Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Lügen in der Politik
Bewusste Täuschungen sind genauso ethisch verwerflich wie Falschaussagen.
Angela Merkel sagte einmal, ein Politiker müsse nicht immer alles sagen, aber er dürfe auf keinen Fall lügen. Bei allem Respekt neige ich dazu, das für eine Lüge zu halten. Denn wie Politiker wissen, können Täuschungsmanöver in der Politik, die keine Lügen sind, viel schlimmer und demokratieschädlicher sein als pure Lügen.
Wir verstehen unter einer Lüge eine vorsätzliche Falschrede in Täuschungsabsicht. Nach Augustinus ist das ein sündiger Missbrauch des Gottesgeschenks der Sprache. Im zwischenmenschlichen und politischen Bereich geht es jedoch mehr um die Frage, ob durch sprachliche Manöver Rechte von Personen verletzt werden oder Schaden angerichtet wird. Wenn ein Politiker über eine private
Affäre lügt, verletzt er nicht das Recht der Bürger auf Information. Wenn eine Politikerin wie unlängst Ursula von der Leyen einzelne Schnipsel aus Verhandlungen an die Presse durchstechen lässt, um vom eigenen Versagen abzulenken, dann ist das… keine Lüge. Also nach Merkel erlaubt? Die EU-Kommissionschefin hatte immerhin den falschen Verdacht erweckt, die Firma Biontech habe im vergangenen Sommer der EU ein inakzeptabel überteuertes Angebot gemacht und sei so die Schuldige an der mangelhaften Versorgung mit Impfstoff. Nach einer Berechnung der „Washington Post“hat Donald Trump während seiner Amtszeit 30.573 Lügen in die Welt gesetzt. Trumps schlimmste Lüge ist aber gar keine, weil sie etwas behauptet, was nachweislich falsch ist und daher Menschen mit einem Interesse an der Wahrheit gar nicht täuschen kann: die Behauptung, die Wahl sei gefälscht gewesen. Damit signalisiert er, dass es gar nicht auf die Wahrheit ankommt, sondern nur auf Macht und Gewalt, wie die Poststrukturalisten schon immer behauptet haben. Damit hat Trump die Republikaner in eine Sekte verwandelt, die die Legitimität der Wahlen, die Grundlagen eines friedlichen und zivilisierten Miteinander, nicht mehr akzeptiert. Einen größeren politischen Schaden für die Demokratie kann man sich kaum denken.