Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Eigentlich sehen wir die Welt total positiv“
Die Corona-Pandemie und der Lockdown stellen Familie Flitsch vor besondere Herausforderungen: Nicht nur als Selbstständige wollen sie ihren Betrieb voranbringen, auch um die sieben Kinder muss sich gekümmert werden.
Immerhin: Unter Einhaltung von Hygieneregeln und nach Terminvereinbarung dürfen nun wieder Kunden ins Geschäft kommen. Das eröffnet die Möglichkeit, neben dem Bestell- und Abhol-Service wieder dem Kerngeschäft nachzugehen. Bei Elektro Raddy, Fachgeschäft für Lampen und Leuchten in Lennep, sind die „Lichter wieder an“. Aber: Christina Flitsch, die mit ihrem Mann Markus zu Jahresanfang den Betrieb von ihrem Vater übernahm, konnte noch nicht in gewohnter Manier mit anpacken.
Der Grund: Als Mutter von sieben Kindern war sie voll und ganz mit Betreuung und Begleitung von Distanz-Unterricht beschäftigt. Da ging der jüngste Sohn zwar wieder mit verkürzter Stundenzahl in den Kindergarten und die älteste Tochter zwecks Abitur-Vorbereitung wieder täglich ins Gymnasium, aber die übrigen Jungen und Mädchen waren zuhause – zumindest waren nie alle gleichzeitig am Vormittag aus dem Haus, wie vor dem Lockdown. „Es war sehr, sehr anstrengend“, sagen Christina, geborene Raddy, und Markus Flitsch, die mit ihren Kindern in Dhünn leben. Das Ehepaar weiß genau, dass genauso andere Eltern von den Folgen der Pandemie belastet sind, aber ihre Herausforderung ist eben eine besondere.
„Ich würde gerne einfach wieder Mutter sein – eine, die im eigenen Betrieb mitarbeitet und sich mit den Kindern beschäftigt – nicht auch noch Lehrerin“, beschreibt Christina Flitsch die vergangenen Wochen, in denen der in der ganzen Familie beliebte Besuch im Schwimmbad ausfallen musste. Genauso konnten die Töchter nicht zum Reitunterricht oder die Söhne nicht zum Fußballtraining. „Wenn ich in die Rolle der Lehrerin schlüpfen muss, führt das natürlich zu Streitigkeiten, die sonst eher nicht aufkommen“, berichtet die 39-Jährige: „Kinder sehen ihre Lehrer anders als ihre Eltern.“Ihr Mann Markus ergänzt: „Der Ausgleich für alle fehlt im Lockdown komplett. Uns bleiben die gemeinsamen Spaziergänge mit unserem Hund Pacco, den wir uns in der Corona-Phase angeschafft haben.“
Und weiter: „Wir haben uns bewusst für sieben Kinder entschieden. Das mag risikofreudig erscheinen, aber mit Corona und den Folgen konnte keiner rechnen.“Sie könne sich nicht um alle Kinder gleichzeitig kümmern, stellt Christina Flitsch fest: „Das ist unbefriedigend, keinem und nichts wirklich gerecht werden zu können – und das über eine so lange Zeit.“
Von dem Plan, das Geschäft der Eltern zum 1. Januar 2021 zu übernehmen, hätte sie und ihren Mann auch Corona nicht abbringen können, blickt Christian Flitsch zurück: „Den Plan gab es natürlich schon vor der Pandemie.“Wie Markus Flitsch, der vor seinem Wechsel in die Selbstständigkeit ein Bereichsleiter bei einer Baumarktkette war, ausführt, sei Elektro Raddy sehr gut aufgestellt: „Der Laden ist auf Wohnraum-Leuchten spezialisiert und hat Substanz.“
Der rund 1100 Quadratmeter große Betrieb befindet sich im Familieneigentum und geht auf Rentenbasis an die nächste Generation über. „Unser Stärke ist die fachliche Beratung. Mit einem Bestell- und Abholservice lassen sich bestenfalls die Nebenkosten für Strom und Wasser decken“, sagt Markus Flitsch und kritisiert die Corona-Regeln: „Der Sinn fehlt. Wir können genauso gut Hygiene-Vorschriften umsetzen wie alle anderen.“Die „Schieflagen“innerhalb des Regelwerks seien „unfair“, unterstreicht Christina Flitsch ihre Sicht der Dinge: „Da verkaufen die Discounter jetzt die Leuchten“.
Die „dunkle“Jahreszeit bilde die Hauptsaison der Lampen- und Leuchten-Branche, und die sei durch den Lockdown zunichte gemacht. Die Verhältnismäßigkeiten würden „hinten und vorne nicht passen“, meint Markus Flitsch: „Wir freuen uns für jeden, der sein Geschäft öffnen darf. Und die Modebranche ist ja noch schlimmer dran. Wir brauchen dringend eine Öffnung des gesamten Einzelhandels und der Gastronomie.“
Diese Meinung vertritt der 42-Jährige mit Nachdruck, zumal seine jüngsten Erfahrungen mit staatlichen Hilfen für Unternehmen nicht die besten sind. „Im ersten Lockdown in 2020 ging das schneller, derzeit läuft es nicht. Alles ist extrem bürokratisch, was dazu führt, dass Rechnungen aus der Privat-Schatulle beglichen werden müssen. Ich weiß nicht, was da unter Soforthilfe verstanden wird.“
Christina Flitsch fügt hinzu: „Papa ist total wichtig. Er hilft, wo er kann.“Ohne den familiären Zusammenhalt ginge es nicht. „Eigentlich sehen wir die Welt total positiv.“