Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Shame machen Punk gegen den Lockdown
Pop Der Albumtitel ist für eine Punkband natürlich feinste Sahne: „Drunk Tank Pink“bezieht sich auf die Farbe, mit der manche Gefängniszellen gestrichen werden. Psychologen haben herausgefunden, dass ruhig und ausgeglichen wird, wer sie zwei Minuten lang betrachtet. Und auch Charlie Steen, Sänger des Londoner Quintetts Shame, hat sein WG-Zimmer mit dieser Farbe verschönert. „Drunk Tank Pink“heißt also die zweite Platte dieser jungen Londoner Gruppe, die wie ihre Kollegen Idles und Fontaines D.C. Post-Punk macht, eine Musik also, die im Punk wurzelt, ihn aber anreichert um Elemente aus Funk, Jazz und Afrobeat. Shame achten bei aller Dornigkeit immer auf den Groove, das haben sie gemeinsam mit Gruppen wie Talking Heads und The Rapture. Ihr zweites Album nach dem Debüt „Songs Of Praise“von 2018 ist nun komplexer, musikalisch offener und auch spannender als der Vorgänger.
Die Musiker sind Anfang 20, und sie erzählen vom Erwachsenwerden in der Pandemie. Zwei Jahre sind sie auf Tour gewesen, jetzt sind sie zum Stillstand verdammt.
Steen kultiviert einen mitunter ätzenden, dann wieder schmeichelnden Sprechgesang. Das ist Musik, die live gespielt werden müsste, aber das geht ja nicht. Eines der Bilder, die sie für ihre Situation finden, ist das aus „Born In Luton“: Steen erzählt, wie er nach langer Zeit heimkehrt. Er hat keinen Schlüssel dabei, und natürlich sind ausgerechnet jetzt alle Mitbewohner unterwegs. Blöde Sache, tolle Platte.
Philipp Holstein