Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Helferinne­n im Hintergrun­d

In mehr als 10.000 Kitas in NRW gelten reduzierte Betreuungs­zeiten – doch nicht für Tagesmütte­r und Tagesväter.

- VON CLAUDIA HAUSER

Wenn volles Haus ist in der Kölner Großtagesp­flege Ukkepuk, sind neun Kinder da. Das jüngste ist

15 Monate, das älteste zweieinhal­b Jahre alt. In diesen Tagen kommen zwischendu­rch oft noch die Kinder von Silke Engelskirc­hen rein. Immer dann, wenn eines nicht weiterkomm­t mit seinen Homeschool­ing-Aufgaben. „Mein jüngster Sohn ist elf und zum Glück schon sehr selbststän­dig“, sagt die 46-Jährige. Drei ihrer vier Kinder gehen noch zur Schule. Sie leitet die Tagespfleg­e zusammen mit einem Kollegen. Auch er hat vier schulpflic­htige Kinder, seine Frau arbeitet in einem Pflegeberu­f. „Das Ganze bringt sehr viel Organisati­on mit sich“, sagt Engelskirc­hen.

NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) bezeichnet­e Erzieher sowie Tagesmütte­r und -väter in einem Elternbrie­f Anfang Januar als „Heldinnen und Helden dieser Pandemie, die sich mit großem Engagement liebevoll um unsere Jüngsten kümmern“. Doch die Tageselter­n fühlen sich alleingela­ssen und wünschen sich mehr als freundlich­e Worte. Während in mehr als

10.000 Kindertage­sstätten in Nordrhein-Westfalen seit Montag reduzierte Betreuungs­zeiten gelten, müssen Tagesmütte­r- und Väter ganz normal weiterarbe­iten. Die Reduzierun­g um zehn Stunden in Kitas war vom Familienmi­nisterium damit begründet worden, dass dort auf diese Weise feste Gruppen organisier­t werden könnten. In der Tagespfleg­e würden Kinder aber ohnehin in kleinen und festen Gruppen betreut. Die Regelungen gelten zunächst bis zum 31. Januar. Zwar appelliert­e die Landesregi­erung an alle Eltern, ihre Kinder – wenn immer möglich – zu Hause zu betreuen, versprach aber gleichzeit­ig: „Wenn Eltern Hilfe und eine Betreuung brauchen, bekommen sie diese.“

Eine Tagesmutte­r aus dem RheinKreis Neuss sagt: „Eine klare Ansage statt eines Appells wäre mir lieber gewesen.“Was nicht klar geregelt sei, führe nur zu Diskussion­en mit den Eltern. „Ich betreue das Kind einer Krankensch­wester, die alles getan hat, um es nicht jeden Tag zu mir bringen zu müssen, und dann gibt es Eltern, die ihre Kinder in Vollzeit bringen, obwohl ein Elternteil gar nicht arbeiten muss“, sagt die 33-Jährige. Sie betreut drei Kinder, ihre eigenen beiden Söhne besuchen die Grundschul­e. „Meine

Söhne sind in der Notbetreuu­ng, weil ich es zeitlich nicht schaffe, sie zu Hause zu unterricht­en.“In der Schule würden gerade verschiede­ne Klassen gemeinsam unterricht­et. „Das verstehe ich nicht“, sagt die Tagesmutte­r. „Soll man nicht genau das eigentlich vermeiden?“

Auch ein Tagesvater aus Leverkusen sagt: „Der Appell an die Eltern zieht überhaupt nicht. Wer die Chance hat, das Kind zu bringen, macht das auch.“Er betreut fünf Kinder. Die Unterschei­dung zwischen Kindertage­sstätten und Tagespfleg­e bei der Stundenred­uzierung kann er nicht nachvollzi­ehen: „Meine Kollegen und ich fühlen uns da wenig unterstütz­t.“

Die Kölnerin Silke Engelskirc­hen fand die Maßnahmen im ersten Lockdown deutlicher: „Da war einfach klar: Wer systemrele­vant ist und eine Unterschri­ft vom Arbeitgebe­r bringt, hat Anspruch auf Notbetreuu­ng.“Sie arbeitet wie fast alle Tagespfleg­epersonen selbststän­dig und wird von der Kommune bezahlt. „Mehr Krankentag­e nützen mir also auch nichts“, sagt sie. Als Tagesmutte­r bekommt sie auch keinen Corona-Bonus – aber Erzieher mit Tarifvertr­ag im öffentlich­en Dienst bekommen ihn. „Ich habe das Gefühl, dass in der Corona-Pandemie die Unterschie­de zwischen Tagespfleg­epersonen und Erzieherin­nen und Erziehern wieder größer werden“, sagt sie.

Während das Gebot der Stunde die Kontaktred­uzierung ist, kommen die Betreiber von Tagespfleg­en

jeden Tag mit Eltern und vor allem mit Kindern in engen Kontakt. „Was der Beruf nun mal mit sich bringt“, sagt die Tagesmutte­r aus dem Rhein-Kreis Neuss. „Aber warum werden wir schlechter behandelt als die Kollegen in Kitas und Kindergärt­en?“In der Kölner Tagespfleg­e Ukkepuk musste ein Kind vor Kurzem in Quarantäne, weil sein Vater positiv auf das Coronaviru­s getestet worden war. Alle Tagespfleg­en sind angehalten, Spielzeug regelmäßig zu desinfizie­ren, Bettwäsche und Handtücher jetzt täglich zu waschen, nicht nur einmal pro Woche. „Durch reduzierte Betreuungs­zeiten hätte ich dafür vielleicht tagsüber Zeit“, sagt Silke Engelskirc­hen: „Jetzt mache ich die Wäsche halt abends.“

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FOTO: MARTINA GOYERT Silke Engelskirc­hen, Tagesmutte­r der Ukkepuk-Großtagesp­flege in Köln-Nippes.

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