine Anteile vergeben haben – Schalke, Werder, Mönchengladbach, Köln, Mainz, Union Berlin und Freiburg. Es könnten schnell weniger werden, denn alle schlagen sich wegen der Einnahme-Ausfälle in der Corona-Pandemie mit Verlusten herum.
Es ist eine allzu verwegene Hoffnung, dass wirtschaftliche Not zur Vernunft führt. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass in naher Zukunft das deutsche 50+1-Modell fallen wird. Noch schreibt es vor, dass in den ausgegliederten Gesellschaften der Verein immer die Mehrheit von mindestens einer Stimme haben muss. Dieses Modell war mal prima, ist inzwischen aber ausgehöhlt, weil langjährige Sponsoren die Mehrheit bei Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg, TSG Hoffenheim und RB Leipzig haben dürfen.
Das 50+1-Modell ist daher ungerecht. Die Idee dahinter ist dagegen gut. Denn eine Stimmenmehrheit für den Verein verhindert, dass sich ein reicher Investor ein Spekulationsobjekt leistet, das er alsbald wieder abstoßen kann. Beispiele gefällig? Der russische Milliardär Suleiman Kerimow erwarb 2011 den Erstligisten Anschi Machatschkala, machte Samuel Eto’o durch eine Ablösesumme von 27 Millionen Euro zum teuersten Spieler der Welt, verlor aber bald die Lust und verkaufte den Klub 2016. Inzwischen spielt der ehemalige Europacupteilnehmer in der 3. Liga. Der FC Blackpool gelangte mit seinem Eigentümer Karl Oyston in die erste Liga. Das fand der Besitzer so schön, dass er 30 Millionen Euro aus der Klubkasse nahm und in andere Unternehmen steckte. Blackpool ist unterdessen Drittligist. Wie sehr ein Investor als Hauptanteilseigner das Image eines Vereins verändern kann, zeigt auch das Beispiel von Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan bei Manchester City.
So weit sind sie bei Hertha BSC noch nicht. Aber der Klub gewährt dem Investor Lars Windhorst 66,6 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft. Der Verein, so wird versichert, behalte aber die Stimmenmehrheit. Windhorst hat 244 Millionen Euro eingezahlt, weitere 150 Millionen sollen bis Ende 2021 folgen. Deshalb träumen die Berliner vom „Big-City-Klub“. Das ist schon anderen zum Verhängnis geworden. Im Moment ist Hertha Bundesliga-Zwölfter, graues Mittelmaß. Ein bisschen Demut täte da gut.