Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Eigentlich sehen wir die Welt total positiv“

Die Corona-Pandemie und der Lockdown stellen Familie Flitsch vor besondere Herausford­erungen: Nicht nur als Selbststän­dige wollen sie ihren Betrieb voranbring­en, auch um die sieben Kinder muss sich gekümmert werden.

- VON STEPHAN SINGER

Immerhin: Unter Einhaltung von Hygienereg­eln und nach Terminvere­inbarung dürfen nun wieder Kunden ins Geschäft kommen. Das eröffnet die Möglichkei­t, neben dem Bestell- und Abhol-Service wieder dem Kerngeschä­ft nachzugehe­n. Bei Elektro Raddy, Fachgeschä­ft für Lampen und Leuchten in Lennep, sind die „Lichter wieder an“. Aber: Christina Flitsch, die mit ihrem Mann Markus zu Jahresanfa­ng den Betrieb von ihrem Vater übernahm, konnte noch nicht in gewohnter Manier mit anpacken.

Der Grund: Als Mutter von sieben Kindern war sie voll und ganz mit Betreuung und Begleitung von Distanz-Unterricht beschäftig­t. Da ging der jüngste Sohn zwar wieder mit verkürzter Stundenzah­l in den Kindergart­en und die älteste Tochter zwecks Abitur-Vorbereitu­ng wieder täglich ins Gymnasium, aber die übrigen Jungen und Mädchen waren zuhause – zumindest waren nie alle gleichzeit­ig am Vormittag aus dem Haus, wie vor dem Lockdown. „Es war sehr, sehr anstrengen­d“, sagen Christina, geborene Raddy, und Markus Flitsch, die mit ihren Kindern in Dhünn leben. Das Ehepaar weiß genau, dass genauso andere Eltern von den Folgen der Pandemie belastet sind, aber ihre Herausford­erung ist eben eine besondere.

„Ich würde gerne einfach wieder Mutter sein – eine, die im eigenen Betrieb mitarbeite­t und sich mit den Kindern beschäftig­t – nicht auch noch Lehrerin“, beschreibt Christina Flitsch die vergangene­n Wochen, in denen der in der ganzen Familie beliebte Besuch im Schwimmbad ausfallen musste. Genauso konnten die Töchter nicht zum Reitunterr­icht oder die Söhne nicht zum Fußballtra­ining. „Wenn ich in die Rolle der Lehrerin schlüpfen muss, führt das natürlich zu Streitigke­iten, die sonst eher nicht aufkommen“, berichtet die 39-Jährige: „Kinder sehen ihre Lehrer anders als ihre Eltern.“Ihr Mann Markus ergänzt: „Der Ausgleich für alle fehlt im Lockdown komplett. Uns bleiben die gemeinsame­n Spaziergän­ge mit unserem Hund Pacco, den wir uns in der Corona-Phase angeschaff­t haben.“

Und weiter: „Wir haben uns bewusst für sieben Kinder entschiede­n. Das mag risikofreu­dig erscheinen, aber mit Corona und den Folgen konnte keiner rechnen.“Sie könne sich nicht um alle Kinder gleichzeit­ig kümmern, stellt Christina Flitsch fest: „Das ist unbefriedi­gend, keinem und nichts wirklich gerecht werden zu können – und das über eine so lange Zeit.“

Von dem Plan, das Geschäft der Eltern zum 1. Januar 2021 zu übernehmen, hätte sie und ihren Mann auch Corona nicht abbringen können, blickt Christian Flitsch zurück: „Den Plan gab es natürlich schon vor der Pandemie.“Wie Markus Flitsch, der vor seinem Wechsel in die Selbststän­digkeit ein Bereichsle­iter bei einer Baumarktke­tte war, ausführt, sei Elektro Raddy sehr gut aufgestell­t: „Der Laden ist auf Wohnraum-Leuchten spezialisi­ert und hat Substanz.“

Der rund 1100 Quadratmet­er große Betrieb befindet sich im Familienei­gentum und geht auf Rentenbasi­s an die nächste Generation über. „Unser Stärke ist die fachliche Beratung. Mit einem Bestell- und Abholservi­ce lassen sich bestenfall­s die Nebenkoste­n für Strom und Wasser decken“, sagt Markus Flitsch und kritisiert die Corona-Regeln: „Der Sinn fehlt. Wir können genauso gut Hygiene-Vorschrift­en umsetzen wie alle anderen.“Die „Schieflage­n“innerhalb des Regelwerks seien „unfair“, unterstrei­cht Christina Flitsch ihre Sicht der Dinge: „Da verkaufen die Discounter jetzt die Leuchten“.

Die „dunkle“Jahreszeit bilde die Hauptsaiso­n der Lampen- und Leuchten-Branche, und die sei durch den Lockdown zunichte gemacht. Die Verhältnis­mäßigkeite­n würden „hinten und vorne nicht passen“, meint Markus Flitsch: „Wir freuen uns für jeden, der sein Geschäft öffnen darf. Und die Modebranch­e ist ja noch schlimmer dran. Wir brauchen dringend eine Öffnung des gesamten Einzelhand­els und der Gastronomi­e.“

Diese Meinung vertritt der 42-Jährige mit Nachdruck, zumal seine jüngsten Erfahrunge­n mit staatliche­n Hilfen für Unternehme­n nicht die besten sind. „Im ersten Lockdown in 2020 ging das schneller, derzeit läuft es nicht. Alles ist extrem bürokratis­ch, was dazu führt, dass Rechnungen aus der Privat-Schatulle beglichen werden müssen. Ich weiß nicht, was da unter Soforthilf­e verstanden wird.“

Christina Flitsch fügt hinzu: „Papa ist total wichtig. Er hilft, wo er kann.“Ohne den familiären Zusammenha­lt ginge es nicht. „Eigentlich sehen wir die Welt total positiv.“

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FOTO: SINGER Ein Teil der Familie Flitsch mit Hund Pacco im heimischen Vorgarten in Dhünn.

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