Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Center-Magnetismus außer Kraft gesetzt
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen des Lockdowns verändern das Bild der Remscheider Innenstadt.
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen des Lockdowns verändern das Bild der Remscheider Innenstadt.
Es ist Samstag, 10.30 Uhr am Vormittag. Seit dem frühen Morgen haben einige wenige Marktbeschicker ihre Stände aufgebaut. Wurst, Käse, Eier, frisches Obst und Gemüse sowie Backwaren und frischer Backfisch werden hinter großen durchsichtigen Abtrennungen feilgeboten. Es ist akustisch ruhig.
„Es ist ziemlich einsam geworden“
Annika Beckmann
Tee Gschwendner
Die Marktbesucher, überwiegend Herrschaften älterer Semester, stehen stillschweigend und sorgsam auf Abstand in ordentlich geformten Warteschlangen und tragen Mund-Nasen-Schutz. Die Begrüßung zwischen Kunden und Händler verläuft freundlich, der Einkauf schnell. Niemand scheint hier länger sein zu wollen als nötig.
Vereinzelt jedoch sind Ausnahmen zu erkennen. Menschen, die sich auf Abstand gegenüberstehen und klönen. Marktbesucherin Wehrhild Eichhorn (80) hat ihre ehemaligen Nachbarn getroffen. Auf solche Begegnungen hatte sie heimlich gehofft, denn außer auf dem Marktplatz seien ihre sozialen Kontakte eingeschränkt. „Als ich kürzlich aus dem Haus ging, hatte ich das Gefühl, es wäre eine Ausgangssperre verhängt worden und ich hätte nichts davon mitbekommen. So leer gefegt waren die Straßen. Auf dem Markt sieht man wenigstens noch ein paar Leute“, sagt die Seniorin, während sie sich auf ihrem Rollator abstützt. Über ihren Mundschutz trägt sie eine zusätzliche FFP2-Maske. „Nur für die jungen Leute tut mir die Situation leid.“
Auch die Händler haben bessere Tage erlebt: „Es hat sehr stark nachgelassen“, beschreibt Marita Niepenberg das Markttreiben der vergangenen Wochen. Seit fast 60 Jahren steht sie gemeinsam mit ihrem Mann zweimal wöchentlich auf dem Remscheider TheodorHeuss-Platz und verkauft frisches Obst und Gemüse. Auch während des Lockdowns. „Die Leute sind dankbar, dass wir noch kommen, sind froh, dass wir durchhalten. Einfach ist es aber nicht.“
Der Markt habe sich gelichtet, auf dem Platz stehen mittlerweile weniger Stände als noch vor der Pandemie. Einige hätten es nicht geschafft, andere – wie zwei Textilanbieter – dürften derzeit nicht verkaufen, erzählt Niepenberg. Das geringere Angebot wirke sich auf den Kundenstrom aus, resümiert die Händlerin.
Das spiegelt sich auch im Allee Center wider. Wie in einer verlassenen Bahnhofshalle streifen Menschen vereinzelt durch die Gänge, vorbei an geschlossenen Geschäften. Man könnte meinen, es wäre Sonntagnachmittag. Dabei scheint es in dieser Pandemiezeit sogar ein vergleichsweiser belebter Tag zu sein, berichtet Einzelhändlerin Annika Beckmann vom Teegeschäft Gschwender. Unter der Woche sei noch weniger Bewegung im Center zu vernehmen. Die wenigen
Marktkunden am Samstag sorgen für ein wenig mehr Frequenz in der Shoppingmall.
„Es ist ziemlich einsam geworden“, sagt Beckmann. Rings um sie herum sind die Lichter aus, die Türen geschlossen. „Wir sind froh, dass wir überhaupt noch öffnen dürfen, aber das Einkaufserlebnis fehlt.“Deutlich wird das in ihrem Teegeschäft ganz besonders: Dort, wo eigentlich zig Gerüche diverser Teesorten in die Nase strömen, werden die Sinne durch die Gesichtsmaske in Schach gehalten. Das wirkt sich auch auf den Verkauf aus. Beratungen können so kaum stattfinden, Neukunden so gut wie nicht dazugewonnen.
Beckmanns Kundin Marion Klein erledigt ihre Einkäufe schnell, greift gezielt zu ihrer Lieblingsteesorte, zahlt und geht weiter. Auf der einen Seite sei es aufgrund der Corona-Pandemie beruhigend, so wenig Menschen zu sehen, „auf der anderen Seite natürlich sehr außergewöhnlich und erschreckend.“
Erschreckend ist auch der Streifzug über die Alleestraße: geschlossene Geschäfte, eine menschenleere und heruntergekommene Flaniermeile. Die Herrenhuter Sterne hängen wie vergessen und viel zu niedrig von ihren Kabeln. Die Szenerie wirkt wie nach einem Überraschungsangriff, verlassen in einer Nacht und Nebelaktion.