Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Gemischte Gefühle in den Altenheimen
Karl-Josef Laumann hat Lockerungen für die Senioreneinrichtungen angekündigt. Die Maßnahmen werden zwiespältig aufgenommen.
Karl-Josef Laumann hat Lockerungen für die Senioreneinrichtungen angekündigt. Die Maßnahmen werden zwiespältig aufgenommen.
Im Grunde genommen ist es ein Grund zur Freude – die Zahl der geimpften Menschen in Altenund Seniorenheimen ist sehr hoch, gleichzeitig sinkt die Zahl der infizierten Bewohner deutlich. Daher hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am vergangenen Freitag verkündet: „Wir haben eine Herdenimmunität in den Pflegeheimen erreicht.“
Damit einhergehen würden nun deutliche Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Die Landesregierung spricht von fast 150.000 der etwa 170.000 Einwohnern von Pflegeinrichtungen im Land, die bereits die Zweitimpfung erhalten hätten. Der hehre Wunsch hinter der Entscheidung aus Düsseldorf: „Ich möchte schlicht und ergreifend, dass das Leben der alten Menschen in den Altenheimen wieder schöner wird“, sagt der CDU-Minister. In den Einrichtungen vor Ort in Remscheid ist die Stimmung diesbezüglich indes zwiegespalten, wie eine Nachfrage ergeben hat.
Gabriele Heyer-Stojsavljevic, Einrichtungsleiterin im Altenpflegezentrum Der Wiedenhof, findet es grundsätzlich sehr schön, dass es für die Bewohner wieder ein wenig mehr Normalität geben soll. „Aber wir haben schon auch Bauchschmerzen. Ende des vergangenen Jahres haben wir gemerkt, wie schnell es gehen kann, wenn das Virus einmal im Haus ist“, sagt sie.
Die meisten Bewohner im Wiedenhof seien zweimal geimpft – neu eingezogene Bewohner allerdings oft erst nur einmal. „Wir halten uns strikt an die Regeln, die nun aufgestellt sind, auch intern innerhalb der Ev. Alten- und Krankenhilfe Remscheid, der wir angehören, wird nun über das weitere Vorgehen beraten.“Für verfrüht hält die Lockerungen Alexandra Bläsing von der Alloheim-Senioren-Residenz Am Klinikum: „Lockerungen bei derzeit steigenden Zahlen sind kontraproduktiv. Aber wir müssen die Vorgaben umsetzen und werden das auch machen.“
Im Diakoniecentrum Hohenhagen sieht man die Vorteile für die Bewohner. „Wir müssen aber die neue Verordnung erst noch einmal genau durchsprechen. Einige Sachen sind gut, andere meiner Meinung nach weniger“, sagt Einrichtungsleiter Oliver Kaust. Zudem habe man eine gute Impfquote in der Einrichtung. „Da mache ich mir keine Sorgen“,
sagt Kaust. Allerdings sehe er ein nicht unmaßgebliches Aufkommen von Mehrarbeit für die Mitarbeiter im Zusammenhang mit den Lockerungen. „Wir müssen das jetzt irgendwie stemmen – und werden das auch hinbekommen“, sagt der Einrichtungsleiter.
Den Mehraufwand sieht auch Renate Zanjani, die für die Zentrale Unternehmenskommunikation von Stockder Stiftung und Haus Lennep zuständig ist, als Herausforderung. „Die Angehörigen unserer Bewohner
sind offensichtlich viel vorsichtiger als Herr Laumann – gerade auch in Bezug auf eventuelle Mutanten“, sagt Zanjani. Im Moment werde geprüft, was wie möglich sei. Grundsätzlich sei es aber nicht nachzuvollziehen, warum solche neuen Anordnungen immer freitags kommen müssten. „Am Wochenende sind Einrichtungen ja in der Regel nicht so besetzt wie das unter der Woche der Fall ist.“
Andreas Wigger vom Haus Clarenbach hält Lockerungen für machbar – wenn die Voraussetzungen in der Einrichtung stimmen. „Das ist ja abhängig von der Impfquote von Bewohnern und Mitarbeitern im Haus – auch in Bezug auf Neuaufnahmen“, sagt er. Da müsse man eben zusehen, dass die neuen Bewohner möglichst zügig ein Impfangebot erhalten. „Wie das dann umgesetzt werden soll, wissen wir im Moment nicht genau. Gerade erst am Freitag ist noch ein Impfteam im Haus gewesen und hat fünf Bewohner geimpft“, sagt Wigger. Grundsätzlich begrüße er die neuen Maßnahmen, auch wenn man im Haus Clarenbach nach wie vor auf die FFP2-Masen setze. Nach der neuen Anordnung würden in der Einrichtung OP-Masken genügen.
Deutliche Worte findet Bernd Karthaus, Leiter im Haus am Park. „Ich bin stinksauer auf die Politik. Natürlich ist es für die Bewohner schön, wenn sie wieder normaler leben können. Aber die Pandemie wurde meiner Meinung nach auf dem Rücken der Pflegekräfte ausgetragen. Ich befürchte, dass nach Corona 25 Prozent der Fachkräfte der Pflege den Rücken kehren werden – und dann haben wir ein riesiges Problem“, sagt er. In seinen Augen habe die Regierung – „sowohl die Landesals auch die Bundesregierung“– bei den Heimen komplett versagt. Entsprechend wenig könne er darum auch den neuen Anordnungen abgewinnen. „Das ist nur jede Menge zusätzlicher Arbeit.“