Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Erste Impfung bei Augusta Hardt Horizonte
Psychisch kranke Patienten und Mitarbeiter stehen in der Corona-Pandemie vor großen Herausforderungen.
Rund 200 Menschen, die bei Augusta Hardt Horizonte (AHH) betreut werden oder beschäftigt sind, erhielten am Freitag die erste Impfung gegen Corona. Geschäftsführer Bernd Steinhoff hatte dazu das ehemalige Gemeindezentrum in Hackenberg angemietet. Der Ortstermin war für ihn ein Meilenstein nach einem Jahr, in dem er die Einrichtung für Psychischkranke durch die Pandemie lenken musste. „Zumindest ist die Impfung ein Schritt zu mehr Schutz“, erklärt der 60-Jährige, für den früh feststand, welche Lawine auf sein Team und seine Klienten durch Corona zurollen sollte.
Es waren die Bilder aus Bergamo, die ihm im März 2020 nicht mehr aus dem Kopf gingen. Die Szenen aus dem Corona-Hotspot raubten ihm den Schlaf. „Ich habe davon geträumt, dass Menschen, die ich kannte, in Leichensäcken verpackt werden“, erklärt der Geschäftsführer, der bei der gemeinnützigen GmbH ein Team von über
100 Mitarbeitern leitet. Diese betreuen 60 Menschen in den Wohnheimen von Augusta-Hardt Horizonte und rund 150 Frauen und Männer, die in ihren eigenen Wohnungen
leben – aber Unterstützung im Alltag benötigen.
Von Anfang an habe er die Corona-Schutzmaßnahmen unter die Überschrift „Humanität vor Rentabilität“gestellt, sagt Steinhoff. Für den Fall einer Ansteckung richtete er Quarantäne- und Infektionswohnungen ein. Raumgrößen wurden erfasst und die maximale Nutzerzahl für sie ermittelt. „Wir haben die Bewohner von Anfang an nach Erkältungssymptomen, nach Husten und Schnupfen gefragt und die Temperatur gemessen – bevor uns das Land NRW dies vorgeschrieben hat“, listet Steinhoff auf, der im Lauf der Pandemie 90 Allgemeinverfügungen zu beachten hatte, wie er anführt.
Die Begleiterscheinungen seien sowohl für die Klienten als auch für die Mitarbeiter sehr belastend gewesen. Menschen, die ohnehin in seelischer Not seien, zogen sich zurück und mussten auf ihre Tagesstruktur verzichten. Die Klienten haben bei August Hardt Horizonte die Möglichkeit, eine Beschäftigung zu finden – sei es im Garten, in der Küche oder bei Montagearbeiten. Im Frühsommer 2020 war dies für zwei Monate nicht mehr möglich wegen der Pandemie-Schutzauflagen. Mittlerweile hält Augusta Hardt Horizonte das Angebot wieder vor. „Die Gruppen wurden aber verkleinert“, erläutert der Geschäftsführer, der weiß, dass seine Belegschaft an ihre Grenze gehen musste.
Zahlreiche Kollegen standen vor der Doppelbelastung, einerseits die eigenen Kinder versorgen zu müssen, andererseits die beruflichen Herausforderungen zu meistern, die ohnehin die Betreuung psychischkranker Menschen mit sich bringt. „Sie haben zuhause Stress und am Arbeitsplatz auch“, bedauert Steinhoff, der froh ist, dass die Klienten in seinen stationären Einrichtungen von einer Corona-Infektion verschont blieben.
Und weil dies auch so bleiben soll, setzt er nach wie vor auf Schutzmaßnahmen. Maskenpflicht zähle ebenso dazu wie Schnelltests – auch für Besucher. Wer bei einem Bewohner vorbeischauen will, muss sich dem Test unterziehen. „Der Besucher kann dann die folgenden 72 Stunden unsere Einrichtungen betreten.“Montags bis freitags wird der Test angeboten, für den 16 Mitarbeiter geschult worden seien. Desinfektionsmittel, Masken, Schnelltests oder auch der Kauf von Computerausstattung für Verwaltungsmitarbeiter, denen Homeoffice ermöglicht wurde – all das stelle die Einrichtung vor eine große finanzielle Belastung.
Zudem seien Einnahmen weggefallen, zum Beispiel, weil die ergotherapeutische Praxis bei AHH schließen musste. „Humanität geht über Rentabilität“– das Motto aus den ersten Krisentagen wird wohl eine lange Nachwirkung haben.