Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Bedrohtes Idyll

Auf der Insel Norderney gehen zweifelhaf­te Immobilien­deals über die Bühne. Doch mindestens ebenso wichtig wie die Figuren ist in diesem „Tatort“das Setting.

- VON MARLEN KESS

Wer noch nie auf Norderney war, wird sich nach diesem „Tatort“wahrschein­lich Gedanken darüber machen, woran das eigentlich liegt. Denn die Insel wird in dem Krimi toll in Szene gesetzt: Ungewöhnli­ch lange verweilt die Kamera von Carol Burandt von Kameke, zeigt Sandstrand, Dünen und natürlich immer wieder die Nordsee. So entstehen atmosphäri­sche Bilder, die das Psychodram­a, das sich in „Tödliche Flut“entwickelt, wunderbar untermalen.

Doch der Reihe nach: Ganz am Anfang dieses Falls steht ein Hilferuf. Die Journalist­in Imke Leopold (Franziska Hartmann) recherchie­rt auf der Insel zu dubiosen Immobilien­geschäften und fühlt sich bedroht. Sie bittet ihren alten Bekannten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) um Hilfe, doch der wiegelt zunächst ab: Er könne da nicht wirklich helfen, und außerdem habe auch sein Sohn GeburtsGta­g. Doch der ist groß geworden und feiert lieber mit seiner Freundin. Und als Falke mitten in der Nacht dann noch einen Anruf bekommt, auf dem Imke verängstig­t von einem Einbrecher erzählt, bevor das Gespräch abbricht, macht er sich doch lieber dahin auf, wo er gebraucht wird: auf die Insel. Mit Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) nimmt er die nächste Fähre – und die vermutet da ähnlich wie der Zuschauer schon, dass hinter der Bekanntsch­aft mehr steckt. Vor Ort treffen die beiden dann auf die Journalist­in, die erzählt, sie sei nach einem Burn-out ins Haus der Oma gezogen und jetzt auf ihrer Heimatinse­l an einer großen Sache dran: Eine dubiose Immobilien­firma kaufe die halbe Insel auf – für teure Ferienwohn­ungen.

Ihre Quelle ist ein lokaler Anwalt und Makler. Doch als Falke und Grosz diesen befragen wollen, finden sie ihn erschlagen in seinem Haus. Und so wird doch noch eine Mordermitt­lung aus dem Inselausfl­ug – denn die örtliche Polizei ist mit dem Fall natürlich völlig überforder­t: „Wir hatten hier seit 20 Jahren keinen Mord.“Steckt der Mörder des Maklers auch hinter dem Anschlag auf die Journalist­in? Und was hat das Bauprojekt, dessen Hintergrün­de sie recherchie­rt, damit zu tun? Weil einer der Polizisten-Kollegen auf Fortbildun­g und eine Stelle gleich gar nicht besetzt ist, übernehmen Falke und Grosz auch noch den Personensc­hutz für Imke Leopold.

Kurz, wild und intensiv sei die Affäre der beiden gewesen, gesteht Falke seiner Kollegin, als die beiden im Auto vor deren Haus sitzen schließlic­h, „aber irgendwann war es zu viel, und dann war es auch vorbei.“Und trotzdem lässt er die Journalist­in wieder viel zu nah ran – an sich und an die Ermittlung, während Grosz versucht, die junge Frau auf Distanz zu halten.

Was für Falke an Imke Leopold impulsiv und intensiv ist, macht sie für Grosz irgendwie verdächtig – und so entwickelt sich dieser „Tatort“immer mehr zu einem Psychodram­a zwischen diesen drei Protagonis­ten. Das ist zwar nicht unbedingt ein klassische­r Sonntagabe­ndkrimi, aber spannend, von allen dreien hervorrage­nd gespielt und gut gemacht.

Immer wieder lässt sich der Film (Regie: Lars Henning, Drehbuch: David Sandreuter) Zeit für beeindruck­ende Landschaft­saufnahmen. Das Insel-Setting wird voll ausgereizt, und auch der altbekannt­e Spruch „Niemand ist eine Insel“kommt zum Tragen: Jeder kennt jeden, alles hängt mit allem zusammen. In Kombinatio­n mit der von Stefan Will und Peter Hinderthür eigens komponiert­en und von der NDR-Radiophilh­armonie eingespiel­ten Musik, die in ungewöhnli­ch langen 40 Minuten des Films zu hören ist, ergibt sich so eine bedrückend­e, spannungsg­eladene Atmosphäre. Und ein stimmungsv­oller Thriller mit furiosem Finale.

„Tatort: Tödliche Flut“,

Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: CHRISTINE SCHRODER/NDR Ermittler Falke (Wotan Wilke Möhring) vertraut der Journalist­in Imke Leopold (Franziska Hartmann, l.) – Kollegin Julia Grosz(FranziskaW­eisz)istskeptis­ch.

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