Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Feiern ist erste Bürgerpflicht
Der Film „Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel“erzählt ein Schelmenstück.
Wer sich so etwas ausdenkt, möchte man fragen. Aber der Film behauptet direkt zu Anfang: Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Zwei verrückte Italiener bauen im Meer eine 400 Quadratmeter große Insel. Sie rufen einen unabhängigen Staat aus und bauen mithilfe eines Deutschen eine Partyinsel auf, die im nicht gerade ereignisarmen Jahr 1968 für Schlagzeilen sorgt. Ob sich alles wirklich so zugetragen hat, sei allerdings dahingestellt.
Die äußerst sympathische Komödie von Sydney Sibilia schlägt von Anfang an einen leichten Ton an. Dolce Vita in den 60er-Jahren. Der idealistische, aber etwas tollpatschige Ingenieur Giorgio Rosa (Elio Germano) wird von seiner großen Liebe Gabriella (Matilda de Angelis) verschmäht und bekommt auch sonst in seinem Leben nichts so richtig hin. Mit seinem Freund Maurizio (Leonardo Lidi), einem reichen, aber übersättigten Reederssohn, entspinnt er die Idee, eine Insel vor der Küste von Rimini zu bauen: Die Insulo de la Rozoj ist geboren.
Genau sechs Seemeilen von der Küste entfernt, gehört das Eiland nicht mehr zu Italien, dort dürfen die Freunde machen, was sie wollen: frei sein, einen eigenen Staat ohne Regeln, aber mit eigenen Briefmarken und mit einer eigenen Sprache aufbauen – und natürlich Partys feiern. Das Konzept geht dank des deutschen Deserteurs Rudy (Tom Wlaschiha, bekannt aus „Game of Thrones“) und einer Handvoll anderer freiwillig Gestrandeter auf. Schon bald pilgert halb Europa an diesen Sehnsuchtsort. Woanders demonstrieren die jungen Menschen auf den Straßen, hier wird dagegen wild gefeiert. Interne Streitigkeiten zwischen der „Staatsführung“und den „Ministern“bleiben natürlich nicht aus. Denn während Giorgio idealistische Visionen umtreiben, geht es PR- und Party-Mann Rudy vor allem ums Geld.
Die italienische Regierung billigt das anarchistische Treiben vor der Küste nicht, wittert Glücksspiel und sexuelle Freizügigkeit und holt zum Gegenschlag aus. Die absurden Querelen ziehen immer weitere Kreise, Giorgio wendet sich an Uno und Europarat und bemüht sich offiziell um Anerkennung. Es gehört zum Charme solcher Possen, dass die Kleinen dank ihrer Chuzpe den Großen ein bisschen Kontra geben – auch wenn das Inselglück nur ein kurzer Traum bleibt.
In einem nostalgischen Look und in sonnig-matten Farben zeichnet Regisseur Sibilia in seinem Schelmenstück ein beschwingtes Bild der 60er, unterlegt es mit viel Musik der Zeit, bietet mit schnellen Schnitten ein flottes Erzähltempo. Mit Ironie hinterfragt die Gesellschaftssatire Klischees und bestätigt augenzwinkernd italienische Vorurteile. Es geht um die Aufbruchstimmung der Zeit und um leichte Unterhaltung, da verzeiht man gerne, dass die Figuren etwas flach bleiben. „Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel“ist genau das Richtige für die trüben Tage zu Jahresbeginn: Man kann sich hinwegträumen auf eine Insel, jenseits von Ort und Zeit.
Info Der Film ist bei Netflix zu sehen.