Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Jason Moran drückt Töne in den Schlamm
Jazz Der amerikanische Pianist Jason Moran sieht sich als Geschichtenerzähler. Und wie sein großes Vorbild Thelonious Monk liebt er Melodien, und damit der Zuhörer die auch genießen kann, entschlackt Moran seine Kompositionen. Das lässt sie mitunter minimalistisch und akademisch anmuten. Wer sich in sie versenkt, wird indes die Wärme spüren, die von dieser Musik ausgeht. Moran hat soeben ein neues Solopiano-Album veröffentlicht, und zwar auf seiner Seite auf der Internet-Plattform Bandcamp. „The Sound Will Tell You“heißt das Werk, und darauf findet man zwölf Stücke. Deren Titel lauten „Only The Shadows Know“oder „Hum Then Sing Then Speak“, und sie gehen zurück auf Morans intensive Lektüre der Werke Toni Morrisons während des Lockdowns. Auch Morrison arbeitet in ihren Büchern mit Sound, und Moran führt die Erzählungen der Literatur-Nobelpreisträgerin sozusagen weiter, bringt sie noch deutlicher zum Klingen, eröffnet ihnen einen Klangkosmos.
Dafür benutzt der 46-Jährige ein besonderes technisches Hilfsmittel, das er „The Drip“nennt. Das ist ein Hall-Effekt, der den Tönen einen die Tonfolgen tanzen umeinander, sie kehren zum Ausgangspunkt zurück, und manchmal unterbrechen sie sich selbst.
Der aus Houston stammende Moran hat die Stücke innerhalb von drei Tagen in einem New Yorker Studio aufgenommen. Sie erzählen von einer Zeit, in der ein durch das Virus zum Hausarrest verurteilter Künstler sich um seine Zukunft in einem Amerika sorgt, in dem es fast täglich neue Rassenunruhen gibt. Eine starke Platte, eine intensive Hörerfahrung.
Philipp Holstein