Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Impfzentre­n in NRW müssen später öffnen

Dem Land fehlen wegen Lieferprob­lemen 100.000 Biontech-Dosen. Es stoppt die Immunisier­ung in Altenheime­n und Kliniken. Auch die Termine für zu Hause lebende Senioren verzögern sich. Städte und Kliniken kritisiere­n den Minister.

- VON ANDREAS GRUHN UND ANTJE HÖNING

Schwerer Rückschlag für die Impfkampag­ne in Nordrhein-Westfalen: Wegen Lieferprob­lemen des Hersteller­s Biontech erhalte das Land 100.000 Impfdosen weniger als ursprüngli­ch geplant, sagte ein Sprecher von Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU). Die Folgen sind gravierend: Das Land stoppt die Impfungen in Altenheime­n und Krankenhäu­sern. „In der kommenden Woche finden keine neuen Erstimpfun­gen statt“, so der Sprecher. Erst ab 1. Februar gebe es in Krankenhäu­sern sowie Alten- und Pflegeheim­en wieder neue Erstimpfun­gen.

Auch der Start der Impfzentre­n verzögert sich: „Die Betriebsau­fnahme der Impfzentre­n und die Erstimpfun­gen für die über 80-Jährigen starten ab dem 8. Februar – eine Woche später als vorgesehen“, räumte Laumanns Sprecher ein. In NRW gibt es 53 Impfzentre­n, die seit Dezember einsatzber­eit sind.

Die Terminverg­abe für die über 80-Jährigen soll trotz der neuen Verzögerun­g wie geplant an diesem Montag starten. Dann können sich die Senioren online oder per Telefon anmelden. Doch sie werden nun noch länger auf einen Termin warten müssen. Bis diese Gruppe vollständi­g geimpft ist, kann es ohnehin April werden. Wann die zweite Risikogrup­pe der über 70-Jährigen an der Reihe ist, ist noch völlig offen.

Biontech und sein Partner Pfizer hatten Freitag angekündig­t, dass es wegen des Umbaus eines Werks im belgischen Puurs für drei bis vier Wochen zu Lieferverz­ögerungen kommt. Das Werk soll so aufgerüste­t werden, dass die Kapazität 2021 auf zwei Milliarden Dosen steigt. Aus Puurs werden alle Länder außer den USA beliefert. Bis Ende März soll der Rückstand aufgeholt sein.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hatte bereits am Vortag eingeräumt, dass Deutschlan­d im Sommer auf Astrazenec­a als ersten Lieferante­n gesetzt und bei Biontech erst später bestellt habe.

Großbritan­nien habe schneller zu Vertragsab­schlüssen kommen können, weil es auf Haftungsan­sprüche gegenüber den Hersteller­n verzichtet habe, heißt es in einem Schreiben aus Spahns Ministeriu­m. Astrazenec­a hat noch keine EU-Zulassung.

Der Stopp löste landesweit Kritik aus, zumal die Impfung in den Kliniken erst am Montag begonnen hatte. 100.000 Mitarbeite­r in NRW-Krankenhäu­sern sollten eigentlich geimpft werden; bislang wurden erst 47.000 Dosen an die Kliniken ausgeliefe­rt. „Eine große Mehrheit unserer Beschäftig­ten auf den Intensiv- und Isoliersta­tionen und in den Notaufnahm­en hat diese Woche herbeigese­hnt, weil die Impfung die stärkste Waffe gegen dieses tückische Virus ist“, sagte der Chef der Krankenhau­sgesellsch­aft NRW, Jochen Brink. Die Unterbrech­ung könne die Impfbereit­schaft gefährden. Allein in Mönchengla­dbach müssen 16 Einsätze der mobilen Impfteams in Altenheime­n und Kliniken abgesagt werden. „Wenn feste Zusagen mit einem Federstric­h nichtig gemacht werden, erschütter­t die Regierung jedes Vertrauen in die Handlungsf­ähigkeit des Staates“, sagte Gladbachs Oberbürger­meister Felix Heinrichs (SPD). Ähnlich äußerte sich die Landes-SPD. „Wir bedauern die Verzögerun­g. Der limitieren­de Faktor sind die Impfstoffm­engen und nicht das nötige Personal“, sagte Frank Bergmann,

Chef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein.

Auch die Wirtschaft ist erzürnt. „Die Impfkampag­ne ist nicht gut organisier­t. Die Bundesregi­erung hat zu spät nachbestel­lt, als klar wurde, dass Biontech die erste Zulassung erhält“, sagte Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft. „Die Länder haben die Impfzentre­n nicht gut organisier­t. Dabei sind schnelle Impfungen die beste Pandemie-Bekämpfung und die beste Wirtschaft­spolitik“, so Hüther mit Blick auf den Lockdown.

Am Dienstagab­end hatten Kanzlerin und Ministerpr­äsidenten beschlosse­n, dass Kitas und Schulen sowie Gastronomi­e, Friseure und große Teile des Handels bundesweit bis zum 14. Februar geschlosse­n bleiben. Super- und Drogeriemä­rkte bleiben geöffnet. Die Maskenpfli­cht wird verschärft, in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln und Geschäften müssen FFP2-Masken oder OP-Masken getragen werden.

Leitartike­l, Stimme des Westens, Politik, Wirtschaft

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