Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Wo bleibt das Ziel?
Die Politik muss uns klar sagen, wohin konkret der Lockdown führen soll.
Jeden Morgen erwacht Deutschland mit einer neuen Lage – den Infiziertenzahlen des RKI. Darum gibt es unter Politikern auch eine neue Lieblingsformulierung: Stand jetzt. Sicherheitshalber weisen sie selbst auf die geringe Halbwertszeit ihrer Aussagen hin. Natürlich kann das in einer Pandemie nicht anders sein, weil Mutationen nun mal nicht nach Plan auftreten. Und weil es in Deutschland keine Erfahrungswerte zum Umgang mit Pandemien gibt. Allerdings entbindet die Unübersichtlichkeit des Wegs nicht davon, wenigstens das Ziel zu benennen. Das aber scheint in diesen Wochen aus dem Blick geraten. Dass es gerade auf steinigen Touren motiviert, sich schon mal den Gipfel
vorzustellen, den Ausblick da oben und den schönen Moment, wenn man den Rucksack abstreift und alles ganz leicht wird, wissen sogar Gelegenheitswanderer. Dass die Politik gerade jetzt, während eines mühsamen Stotter-Lockdowns, gar nicht mehr davon spricht, was eigentlich das Ziel ihrer Strategien ist, mag mit den Erfahrungen von Weihnachten zu tun haben. Ein Familienfest unter gelockerten Bedingungen war als eine Art Belohnung für die Zumutungen der strengeren Verordnungen ausgegeben worden. Der Ausgang ist bekannt. Doch es ist eine Sache, sich etwa durch einen Feiertag zeitlich festzulegen. Da spielt eine Pandemie nicht mit. Aber es wäre doch möglich, inhaltlich konkret zu machen, wohin man will. Etwa zu sagen: Wir schließen die Schulen, bis alle Menschen über 80 geimpft sind, weil wir dann die besonders Gefährdeten unter uns in Sicherheit gebracht haben. Das wäre ein Ziel, das wir selbst in der Hand haben. Und für das sich Homeschooling lohnt. Stattdessen immer nur der Appell durchzuhalten. Auf unbestimmte Zeit. Und neue Regeln abzuwarten. Vorerst. Das mag in der Sache richtig sein. Es verstärkt die Ohnmachtsgefühle, die immer mehr Menschen beschleichen.
Unsere Autorin ist Redakteurin des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit Horst Thoren ab.