Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die ehemalige First Lady ist in einer Koch-Serie für Kinder zu sehen – mit Puppen.

Die frühere First Lady der USA tritt in der neuen Netflix-Serie „Waffel und Mochi“auf. Sie will Kinder von einer gesünderen Ernährung überzeugen. Das ist charmant und liebevoll gemacht. Aber auch ein bisschen elitär.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Das Basilikum scheint wohlig zu seufzen, wenn es gepflückt und auf die Creste Di Gallo gegeben wird

Die Geschichte beginnt in einer eisstarren Welt, in der es zum Frühstück, als Mittagesse­n und beim Abendbrot immer nur Eiswürfel gibt. Mochi lebt hier, ein rosafarben­er japanische­r Reiskuchen mit Augen und Mund. Und Waffel, ein hellblaues Flausch-Wesen, das sprechen kann und einen Schal trägt. Beide sind niedlich, sehr sogar, aber doch nicht glücklich: Sie haben es nämlich satt, jeden Tag Tiefkühlko­st zu essen. Als vor ihrem Haus ein Lieferwage­n mit frischem Gemüse eine Panne hat, nutzen sie die Chance, krabbeln auf die Ladefläche und lassen sich nach New York bringen. Dort bewerben sie sich in einem Biomarkt um einen Job. Dabei lernen sie die Besitzerin kennen, die sehr nette und ein bisschen steife Mrs. O. Und die wurde vor ein paar Jahren in einer anderen Rolle zum Weltstar.

„Waffel und Mochi“heißt die Kinderseri­e, die die frühere First Lady Michelle Obama gemeinsam mit ihrem Mann, Ex-Präsident Barack Obama, für Netflix produziert hat. Um gesunde Ernährung geht es darin, und gleich die erste Folge macht aus der Frische eine Sensation: Als Waffel ihre erste Tomate probiert, erstarrt sie, wie man erstarren würde, wenn man die Beatles noch einmal live erleben könnte: Genuss in Zeitlupe. Immerhin tritt dann gleich eine Trickfilm-Ausgabe des Popstars Sia auf, und sie singt ein Lied, das eine genaue Zustandsbe­schreibung aus dem Leben einer Tomate enthält: „I’m A Fruit.“

Michelle Obama spricht nun also mit Puppen, und das ist nur konsequent, denn bereits während ihrer Zeit im Weißen Haus trat sie in der „Muppet Show“auf. Schon damals setzte sie sich zudem für gesunde Ernährung ein und unterstütz­te die Kampagne „Let’s Move“, um vor den Gefahren von Übergewich­t und zu langem Sitzen zu warnen. Und eines der ersten Projekte, die ihre Produktion­sfirma „Higher Ground“an Netflix verkaufte, war diese Kindersend­ung. Zwei Jahre dauerte die Entwicklun­g.

Die zehn Folgen sind ein charmantes Erlebnis. Michelle Obama wirkt auf sympathisc­he Weise ungelenk, wenn sie schauspiel­ert und tanzt. Sie ist hier im Grunde rund um die Uhr damit beschäftig­t, Pflanzen zu wässern und Mütterlich­keit präsidial wirken zu lassen. Für das Management ihres Supermarkt­s, fürs Tagesgesch­äft also, hat sie einen Assistente­n: eine leicht hochnäsige und bebrillte Biene, die meistens mies drauf ist – vielleicht, weil eine lange Krawatte ihren Hals abschnürt.

Mochi und Waffel reisen jedenfalls im Auftrag Obamas in einem fliegenden Gefährt um die Welt. Sie treffen Köche, mit denen sie Gazpacho und Nudelgeric­hte zubereiten. Kinder aus vielen Ländern kommen zu Wort, Stars wie die Schauspiel­erin Rashida Jones oder Gaten Matarazzo aus „Stranger Things“treten auf, und zwischendu­rch gibt es animierte Einlagen, in denen eine friedliche Welt mit viel Olivenöl und Salz, aber wenig Zucker gezeichnet wird. Irgendwann ruft dann noch jemand den Satz: „Hör immer auf dein Gemüse, iss deine Eltern mit Waffel und Mochi.“

Die Serie ist gut gemeint und liebevoll gemacht, aber doch auch sehr elitär. Sie läuft bei einem Streamingd­ienst, den man bezahlen muss, und richtet sich an Kinder, die die Wahl haben: frisches Essen oder Tiefkühlko­st? Das ist eine Welt in Pastelltön­en, die Didaktik wird instagramf­reundlich verpackt. Das Kochen findet gerne open air in paradiesis­chen Gärten statt, sogar das Basilikum scheint wohlig zu seufzen, wenn es gepflückt und auf die Creste Di Gallo gegeben wird.

Wohlfühl-TV mit Auftrag also, aber das ist ja nichts Schlechtes. Tatsächlic­h führt dieses Format vor, wie leicht es sein kann, Frisches zu kochen. Alle Gerichte kann man rasch nachmachen, die Pasta mit kandierten Tomaten etwa. Es hat also praktische­n Wert, was dort vorgeführt wird. Außerdem vermittelt es ein neues Erleben des Gewohnten: das Staunen über das als selbstvers­tändlich Erachtete. Zum Abschluss jeder Folge verleiht Michelle Obama als Belohnung für Mühe und Auffassung­sfreude ein Abzeichen an Mochi und Waffel. Man spürt, dass sie darin Übung hat.

Die Obamas verfolgen nun weiter ihre Mission. Sechs Formate haben sie bereits an Netflix verkauft. 2019 erschien mit „American Factory“ihr erster Film. Die Doku über die Schließung einer Autofabrik im US-Staat Ohio und die sozialen Folgen für die Mitarbeite­r wurde mit dem Oscar ausgezeich­net. Das nächste soll schon in Vorbereitu­ng sein: der Spielfilm „Exit West“nach der Buchvorlag­e des pakistanis­chen Schriftste­llers Mohsin Hamid. Es handelt von einem Liebespaar auf der Flucht vor einem Bürgerkrie­g. Eine Rolle übernimmt der soeben für den Oscar nominierte britische Musiker und Schauspiel­er Riz Ahmed.

Das ehemalige US-Präsidente­npaar will mit seinen Filmen nach eigenen Angaben den Blick auf die Welt verändern und mehr Solidaritä­t erreichen.

 ??  ??
 ?? FOTO: ADAM ROSE/AP ?? Michelle Obama mit der Biene Busy, Waffel und Mochi.
FOTO: ADAM ROSE/AP Michelle Obama mit der Biene Busy, Waffel und Mochi.

Newspapers in German

Newspapers from Germany