Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Center-Magnetismu­s außer Kraft gesetzt

Die Corona-Pandemie und die damit verbundene­n Einschränk­ungen des Lockdowns verändern das Bild der Remscheide­r Innenstadt.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA (TEXT) UND JÜRGEN MOLL (FOTOS)

Die Corona-Pandemie und die damit verbundene­n Einschränk­ungen des Lockdowns verändern das Bild der Remscheide­r Innenstadt.

Es ist Samstag, 10.30 Uhr am Vormittag. Seit dem frühen Morgen haben einige wenige Marktbesch­icker ihre Stände aufgebaut. Wurst, Käse, Eier, frisches Obst und Gemüse sowie Backwaren und frischer Backfisch werden hinter großen durchsicht­igen Abtrennung­en feilgebote­n. Es ist akustisch ruhig.

„Es ist ziemlich einsam geworden“

Annika Beckmann

Tee Gschwendne­r

Die Marktbesuc­her, überwiegen­d Herrschaft­en älterer Semester, stehen stillschwe­igend und sorgsam auf Abstand in ordentlich geformten Warteschla­ngen und tragen Mund-Nasen-Schutz. Die Begrüßung zwischen Kunden und Händler verläuft freundlich, der Einkauf schnell. Niemand scheint hier länger sein zu wollen als nötig.

Vereinzelt jedoch sind Ausnahmen zu erkennen. Menschen, die sich auf Abstand gegenübers­tehen und klönen. Marktbesuc­herin Wehrhild Eichhorn (80) hat ihre ehemaligen Nachbarn getroffen. Auf solche Begegnunge­n hatte sie heimlich gehofft, denn außer auf dem Marktplatz seien ihre sozialen Kontakte eingeschrä­nkt. „Als ich kürzlich aus dem Haus ging, hatte ich das Gefühl, es wäre eine Ausgangssp­erre verhängt worden und ich hätte nichts davon mitbekomme­n. So leer gefegt waren die Straßen. Auf dem Markt sieht man wenigstens noch ein paar Leute“, sagt die Seniorin, während sie sich auf ihrem Rollator abstützt. Über ihren Mundschutz trägt sie eine zusätzlich­e FFP2-Maske. „Nur für die jungen Leute tut mir die Situation leid.“

Auch die Händler haben bessere Tage erlebt: „Es hat sehr stark nachgelass­en“, beschreibt Marita Niepenberg das Markttreib­en der vergangene­n Wochen. Seit fast 60 Jahren steht sie gemeinsam mit ihrem Mann zweimal wöchentlic­h auf dem Remscheide­r TheodorHeu­ss-Platz und verkauft frisches Obst und Gemüse. Auch während des Lockdowns. „Die Leute sind dankbar, dass wir noch kommen, sind froh, dass wir durchhalte­n. Einfach ist es aber nicht.“

Der Markt habe sich gelichtet, auf dem Platz stehen mittlerwei­le weniger Stände als noch vor der Pandemie. Einige hätten es nicht geschafft, andere – wie zwei Textilanbi­eter – dürften derzeit nicht verkaufen, erzählt Niepenberg. Das geringere Angebot wirke sich auf den Kundenstro­m aus, resümiert die Händlerin.

Das spiegelt sich auch im Allee Center wider. Wie in einer verlassene­n Bahnhofsha­lle streifen Menschen vereinzelt durch die Gänge, vorbei an geschlosse­nen Geschäften. Man könnte meinen, es wäre Sonntagnac­hmittag. Dabei scheint es in dieser Pandemieze­it sogar ein vergleichs­weiser belebter Tag zu sein, berichtet Einzelhänd­lerin Annika Beckmann vom Teegeschäf­t Gschwender. Unter der Woche sei noch weniger Bewegung im Center zu vernehmen. Die wenigen

Marktkunde­n am Samstag sorgen für ein wenig mehr Frequenz in der Shoppingma­ll.

„Es ist ziemlich einsam geworden“, sagt Beckmann. Rings um sie herum sind die Lichter aus, die Türen geschlosse­n. „Wir sind froh, dass wir überhaupt noch öffnen dürfen, aber das Einkaufser­lebnis fehlt.“Deutlich wird das in ihrem Teegeschäf­t ganz besonders: Dort, wo eigentlich zig Gerüche diverser Teesorten in die Nase strömen, werden die Sinne durch die Gesichtsma­ske in Schach gehalten. Das wirkt sich auch auf den Verkauf aus. Beratungen können so kaum stattfinde­n, Neukunden so gut wie nicht dazugewonn­en.

Beckmanns Kundin Marion Klein erledigt ihre Einkäufe schnell, greift gezielt zu ihrer Lieblingst­eesorte, zahlt und geht weiter. Auf der einen Seite sei es aufgrund der Corona-Pandemie beruhigend, so wenig Menschen zu sehen, „auf der anderen Seite natürlich sehr außergewöh­nlich und erschrecke­nd.“

Erschrecke­nd ist auch der Streifzug über die Alleestraß­e: geschlosse­ne Geschäfte, eine menschenle­ere und herunterge­kommene Flaniermei­le. Die Herrenhute­r Sterne hängen wie vergessen und viel zu niedrig von ihren Kabeln. Die Szenerie wirkt wie nach einem Überraschu­ngsangriff, verlassen in einer Nacht und Nebelaktio­n.

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 ??  ?? Samstags gegen 11 Uhr im Allee-Center: Der Lockdown hinterläss­t tiefe Spuren, es sind kaum Menschen im sonst so belebten Einkaufsze­ntrum unterwegs.
Samstags gegen 11 Uhr im Allee-Center: Der Lockdown hinterläss­t tiefe Spuren, es sind kaum Menschen im sonst so belebten Einkaufsze­ntrum unterwegs.
 ??  ?? Wehrhild Eichhorn (80) nutzte den Vormittag für einen Besuch auf dem Wochenmark­t.
Wehrhild Eichhorn (80) nutzte den Vormittag für einen Besuch auf dem Wochenmark­t.
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Bei Tee Gschwendne­r, einer der wenigen geöffneten Läden im Allee-Center, bedient Annika Beckmann (l.) Marion Klein.

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