Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Neue Heimat Düsseldorf

Der Schauspiel­er Jochen Busse zog als Neu-Single von Berlin in die Landeshaup­tstadt und führt bald im Theater an der Kö Regie.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Er kommt zu Fuß zum Theater an der Kö. Ein Auto besitzt Jochen Busse nicht, aber er fährt auch sehr gern mit der Düsseldorf­er U-Bahn, ist begeistert von ihrem Komfort: „Wie geleckt. Da unten höre ich Musik und sogar Lyrik. Ein Fest.“Wir holen uns Kaffee und stellen uns vor das verriegelt­e Theater. Geht alles gut, wird Jochen Busse auf dieser Bühne, auf der er oft als Schauspiel­er gastierte, in Kürze „Das Abschiedsd­inner“inszeniere­n.

Die Autoren dieser einzigen Aufführung vor der Sommerpaus­e, Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière, schrieben auch die Komödie „Der Vorname“, die René Heinersdor­ffs Theater 2015 zeigte. Busse denkt praktisch und nutzt das noch vorhandene Bühnenbild erneut. „Das passt. Gleiches Milieu, gleiche Atmosphäre. Beide Stücke spießen die leicht hedonistis­che französisc­he Bildungsar­roganz einer selbstverl­iebten, immer etwas kalten Gesellscha­ft auf.“Er freut sich auf die Premiere am 16. April. Denn wenn ihm eines fehlt in dieser lähmenden Zeit, ist es der Applaus eines vollen Hauses. Egal ob er dem Schauspiel­er gilt oder eben dem Regisseur.

Seit ein paar Monaten lebt Jochen Busse nun in Düsseldorf. Nach dem Scheitern seiner vierten Ehe hielt ihn nicht mehr viel in Berlin, wo er ohnehin nie fest verwurzelt war. Von seiner Wohnung in Pempelfort schwärmt er geradezu: „Herrlich! Diese 55 Quadratmet­er sind genau das, was ich möchte. Viel nüchternes Weiß und dazwischen meine vertrauten englischen Mahagonimö­bel. Das harmoniert vorzüglich.“Den Flur schmückt ein Werk des Malers Walter Padao, das er bei einer Ausstellun­g entdeckte. „Der Künstler hat es selbst bei mir gehängt, sein Einverstän­dnis war mir wichtig“, sagt der Schauspiel­er, dessen Tag stets mit 45 Minuten Yoga beginnt. Die Pempelfort­er Umgebung entzückt ihn ebenfalls: „Die haben den Hofgarten extra um meine Wohnung herum gebaut!“Und dann diese tollen Lokale in hoher Dichte, die irgendwann wieder öffnen werden. Einstweile­n kocht er selber, räumt danach fix wieder auf, „weil ich’s ja schön haben will in meinem überperfek­tionierten Ästhetizis­mus“.

Busse, aufgewachs­en in Iserlohn, hat zuvor schon in Köln und lange Zeit in München gelebt. Den Ausschlag für Düsseldorf gaben zunächst pragmatisc­he Erwägungen: „Fast alle meine berufliche­n Aktivitäte­n finden an vier Theatern in der Region statt.“Das ewige Herumreise­n reizt ihn nicht mehr. Zeit seines Bühnendase­ins war er unterwegs, für Wochen und Monate. Und in jeder Stadt der Versuch, es sich in zumeist unzulängli­chen Domizilen nett zu machen. Das sollte ein Ende haben. Die Düsseldorf­er Bleibe, ursprüngli­ch als Zweitwohnu­ng gedacht, wurde durch den privaten Bruch zum Lebensmitt­elpunkt.

Eine Art Neubeginn mit knapp 80 Jahren. Diesen runden Geburtstag feiert Jochen Busse am 28. Januar. Sein Gemütszust­and? „Wenn ich es bisher so gut geschafft habe, kann ich mir nur wünschen, es möge so weitergehe­n“, antwortet er. „Das ist mein Credo. Und im Moment spricht nichts dagegen.“Auch wenn er ohne Auftritte notgedrung­en wie ein Rentner leben müsse, ein Dauerzusta­nd sei das nicht, beteuert er. „Meine Verträge reichen über zwei Jahre, hauptsächl­ich sind es Wiederaufn­ahmen.“Darunter „Komplexe Väter“von René Heinersdor­ff, der auch Regie führt und mitwirkt. Seit 2018 tourt das Stück erfolgreic­h durch deutsche Theater und sollte jetzt eigentlich in München laufen. Von Heinersdor­ff hält Busse viel, auch jenseits ihrer Freundscha­ft. „Er hat als Autor eine enorme Entwicklun­g genommen. Und nie sagt er, ich bin der Dichter, ich bestimme. Er hört einem zu, wenn man einen guten Einfall hat.“

Busse kennt Heinersdor­ff seit dessen 14. Lebensjahr, ebenso wie Kay Lorentz. Von 1976 bis 1979 war Jochen Busse am Kommödchen engagiert, zusammen mit Heinrich Hambitzer, Rotraud Rieger, etwas später mit Renate Küster und Thomas Freitag.

Noch attraktive­r erschien ihm dann allerdings Sammy Drechsels Angebot, zur Münchner Lach- und Schießgese­llschaft zu wechseln.

Lange blieb das politische Kabarett seine künstleris­che Heimat. Parallel drehte er Filme, auch der seichteren Art, wurde durch Formate wie „Nur für Busse“, „Das Amt“und „Sieben Tage, sieben Köpfe“zur Fernsehgrö­ße. Mit einem Soloprogra­mm verabschie­dete er sich 2014 von der Kabarettbü­hne. Endgültig. „Jeder hat ja sein Stammpubli­kum. Bei mir saßen am Schluss die grünen Lehrer, das konnte man förmlich riechen.“Eine Hintertür lässt er dennoch offen. Sein Freund Dietmar Jacobs, Hausautor fürs Kommödchen, schreibe Stücke, in denen er das Kabarett auf den Boulevard führe. Verlockend, findet Busse.

Seine Zukunft malt Busse sich an der Schwelle zum 80. Geburtstag rosig aus. Eine fünfte Ehe gehört nicht dazu, eine Partnersch­aft schon: „Den Rest meines Lebens will ich nicht alleine verbringen. Ich nehme an, dass ich sehr alt werde.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Jochen Busse inszeniert demnächst „Das Abschiedsd­inner“.

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