Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Gitarre kann doch jeder
Die Düsseldorfer Mandolinistin Lotte Nuria Adler hat eine außerordentliche Begabung für ihr Instrument. Ihre erste CD heißt „Mosaik“und ist ein wahrer Genuss.
„Es ist viel mehr als ein schrubbeliges Instrument, das ein Tremolo erzeugen kann“Lotte Nuria Adler Mandolinistin
DÜSSELDORF Viele Menschen, die ein Instrument spielen, erinnern sich an den Moment, da sie als Kind vom Lichtstrahl der Faszination getroffen wurden. War es der lerchende Klang der Querflöte, die edle Form der Geige, die Strahlkraft der Trompete, die rebellische Aura des Schlagzeugs? Vermutlich. Und bei einigen stand das Klavier halt im Wohnzimmer, wo es immer schon einen seltsamen Reiz ausübte.
Lotte Nuria Adler, 1998 in Düsseldorf geboren, spielt Mandoline – und mancher, der mit ihr spricht, muss direkt ein saublödes Vorurteil revidieren. Die Mandoline gilt als Laieninstrument, als betulich und eher defensiv, wie der Dutt unter den Frisuren. Doch wer schon mal zupfende Koryphäen wie Avi Avital erlebt hat, der kam aus dem Staunen nicht heraus, wie reich das Spektrum des Instruments ist. Und legendär ist ja auch der fidele Mandolinist Hans Süper aus dem kölsch-karnevalistischen Colonia-Duett, ein Virtuose des Instruments.
Zwar gibt es nicht sonderlich viel Originalliteratur, aber die ist erlesen: Mozart hat für die Mandoline komponiert (etwa das berühmte Ständchen in „Don Giovanni“), Gustav Mahler hat sie zu zwei späten Symphonien gebeten, Händel ziert ein Oratorium mit ihrem Klang, Vivaldi hat ihr ein Konzert gewidmet. Arnold Schönberg wollte fast nie auf sie verzichten. Und es gibt noch viele andere Beispiele.
Lotte Nuria Adler gilt als Höchstbegabung auf ihrem Instrument, das sagen alle, die sie einmal gehört haben. Auch bei ihr gab es in kindlichen Jahren einen Primärimpuls: „Als ich das Instrument im Rahmen der musikalischen Früherziehung erstmals erleben konnte, war ich direkt begeistert. Eine Studentin hat die Akkorde gegriffen, und ich durfte zupfen. Diesen Klang konnte ich danach nicht mehr vergessen.“
Alsbald war sie ein Fall für die Begabtenförderung, mit 13 übernahm sie den Posten der Konzertmeisterin des Düsseldorfer Zupforchesters, dann wurde sie Jungstudentin am europaweit einzigen professoralen Lehrstuhl für Mandoline; den bekleidet Caterina Lichtenberg in der Nachfolge von Marga Wilden-Hüsgen an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal. Nach dem Abitur im Jahr 2016 wurde sie dann ordentliche Studentin. Immer noch Mandoline. Immer noch eine Herzensangelegenheit. 2018 wurde sie als Stipendiatin in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen.
Jemand wie sie wird natürlich gern und immer wieder weiterempfohlen. Bei vielen Orchestern hat sei schon als Solistin gespielt – und in großen Sälen auch, etwa der Düsseldorfer Tonhalle, der Essener Philharmonie, im Münchner Gasteig, in der Kölner und der Düsseldorfer Oper. Dass sie mittlerweile etliche Preise gewonnen hat, bedarf fast keiner Erwähnung mehr.
Avi Avital kann von seinen Konzerten leben. Plant Lotte Nuria Adler auch in diese Richtung? Sie denkt da sympathisch bodenständig: „Ich bin noch offen, was aus mir werden soll. Das Unterrichten macht mir riesigen Spaß, es gefällt mir, den schönen Ton der Mandoline an Kinder weiterzugeben.“Wieder der Reiz des Ungewöhnlichen? „Ja, viele Kinder finden das toll, etwas zu tun, was andere nicht machen.“Dann müsse man nur noch die Eltern überzeugen. Nun, eine Mandoline kostet nicht so viel wie ein Steinway.
„Das Instrument ist, was sein Image betrifft, leider eine Zeitlang abgerutscht, daran war die Wandervogel-Bewegung nicht unschuldig“, sagt Lotte Nuria Adler. „Aber es ist viel mehr als ein schrubbeliges Instrument, das ein Tremolo erzeugen kann.“Mancherorts wird sie die „Geige des Arbeiters“genannt; diese Zeiten sind vorbei, obwohl Kunstmusik und Arbeiterbewegung etwa in der Zeit der Zweiten Wiener Schule (mit Schönberg und Webern) eng verbandelt waren.
Adler spielt übrigens noch diverse andere Instrumente aus der Zupffamilie, nicht nur ihre eigene Neapolitanische Mandoline, sondern auch Barockmandoline sowie Renaissanceund Barocklaute. Köstliche Familienangelegenheiten. Hören kann man sie live einstweilen natürlich nicht. Aber es gibt eine CD von ihr, die man mit wachsender Begeisterung hört. Sie beginnt mit dem leisesten Paukenschlag, der denkbar ist: einer himmlischen Bearbeitung von Bachs Violinsonate g-Moll, die Adler so stilvoll und gedankenreich abtönt, als sei das eine Originalkomposition. Die weiteren Werke sind teils Originale aus 250 Jahren, die die Mandoline mit immer neuen Farben beleuchten.
Wer diese CD gehört hat, wird nie wieder ein abschätziges Wort über die Mandoline verlieren. Sie muss aber auch so edel gespielt werden wie von Lotte Nuria Adler.