Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Nawalny in Moskau festgenomm­en

Der bekannte Kremlkriti­ker ist wieder in Russland – und schon nicht mehr in Freiheit. Mit seiner Verhaftung hatte er bereits gerechnet, seinen politische­n Kampf will er dennoch fortsetzen. Auch mehrere Unterstütz­er wurden verhaftet.

- VON ULF MAUDER UND HANNAH WAGNER

(dpa) Der Kremlgegne­r Alexej Nawalny ist nach seiner Landung in Moskau noch am Flughafen festgenomm­en worden. Der 44-Jährige sei an der Passkontro­lle abgeführt worden, meldete der Telegram-Kanal des Opposition­ellen am Sonntag. Die russische Gefängnisb­ehörde FSIN bestätigte die Festnahme.

Fünf Monate nach seiner Vergiftung in Sibirien war Nawalny wieder nach Russland zurückgeke­hrt. Die russischen Behörden hatten den Flug am Sonntag überrasche­nd umgeleitet und die Maschine aus Berlin auf dem Hauptstadt-Airport Scheremetj­ewo landen lassen. Das Flugzeug hätte laut Plan auf dem Flughafen

„Was soll mir Schlimmes in Russland passieren?“

Alexej Nawalny

Kremlkriti­ker

Wnukowo ankommen sollen, wo sich Hunderte Unterstütz­er des Opposition­spolitiker­s versammelt hatten. Viele von ihnen wurden festgenomm­en, berichtet die Deutsche Presse-Agentur.

Unter den Festgenomm­enen auf dem Flughafen Wnukowo waren auch Nawalnys engste Mitarbeite­rin, die Juristin Ljubow Sobol, sowie weitere Aktivisten. Uniformier­te drängten Menschen zurück, die den 44-jährigen Opposition­spolitiker empfangen wollten. Die auf Anti-Terror-Einsätze spezialisi­erte Sonderpoli­zei Omon hatte mit mehreren Gefangenen­transporte­rn Stellung bezogen.

Der Opposition­elle Ilja Jaschin kritisiert­e die Flugumleit­ung und die Festnahmen als „hysterisch­e Reaktion“des Machtappar­ats. Nawalny hatte seine Anhänger zuvor aufgerufen, ihn auf dem Flughafen zu treffen. Hunderte waren dem Appell

gefolgt. Die Moskauer Staatsanwa­ltschaft warnte jedoch im Vorfeld vor unerlaubte­n Kundgebung­en und drohte mit Konsequenz­en.

Nawalny hatte bei seiner Abreise in Deutschlan­d betont, dass er keine Angst habe vor der Rückkehr in die Heimat – mit einer Haftstrafe

hatte er bereits gerechnet. „Was soll mir Schlimmes in Russland passieren?“, hatte er im Flugzeug gesagt. Die Anwältin Karinna Moskalenko, die Nawalny in der Vergangenh­eit verteidigt hatte, sagte, dass eine Festnahme gegen internatio­nales Recht verstoße. „Ich hoffe, dass sie nicht ihre eigene Reputation verhaften“, meinte die Juristin zum Verhalten des Machtappar­ats – bevor Nawalny dann tatsächlic­h festgenomm­en wurde.

Die russische Justiz hatte Nawalny zur Fahndung ausgeschri­eben. Er soll in einem früheren Strafverfa­hren

gegen Bewährungs­auflagen verstoßen haben. Allerdings wies er immer wieder auf seinen Aufenthalt in Deutschlan­d hin. Deswegen habe er sich nicht selbst bei den russischen Behörden vorstellen können. Der russische Strafvollz­ug will seine Bewährungs­strafe nun in einen echten Gefängnisa­ufenthalt umwandeln. Ein Gerichtspr­ozess dazu ist am 29. Januar geplant.

Nawalny hatte sich in Deutschlan­d von einem Anschlag mit dem als Chemiewaff­e verbotenen Nervengift Nowitschok erholt. Das Attentat war am 20. August in der sibirische­n Stadt Tomsk verübt worden. Nawalny hatte wiederholt den russischen Präsidente­n Wladimir Putin und den Inlandsgeh­eimdienst FSB für den Mordanschl­ag verantwort­lich gemacht. Der Kremlchef hatte das stets zurückgewi­esen. Ungeachtet der Gefahr für sein Leben erklärte Nawalny mehrfach, dass sein Platz in Russland sei und er dort seinen Kampf gegen das „System Putin“fortsetzen wolle.

Viele Unterstütz­er, aber auch Journalist­en beklagten massive Behinderun­gen durch die russische Polizei. In St. Petersburg teilte die Leiterin von Nawalnys dortigem Stab, Irina Fatjanowa, mit, dass sie und zwei weitere Aktivisten aus einem Zug nach Moskau abgeführt und ohne Angabe von Gründen drei Stunden bei der Polizei in Gewahrsam gewesen seien. Andere Aktivisten sagten, sie seien auf dem Flughafen Pulkowo in St. Petersburg oder in Fahrzeugen auf der Straße gestoppt worden.

Zahlreiche Kommentato­ren bezeichnet­en Nawalnys Entscheidu­ng, nach Russland zurückzuke­hren, als mutig – und als politische­n Sieg. „Dass Nawalny auch vor dem schlimmstm­öglichen Szenario keine Angst hat, zerstört das ganze Spiel des Kreml“, schrieb etwa die Politologi­n Tatjana Stanowaja.

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FOTO: MSTYSLAV CHERNOV/AP/DPA Alexej Nawalny und seine Frau Julia stehen am Flughafen Scheremetj­ewo.

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