Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Joe Bidens Höllenjob
Es entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet Joe Biden Amerikas Hoffnungsträger ist. Der neue Präsident, der im Wahlkampf eher die Rückkehr zur alten Ordnung versprach als den Aufbruch zu neuen Ufern, steht nicht für große Visionen. Er steht nicht für kühne Reformen, nicht für eine kühne Rhetorik. Er symbolisiert solides Regierungshandwerk, einen durch und durch pragmatischen Ansatz. Das ist heute schon viel.
Die Vereinigten Staaten sind zu zerrissen, als dass es Mehrheiten für gewagte gesellschaftliche Experimente gäbe. Donald Trump hat dem Gebäude der Demokratie vier Jahre lang mit der Abrissbirne zugesetzt. Eingestürzt ist es nicht. Die Wände stehen noch, die Grundfesten sowieso, doch die Trümmer am Boden sind so wenig zu übersehen wie die Löcher in der Fassade. Biden muss aufräumen und ausbessern, und zugleich muss er die Mauer niederreißen, die sich nicht erst seit Trump durch das Gebäude zieht, die aber seit Trump höher und dicker ist als je zuvor. Die Mauer, die Demokraten und Republikaner, Stadt und Land, Gewinner und Verlierer der Globalisierung trennt.
Das Land zu einen, wie er es verspricht, dürfte ein allzu hoher Anspruch sein, kein realistisches Ziel. Zunächst geht es darum, sich wieder auf Grundregeln des Meinungsstreits zu verständigen. Fakten zu akzeptieren. Dass zwei mal zwei nicht vier sein muss, sondern auch fünf sein kann, hat Trump vorgegaukelt, ein Scharlatan, der mit selbstverständlicher Leichtigkeit log. Unter Biden wird das Land zu einem Diskurs zurückkehren müssen, der wieder auf Tatsachen basiert.
Es wird nur in kleinen Schritten vorangehen bei dem Prozess der Vertrauensbildung. Dass er gelingt, ist nicht garantiert. Doch von allen Kandidaten, die für den Höllenjob infrage kamen, ist Joe Biden vielleicht derjenige, der am ehesten Erfolg haben kann.