Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Sauberer Lochbach: zu welchem Preis?

Bürgerinit­iative kämpft für 38 Bäume an der Tunnelstra­ße, die wegen Kanalbaus und Austausche­s belasteter Erde gefällt werden sollen.

- VON FRED LOTHAR MELCHIOR FOTOS: PETER MEUTER

Bürgerinit­iative kämpft für 38 Bäume an der Tunnelstra­ße, die wegen Kanalbaus und Austausche­s belasteter Erde gefällt werden sollen.

Es ist ein erster kleiner Erfolg für die Bürgerinit­iative „Rettet das Biotop Tunnelstra­ße“: Am 11. Februar werden sich Mitglieder der Initiative mit Experten aus der Verwaltung und Politikern zu einem Gespräch am runden Tisch treffen – wegen der Corona-Auflagen wohl nur virtuell. „Es freut mich, dass es zu dem runden Tisch kommt, dass man versucht, gemeinsam vorzugehen“, kommentier­t Bürgermeis­ter Tilo Schnor (Grüne), der den Ausschuss für Klimaschut­z, Umwelt, Mobilität und Wohnungswe­sen leitet. „Das war ja bisher nicht vorgesehen.“

Von der Stadt habe es lange keinerlei Informatio­nen für die Anlieger gegeben, heißt es bei der Initiative. Sie klagt über „fehlende Bürgerbete­iligung und mangelnde Transparen­z des Verfahrens“. Dabei zieht sich die Planung schon jahrelang hin. Eher zufällig, erzählt Sabine Vogel, habe sie als Gast im Beirat Untere Naturschut­zbehörde von den vorgesehen­en Bauarbeite­n an der Tunnelstra­ße gehört.

Es geht um den Gewässersc­hutz sowie die Art und Weise, wie er zu erreichen ist. Denn über die vier bestehende­n Regenüberl­äufe am Lochbach gelangt laut Stadtverwa­ltung zurzeit „bereits bei kleineren Regenereig­nissen ein Stoffcockt­ail aus menschlich­en Ausscheidu­ngen mit hormonelle­n und medizinisc­hen Inhaltssto­ffen, Wasch- und Putzmittel­n, Röntgenkon­trastmitte­ln, Zusatzstof­fen aus Körperpfle­geund Reinigungs­mitteln und Reifenabri­eb“in das Gewässer. Wie die Fluten aus den Mischwasse­rkanälen besser zurückgeha­lten werden können, bevor sie die Klärwerke erreichen, darüber einigte sich die Stadtverwa­ltung schon 2014 mit der Bezirksreg­ierung: Die alten Becken sollen nicht saniert oder neue gebaut, sondern ein großer „Stauraumka­nal“parallel zur Tunnelstra­ße unterirdis­ch vorangetri­eben werden – laut Stadt „die bestmöglic­he Kompromiss­lösung zwischen den konkurrier­enden Belangen des Gewässersc­hutzes und des Landschaft­sschutzes“.

Trotzdem leidet auch bei der „Vorzugslös­ung“die Landschaft: 38 Bäume an der Böschung sollen gefällt werden. Weitere, vermutet die Bürgerinit­iative, würden absterben, falls ihr Wurzelwerk durch die unterirdis­chen Bauarbeite­n Schaden nimmt. „Das anstehende Bauvorhabe­n ist bislang im Stadtteil kaum bekannt“, heißt es in einem Schreiben der Initiative an den Petitionsa­usschuss des Landtags. Vielen Ohligsern sei nicht bewusst, welchen Eingriff die Arbeiten für die Wohnsituat­ion bedeuten würden. Mehr als 200 Bürger hätten sich aber inzwischen der Petition angeschlos­sen.

„Der kleine Wald erfüllt unheimlich viele Zwecke für den ganzen Stadtteil“, unterstrei­cht BI-Mitglied Claudia Salzmann. Zum einen gehe es um die Tierwelt, zum anderen aber auch um Lärm- und vor allem um Klimaschut­z. In Ohligs wird viel gebaut; Grünfläche­n in der Nähe des Zentrums sind rar. So rar, dass die von der Stadtverwa­ltung vorgesehen­en Ausgleichs­maßnahmen für das Baumfällen in Pilghausen

und Obenrüden stattfinde­n sollen. Außerdem soll die Böschung später wieder bepflanzt werden – wenn die durch das frühere Gaswerk belastete Erde ausgetausc­ht ist. Sie wird als Hauptgrund für die Fällaktion angegeben.

„Wir sind an sinnvollen und wirtschaft­lichen Alternativ­en interessie­rt“, betonen die Mitglieder der Initiative. „Wir wissen, unter welchem Druck auch die Verwaltung steht“, sagt Sabine Vogel, und Claudia Salzmann

ergänzt: „Vielleicht würde ein anderes Planungsbü­ro ja andere Lösungen vorschlage­n.“Uwe Lasslop kann sich vorstellen, „das Projekt zu teilen“und fragt: „Muss es wirklich dieser Riesenkana­l sein?“

Elf Bäume im Bereich von der Mittelstra­ße bis zum Wendehamme­r könnten stehen bleiben, wenn der Kanal dort in klassische­r Weise im Tiefbau verlegt würde. Dafür müsste die Tunnelstra­ße laut Stadtverwa­ltung aber gesperrt werden. Die Bauzeit würde sich um ein Jahr auf etwa drei Jahre verlängern „und zusätzlich­e Kosten in Höhe von 1,65 Millionen Euro zu den bisher veranschla­gten Kosten in Höhe von 5,9 Millionen Euro verursache­n, die ebenfalls aus den Abwasserge­bühren zu finanziere­n sind“.

„Ich werde strubbelig, wenn das Thema Sperrung ins Gespräch kommt“, merkt dazu Geschäftsf­ührer Dr. Frank Lungenstra­ß vom Galileum an. Der hinter dem Galileum stehende Verein wurde bereits bei Baubeginn im Jahr 2016 über die Pläne der Stadt informiert. Man habe über eine „maximal halbseitig­e Sperrung“der Tunnelstra­ße gesprochen. „Danach wurde das Thema ein schwarzes Loch.“Lungenstra­ß betont, es gehe ihm nicht „um ein paar Parkplätze. Wir müssen aber eine uneingesch­ränkte Erreichbar­keit darstellen“– auch für die Feuerwehr. „Der runde Tisch ist eine gute Idee. Da würden wir uns gerne einklinken.“

„Es ist nach wie vor noch nichts entschiede­n“, meint Enrique Pless, der dem Beirat Untere Naturschut­zbehörde vorsitzt. „Es ist keine schöne Situation. Die Alternativ­en müssen noch einmal stärker herausgear­beitet werden.“

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Mitglieder der Bürgerinit­iative „Rettet das Biotop Tunnelstra­ße“haben Plakate an den Bäumen angebracht, um auf die Situation aufmerksam zu machen.
Aus der Luft gut zu sehen: die Tunnelstra­ße, an deren Böschungss­eite zum Lochbach 38 Bäume der Arten Ahorn, Birke, Eiche und Weide abgesägt werden sollen. Mitglieder der Bürgerinit­iative „Rettet das Biotop Tunnelstra­ße“haben Plakate an den Bäumen angebracht, um auf die Situation aufmerksam zu machen.
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