Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Der Dom ist ein Sinnbild für Hoffnung“
Der Kölner Dombaumeister spricht über die Folgen der Corona-Krise für seine Arbeit am Gotteshaus.
Wie erleben Sie als Dombaumeister derzeit die Situation im zweiten Lockdown?
Wie alle anderen Menschen war ich genauso überrascht, welche Folgen die Pandemie für unser Leben mit sich gebracht hat. Das hat natürlich auch die Dombauhütte mit ihren 97 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betroffen. Wir haben die Hygieneregeln vom Abstand halten bis zum mobilen Arbeiten konsequent umgesetzt und sind so bislang gut durch die Pandemie gekommen. Es gab bei uns keinen einzigen Infektionsfall, der sich im Betrieb ereignet hätte. Das verdanken wir auch der großen Disziplin unserer Mitarbeitenden. Wir mussten uns außerdem daran gewöhnen, dass für die Arbeit am Dom wichtigen Besprechungen in der gewohnten Form nicht möglich sind und haben uns entsprechend mit Laptops und Webcams technisch ausgerüstet.
Konnten Sie die Zeit im Lockdown für sich nutzen?
Wir konnten Arbeiten durchführen, die in normalen Zeiten mit den Besuchern so nicht möglich gewesen wären. Üblicherweise haben wir bis zu 20.000 Besucher pro Tag im Dom und dazu tausende Menschen, die den Südturm besteigen. Im leeren Dom konnten wir zum Beispiel das Mosaik im Binnenchor und dem Chorumgang begutachten, restaurieren und reinigen. Das ist das größte Flächenkunstwerk im Dom. Wir haben die Stufen der Wendeltreppe im Turm ausgebessert und eine externe Firma hat die Wände dort von teils Jahrzehnte alten Schmierereien befreit. Uns wurde gesagt, dass die von der Fläche her wohl die größte Entfernung
von Graffiti in Europa gewesen sei. Außerdem konnten wir helfen, dass die Gottesdienste im Dom unter den Hygienebedingungen der Pandemie stattfinden konnten, indem wir Plexiglaswände für die Spende der Kommunion gebaut haben.
Wie fühlt es für Sie an durch den leeren Dom zu gehen?
Ich habe als Dombaumeister das Privileg, den Dom auch dann betreten zu können, wenn kein Mensch da ist – zum Beispiel am Abend. Das war jetzt auch tagsüber möglich. Es ist ein erhabenes Gefühl ganz alleine in so einem Raum zu stehen. Allerdings vermissen wir die Besucher schon sehr und freuen uns auf ihre Rückkehr.
Wie sieht es mit der Spendenbereitschaft für den Dom in Krisenzeiten aus?
Wir hatten die Befürchtung, dass sich die Krise finanziell auswirken könnte. Die Hohe Domkirche hat etwa durch die wesentlich geringeren Besucherzahlen einen erheblichen Rückgang an Spendengeldern und Führungseinnahmen zu verzeichnen. Die Dombauhütte ist davon zum Glück bisher weniger betroffen. Wir haben im Zentraldombauverein (ZDV) sehr treue Dombaufreunde. Dort gibt es 17.800 Mitglieder und es gab in der Krise keine nennenswerten Austritte. Dazu kamen einzelne Stifter, die gezielte Hilfe für den Dom angeboten haben. Das gibt uns die Chance, wichtige Projekte beim Dom anzupacken. Ohne den ZDV wäre unsere Arbeit so nicht möglich. Dennoch gibt es einen Verlust in sechsstelliger Höhe aufgrund der fehlenden Einnahmen aus Sonderführungen der Dombauhütte.
Welche Bedeutung hat der Dom für die Menschen in Krisenzeiten?
Der Dom ist das Sinnbild für Hoffnung schlechthin. Das war schon zu der Zeit so, als man ihn gebaut hat. Da gab es die Hoffnung, dass der Dom irgendwann fertig werden würde, sonst hätte man damit erst gar nicht begonnen. Wenn Menschen, die jetzt zu Hause sein müssen, vom Fester aus die Domspitzen sehen, gibt es für sie die Hoffnung, dass das Ganze irgendwann wieder zu Ende geht. Der Dom ist ein Symbol, dass man etwas gemeinsam schaffen kann, wenn man nur zusammenhält.
Welche Projekte stehen im Dom für dieses Jahr an?
Nach zehn Jahren konnten wir die Arbeiten an der Nordwestecke des Nordturms abschließen. Im Sommer nehmen wird das Gerüst mithilfe eines gewaltigen Krans ab. So sind beide Domtürme nach über zehn Jahren wieder fast komplett frei von Gerüsten. Am ältesten Teil des Domes, den Chorkapellen, führen wir derzeit eine Mustersanierung am dort verbauten Drachenfelstrachyt aus. Das ist eine besondere Herausforderung, für die wir unter anderem mit der Xantener Dombauhütte und dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland zusammenarbeiten. Die Ersatzsteine stammen aus einem italienischen Trachytsteinbruch. Dazu kommt die Restaurierung des Strebewerks an der Südseite, die uns sicher noch bis 2060/70 beschäftigen wird. Eine weitere Baustelle ist die Südquerhaus-Fassade, bei der zurzeit der Pfeiler neben dem östlichen Portal eingerüstet ist. Auch beim Michaelportal gehen die Arbeiten weiter, wo wir noch immer noch Kriegsschäden beseitigen. Wichtig ist für uns das regelmäßige Monitoring am Dom, um zum Beispiel mögliche Steinabstürze rechtzeitig erkennen und verhindern zu können. Im Innenraum geht es unter anderem um die Restaurierung der Fenster im südlichen Querhaus, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Neu gestaltet wird außerdem die Außenbeleuchtung des Doms, wo in der Zukunft LED-Leuchten zum Einsatz kommen.