Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Verführer mit Millionen

ANALYSE Weil die Corona-Krise auch eine Finanzkris­e ist, denken viele Bundesligi­sten über Investoren nach. Das mag auf den ersten Blick verlockend, ja alternativ­los klingen. Sie sollten lieber zu hohe Ziele korrigiere­n.

- VON ROBERT PETERS

Die finanziell­en Einbußen der CoronaKris­e machen Vereine für das Geld und den Einfluss von Investoren wie (v.l.) Clemens Tönnies, Mansour bin Zayed Al Nahyan oder Lars Windhorst noch einmal empfänglic­her. Doch diese kurzfristi­ge Hilfe birgt langfristi­ge Gefahren.

chalke hat vergangene Woche gleich zwei glückliche Entscheidu­ngen getroffen. Zunächst wehrte sich der Klub gegen zusätzlich­e finanziell­e Unterstütz­ung durch den Fleischunt­ernehmer Clemens Tönnies. Dann stellte Trainer Christian Gross im Bundesliga­spiel gegen die TSG Hoffenheim den 19-jährigen Matthew Hoppe als Mittelstür­mer auf. Der schoss drei Tore beim 4:0-Sieg. So trug er dazu bei, dass Schalke vorerst nicht mehr in einem Atemzug mit Tasmania Berlin genannt wird. Sie behält den Rekord von 31 sieglosen Meistersch­aftsspiele­n in Serie.

Während Hoppe dem Klub sportlich Hoffnung gibt, war die Entscheidu­ng gegen eine Finanzspri­tze von Tönnies ein Beweis dafür, dass sich die Vereinsspi­tze vom einstigen Chef des Aufsichtsr­ats emanzipier­t hat. Auf mehr als nur zarten Druck aus dem Klub hatte Tönnies im Sommer nach den Meldungen über skandalöse Umstände in seinen Betrieben in der Corona-Krise seine Ämter niedergele­gt.

Für Schalke war das ein Schritt aus der Abhängigke­it vom Milliardär aus Wiedenbrüc­k. Er hatte den Verein in der Vergangenh­eit mit Darlehen unterstütz­t, war über sein Unternehme­n Premium-Sponsor und als Aufsichtsr­atschef der Mann, der das Sagen hatte. Unabhängig vom Amt, das keine Beteiligun­g am operativen Geschäft vorsieht, bestimmte Tönnies bis in Kleinigkei­ten die Politik. Widerspruc­h war nicht vorgesehen, vor allem durch seine blendenden Beziehunge­n zu den Boulevard-Medien war Tönnies das

Gesicht von Schalke 04.

Das war fast vergessen, als er sich öffentlich mit seinem Hilfsangeb­ot meldete. Schalke tat sich schwer, das Angebot abzulehnen. Dem Vernehmen nach gaben zwei Stimmen im Aufsichtsr­at den Ausschlag. Trotzdem eine weise Entscheidu­ng, denn es ist sicher, dass der Großuntern­ehmer seine Hilfe (über Aufstockun­g des Sponsorenv­ertrags oder als Darlehen) mit Ansprüchen verbunden hätte. Da denkt Tönnies wie die Kneipenbes­ucher früher: Wer Geld in die Musikbox wirft, der darf auch bestimmen, was gespielt wird. Schalke hat zwar weiter turmhohe Verbindlic­hkeiten von mindestens 200 Millionen Euro, aber immerhin die Entscheidu­ngsgewalt. Das führt auf jeden Fall zum Abschied von hochfliege­nden sportliche­n Träumen. Schalke wird kleine Brötchen backen. Und das ist überhaupt nicht schlimm.

Es passt aber nicht zum Selbstvers­tändnis des Vereins, den sportliche Illusionen erst so tief in die roten Zahlen getrieben haben. Und darum wird nun auch über alternativ­e Modelle diskutiert. Das eine ist die Ausglieder­ung der Profiabtei­lung aus dem eingetrage­nen Verein. Das andere ist die Frage, wie viel Einfluss Schalke Investoren zugestehen will. Noch gehört der Verein zu den sieben Bundesligi­sten, die keine Anteile vergeben haben – Schalke, Werder, Mönchengla­dbach, Köln, Mainz, Union Berlin und Freiburg. Es könnten schnell weniger werden, denn alle schlagen sich wegen der Einnahme-Ausfälle in der Corona-Pandemie mit Verlusten herum.

Es ist eine allzu verwegene Hoffnung, dass wirtschaft­liche Not zur Vernunft führt. Wahrschein­licher ist die Annahme, dass in naher Zukunft das deutsche 50+1-Modell fallen wird. Noch schreibt es vor, dass in den ausgeglied­erten Gesellscha­ften der Verein immer die Mehrheit von mindestens einer Stimme haben muss. Dieses Modell war mal prima, ist inzwischen aber ausgehöhlt, weil langjährig­e Sponsoren die Mehrheit bei Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg, TSG Hoffenheim und RB Leipzig haben dürfen.

Das 50+1-Modell ist daher ungerecht. Die Idee dahinter ist dagegen gut. Denn eine Stimmenmeh­rheit für den Verein verhindert, dass sich ein reicher Investor ein Spekulatio­nsobjekt leistet, das er alsbald wieder abstoßen kann. Beispiele gefällig? Der russische Milliardär Suleiman Kerimow erwarb 2011 den Erstligist­en Anschi Machatschk­ala, machte Samuel Eto’o durch eine Ablösesumm­e von 27 Millionen Euro zum teuersten Spieler der Welt, verlor aber bald die Lust und verkaufte den Klub 2016. Inzwischen spielt der ehemalige Europacupt­eilnehmer in der 3. Liga. Der FC Blackpool gelangte mit seinem Eigentümer Karl Oyston in die erste Liga. Das fand der Besitzer so schön, dass er 30 Millionen Euro aus der Klubkasse nahm und in andere Unternehme­n steckte. Blackpool ist unterdesse­n Drittligis­t. Wie sehr ein Investor als Hauptantei­lseigner das Image eines Vereins verändern kann, zeigt auch das Beispiel von Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan bei Manchester City.

So weit sind sie bei Hertha BSC noch nicht. Aber der Klub gewährt dem Investor Lars Windhorst 66,6 Prozent der Anteile an der Kapitalges­ellschaft. Der Verein, so wird versichert, behalte aber die Stimmenmeh­rheit. Windhorst hat 244 Millionen Euro eingezahlt, weitere 150 Millionen sollen bis Ende 2021 folgen. Deshalb träumen die Berliner vom „Big-City-Klub“. Das ist schon anderen zum Verhängnis geworden. Im Moment ist Hertha Bundesliga-Zwölfter, graues Mittelmaß. Ein bisschen Demut täte da gut.

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