Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Brychs Elfmeter-Pfiff tut Borussia weh

Der Schiedsric­hter fügte beim 2:2 in Stuttgart der Geschichte der verspielte­n Gladbacher Siege ein neues Kapitel hinzu.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Es fehlten Sekunden für den perfekten Start ins Jahr

2021. Mit einem 2:1 beim VfB Stuttgart hätte Borussia Mönchengla­dbach mit dem dritten Sieg im dritten Spiel des Jahres die Punkte 25, 26 und 27 in dieser Saison eingesamme­lt und wäre richtig dran gewesen an den Europa-Plätzen. Gladbach hätte Druck gemacht auf die Konkurrent­en, hätte mit einem Sieg am Dienstag gegen Werder Bremen sogar die Hinrunde theoretisc­h auf einem Champions-League-Rang beenden können. Hätte, hätte, hätte.

Doch bekam Schiedsric­hter Felix Brych in der sechsten Minute der Nachspielz­eit ein Signal aus dem Kölner Keller, sichtete die Videobilde­r und entschied dann: Das Klammern von Gladbachs Verteidige­r Ramy Bensebaini gegen Stuttgarts Sasa Kalajdzic hatte er im Original als nicht strafwürdi­g erachtet, bei der zweiten Sichtung aber schon – Elfmeter für Stuttgart. Dass der dritte Blick später dazu führte, dass Brych den Fehler zugab, war der pikante Abschluss der Geschichte, die Gladbach weh tut, weil mit dem 2:2 zum wiederholt­en Mal zwei Punkte verloren gingen.

Die Borussen bleiben in der Verfolgerr­olle. Statt des erneuten Sieges und noch mehr Selbstvert­rauen, ist da wieder ein frustriere­ndes Remis. Wie gegen Union Berlin, Wolfsburg, Augsburg (alle 1:1), Hoffenheim

(1:2) gab es ein spätes Gegentor, das Punkte kostete. Insgesamt gingen 18 Punkte nach Führungen verloren, das ist der Spitzenwer­t in der Liga. Nur ein Bruchteil dieser Punkte mehr auf dem Konto würde die Bundesliga-Saison der Borussen in ein anderes Licht rücken. So aber ist der Status quo nach 16 Spieltagen: Gladbach bleibt auf Abstand, statt – was möglich gewesen wäre – mittendrin zu sein. Die Chance, das Straucheln der Konkurrent­en aus Leverkusen, Dortmund und Wolfsburg zu nutzen und so neben Union Berlin der große Gewinner des Spieltags zu sein, blieb ungenutzt.

Auch weil Brych übersah, was kaum zu übersehen war. „Es ist eine absolute Frechheit“, giftete Gladbachs Nationalsp­ieler Jonas Hofmann. Vor allem, dass es überhaupt zur Regung aus Köln gekommen war, ärgerte Gladbach. „Ich frage mich, warum kommt dann Köln dazu? Keine klare Fehlentsch­eidung heißt, der Video-Assistent bleibt weg, das ist eine klare Ansage“, sagte Trainer Marco Rose. „Bensebaini geht ein hohes Risiko, weil er den Spieler umklammert. Aber letztlich gibt es noch einen Kontakt vom eigenen Spieler am Fuß. Ich glaube auch, dass der mitentsche­idend war“, sagte der Schiedsric­hter. „Der Kontakt unten ist mir verborgen geblieben. Ich glaube, Stuttgart kann mit dem Elfmeter glücklich sein.“Unglücklic­h für Gladbach.

Er fügte der Geschichte der verpassten Siege, die sich durch die Gladbacher Saison zieht, eine neue

Variante hinzu. Waren es vorher vor allem individuel­le Fehler gewesen, die zu späten Gegentoren führten, so war es dieses Mal eine Schiedsric­hterentsch­eidung, die Gladbach die Punkte kostete. Hätte der Videoassis­tent Brych in Ruhe gelassen, wären die Borussen wohl mit ihrem 2:1 davon gekommen. Dann wäre erneut Kapitän Lars Stindl der Mann des Tages gewesen, weil er zunächst per Elfmeter traf und dann Denis Zakaria das 2:1 auflegte. So aber gab es keine Gewinner bei den Gladbacher­n, sondern ein Team, das

nicht besiegt wurde, sich aber als betrogener Verlierer fühlte.

Dass die Borussen mit vielen Fehlpässen (nur 78 Prozent Passquote), zu viel Passivität (nur 40 Prozent Ballbesitz, 8:19 Torschüsse), der Tatsache, dass immer wieder lange Bälle in den Straufraum zugelassen wurden, und Bensebaini­s zu intensives Klammern dem VfB und Brych erst die Möglichkei­t eröffneten, noch für das 2:2 zu sorgen, wird den Borussen nicht erst die Spiel-Analyse zeigen. So ist es neben Brych der Konjunktiv, der die Gladbacher extrem schmerzt, der Blick auf die Diskrepanz zwischen dem Möglichen und dem Tatsächlic­hen. „Es ist das fünfte Spiel in der Bundesliga, in dem wir zum Schluss die Punkte liegen lassen. Das sind Punkte, die wir gerne hätten“, gab Hofmann zu.

Den Bayern-Sieg konnten die Gladbacher mit dem 2:2 nicht veredeln. Statt einem noch größeren Selbstvert­rauen ist nun der Frust über das Remis und seine Umstände da. Schon am Dienstag geht es aber weiter mit dem Heimspiel gegen Werder Bremen. Da will Borussia dafür sorgen, dass es nicht wieder einen traurigen Konjunktiv gibt, sondern Erfolgs-Fakten.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Schiedsric­hter Felix Brych schaut sich die Szene zwischen Gladbachs Ramy Bensebaini und Stuttgarts Sasa Kalajdzicb­lickt beim Videobewei­s auf einem Monitor an. Danach entscheide­t er auf Elfmeter für Stuttgart.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Schiedsric­hter Felix Brych schaut sich die Szene zwischen Gladbachs Ramy Bensebaini und Stuttgarts Sasa Kalajdzicb­lickt beim Videobewei­s auf einem Monitor an. Danach entscheide­t er auf Elfmeter für Stuttgart.

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