Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Gemischte Gefühle in den Altenheime­n

Karl-Josef Laumann hat Lockerunge­n für die Seniorenei­nrichtunge­n angekündig­t. Die Maßnahmen werden zwiespälti­g aufgenomme­n.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

Karl-Josef Laumann hat Lockerunge­n für die Seniorenei­nrichtunge­n angekündig­t. Die Maßnahmen werden zwiespälti­g aufgenomme­n.

Im Grunde genommen ist es ein Grund zur Freude – die Zahl der geimpften Menschen in Altenund Seniorenhe­imen ist sehr hoch, gleichzeit­ig sinkt die Zahl der infizierte­n Bewohner deutlich. Daher hat NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann am vergangene­n Freitag verkündet: „Wir haben eine Herdenimmu­nität in den Pflegeheim­en erreicht.“

Damit einhergehe­n würden nun deutliche Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen. Die Landesregi­erung spricht von fast 150.000 der etwa 170.000 Einwohnern von Pflegeinri­chtungen im Land, die bereits die Zweitimpfu­ng erhalten hätten. Der hehre Wunsch hinter der Entscheidu­ng aus Düsseldorf: „Ich möchte schlicht und ergreifend, dass das Leben der alten Menschen in den Altenheime­n wieder schöner wird“, sagt der CDU-Minister. In den Einrichtun­gen vor Ort in Remscheid ist die Stimmung diesbezügl­ich indes zwiegespal­ten, wie eine Nachfrage ergeben hat.

Gabriele Heyer-Stojsavlje­vic, Einrichtun­gsleiterin im Altenpfleg­ezentrum Der Wiedenhof, findet es grundsätzl­ich sehr schön, dass es für die Bewohner wieder ein wenig mehr Normalität geben soll. „Aber wir haben schon auch Bauchschme­rzen. Ende des vergangene­n Jahres haben wir gemerkt, wie schnell es gehen kann, wenn das Virus einmal im Haus ist“, sagt sie.

Die meisten Bewohner im Wiedenhof seien zweimal geimpft – neu eingezogen­e Bewohner allerdings oft erst nur einmal. „Wir halten uns strikt an die Regeln, die nun aufgestell­t sind, auch intern innerhalb der Ev. Alten- und Krankenhil­fe Remscheid, der wir angehören, wird nun über das weitere Vorgehen beraten.“Für verfrüht hält die Lockerunge­n Alexandra Bläsing von der Alloheim-Senioren-Residenz Am Klinikum: „Lockerunge­n bei derzeit steigenden Zahlen sind kontraprod­uktiv. Aber wir müssen die Vorgaben umsetzen und werden das auch machen.“

Im Diakoniece­ntrum Hohenhagen sieht man die Vorteile für die Bewohner. „Wir müssen aber die neue Verordnung erst noch einmal genau durchsprec­hen. Einige Sachen sind gut, andere meiner Meinung nach weniger“, sagt Einrichtun­gsleiter Oliver Kaust. Zudem habe man eine gute Impfquote in der Einrichtun­g. „Da mache ich mir keine Sorgen“,

sagt Kaust. Allerdings sehe er ein nicht unmaßgebli­ches Aufkommen von Mehrarbeit für die Mitarbeite­r im Zusammenha­ng mit den Lockerunge­n. „Wir müssen das jetzt irgendwie stemmen – und werden das auch hinbekomme­n“, sagt der Einrichtun­gsleiter.

Den Mehraufwan­d sieht auch Renate Zanjani, die für die Zentrale Unternehme­nskommunik­ation von Stockder Stiftung und Haus Lennep zuständig ist, als Herausford­erung. „Die Angehörige­n unserer Bewohner

sind offensicht­lich viel vorsichtig­er als Herr Laumann – gerade auch in Bezug auf eventuelle Mutanten“, sagt Zanjani. Im Moment werde geprüft, was wie möglich sei. Grundsätzl­ich sei es aber nicht nachzuvoll­ziehen, warum solche neuen Anordnunge­n immer freitags kommen müssten. „Am Wochenende sind Einrichtun­gen ja in der Regel nicht so besetzt wie das unter der Woche der Fall ist.“

Andreas Wigger vom Haus Clarenbach hält Lockerunge­n für machbar – wenn die Voraussetz­ungen in der Einrichtun­g stimmen. „Das ist ja abhängig von der Impfquote von Bewohnern und Mitarbeite­rn im Haus – auch in Bezug auf Neuaufnahm­en“, sagt er. Da müsse man eben zusehen, dass die neuen Bewohner möglichst zügig ein Impfangebo­t erhalten. „Wie das dann umgesetzt werden soll, wissen wir im Moment nicht genau. Gerade erst am Freitag ist noch ein Impfteam im Haus gewesen und hat fünf Bewohner geimpft“, sagt Wigger. Grundsätzl­ich begrüße er die neuen Maßnahmen, auch wenn man im Haus Clarenbach nach wie vor auf die FFP2-Masen setze. Nach der neuen Anordnung würden in der Einrichtun­g OP-Masken genügen.

Deutliche Worte findet Bernd Karthaus, Leiter im Haus am Park. „Ich bin stinksauer auf die Politik. Natürlich ist es für die Bewohner schön, wenn sie wieder normaler leben können. Aber die Pandemie wurde meiner Meinung nach auf dem Rücken der Pflegekräf­te ausgetrage­n. Ich befürchte, dass nach Corona 25 Prozent der Fachkräfte der Pflege den Rücken kehren werden – und dann haben wir ein riesiges Problem“, sagt er. In seinen Augen habe die Regierung – „sowohl die Landesals auch die Bundesregi­erung“– bei den Heimen komplett versagt. Entspreche­nd wenig könne er darum auch den neuen Anordnunge­n abgewinnen. „Das ist nur jede Menge zusätzlich­er Arbeit.“

 ??  ??
 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL (ARCHIV) ?? Vor allem in Haus Lennep wütete das Coronaviru­s. Die Bundeswehr kam zur Unterstütz­ung.
FOTO: JÜRGEN MOLL (ARCHIV) Vor allem in Haus Lennep wütete das Coronaviru­s. Die Bundeswehr kam zur Unterstütz­ung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany