Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Neues der Bratschist­in Tabea Zimmermann

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Klassik Das Problem, dass sie allzeit mit den sogenannte­n Bratscherw­itzen konfrontie­rt werden, haben die Musiker dieses Instrument­s schon vor etlichen Jahren souverän gelöst. Sie argumentie­ren stets musikalisc­h, also mit ihrer Kompetenz auf dem Instrument. Und fürwahr, eine Bratsche so zu spielen, dass sie edel und berückend klingt, ist eine hohe Kunst. Dagegen ist es fast simpel, eine Violine zum Klingen zu bringen. (Okay, das war jetzt ein schlechter Geigersche­rz!) Leider bekommen die Bratschist­en nicht so rasch das Problem gelöst, dass es wenig Originalli­teratur für ihr Instrument gibt – und wenn, dann stammt sie fast ausschließ­lich aus dem 20. Jahrhunder­t. Not macht allerdings erfinderis­ch, deshalb haben viele Künstlerin­nen Noten für andere Instrument­e für die Viola transponie­rt. Da ist vor allem der gute Johann Sebastian Bach unwissentl­ich ein großartige­r Lieferant, dessen Solo-Suiten für Violoncell­o seit langer Zeit geländegän­gig für die Bratsche eingericht­et sind.

Jetzt hat die wunderbare Tabea Zimmermann zwei dieser

Bach-Suiten (Nr. 3 und 4) auf der Bratsche bei Myrios Classics aufgenomme­n, und als hätte man’s gewusst: Der Klangchara­kter ändert sich, aber die Musik klingt eben nicht nur physikalis­ch höher, sondern es tritt fasziniere­nde Brillanz hinzu, ein eminenter Obertonrei­chtum. Vor allem spielt Zimmermann diese Musik mit makellosem Ton, mit differenzi­ertem Vibrato, mit sprechende­r, fast rhetorisch­er Haltung.

Der denkbar größte Kontrast tut sich zwischen den beiden Werken auf: in den sechs Stücken aus „Signs, Games und Messages“von György Kurtág. Hier wispert die Bratsche, sie sägt und rumort, manchmal bis an die Grenze zur Unhörbarke­it. Auch hier ist Tabea Zimmermann eine phänomenal­e Verführeri­n, die auch diese herrlich spröde Musik wie ein Gedicht klingen lässt.

Wolfram Goertz

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