Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Schlechte Noten für Großstädte
Der ADFC hat das Fahrrad-Klima erfasst. Bei der Umfrage wurden die meisten Kommunen in NRW nur als „ausreichend“bewertet. Die Metropolen liegen bundesweit auf den hinteren Plätzen.
Beim Fahrradfahren fühlen sich in NRW zwei Drittel der Menschen nicht sicher. Radfahrer bemängeln vor allem, dass die Radwege zu schmal seien und die darauf geparkten Autos nicht kontrolliert würden. Das sind die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Besonders schlecht schneiden in NRW die Großstädte ab. In vier von sechs Kategorien landet das Bundesland auf dem letzten Platz. Positive Beispiele gibt es vor allem bei den kleineren Städten.
60.000 Fahrradfahrer haben in NRW an der nicht-repräsentativen Umfrage des ADFC teilgenommen, bundesweit waren es 230.000. Insgesamt bekommt das Land auf der Notenskala von eins bis sechs die Note vier (ausreichend). Das sei leicht schlechter als der Bundesschnitt, sagte der Landesvorsitzende Thomas Semmelmann bei der Vorstellung der Ergebnisse. Bei den Fragen ging es unter anderem um das Sicherheitsgefühl der Radler, Konflikte mit Fußgängern oder Autofahrern und um die Qualität von Radwegen.
„Es gibt beim Fahrradklima in NRW mehr Schatten und Wind als Sonne“, sagte Semmelmann. Die Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern hätten sich „minimal verbessert“, ihre Noten seien aber trotzdem schlecht geblieben, hieß es. Essen (4,22), Dortmund (4,35) und Köln (4,37) belegen im bundesweiten Vergleich die letzten Plätze unter den Metropolen. Düsseldorf landete auf Platz acht von 14. Zur etwas besseren Bewertung von Düsseldorf hat allerdings auch der Pop-up-Radweg beigetragen, der inzwischen wieder abgeschafft wurde.
Bei vier von sechs Ortsgrößenklassen belegen NRW-Städte die letzten Plätze. Neben Köln in der Klasse mit mehr als 500.000 Einwohnern sind das Duisburg (4,5) für die Klasse 200.000 bis 500.000 Einwohner, Hagen (4,9) für die Klasse 100.000 bis 200.000 Einwohner und Lüdenscheid (5,0) für die Klasse 50.000 bis 100.000 Einwohner. Lüdenscheid hat sogar die schlechteste Benotung im gesamten Test.
Für 80 Prozent der Befragten waren die Fahrradwege zu schmal. Die positiv wahrgenommenen Aspekte wie eine schnelle Erreichbarkeit des Stadtzentrums und in Gegenrichtung geöffnete Einbahnstraßen konnten die negativen Erfahrungen nicht aufwiegen.
Der NRW-Landesverband kritisierte den Fahrradgesetz-Entwurf des Landesverkehrsministeriums. Die vom ADFC mitgegründete Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“hatte unter anderem gefordert, den Radverkehrsanteil von aktuell zehn Prozent auf 25 Prozent zu erhöhen, und zwar bis 2025. Die Zahl 25 Prozent findet sich im Gesetzentwurf, allerdings ohne zeitliche Vorgabe. Von den geforderten 1000 Kilometern Radschnellwegen sei im Entwurf keine Rede, sagte Semmelmann. Es fehle an konkreten Zielvorgaben, an vielen Stellen bleibe offen, wie und bis wann Maßnahmen umgesetzt werden müssten.
Der ADFC wies auf die hohe Anzahl an verunglückten Fahrradfahrer im vergangenen Jahr hin. 76 Radfahrer starben 2020 in NRW, so viele wie noch nie. Dabei führte die Schließung der Schulen während der Pandemie dazu, dass es weniger Schulwegunfälle gab. „Weil nun die Schulen wieder geöffnet werden und der Autoverkehr fast wie vor der Pandemie fährt, müssen die Städte jetzt reagieren“, sagte Semmelmann. Es brauche eine Radinfrastruktur, die menschliche Fehler verzeihe, egal wer sie mache.
Bei der Umfrage gab es auch Lichtblicke in NRW. Münster zählt weiterhin zu den fahrradfreundlichsten Großstädten in Deutschland, auch wenn die Note 3,2 nur für den zweiten Platz in der Größenklasse bis 500.000 Einwohner reichte. Spitzenreiter ist Karlsruhe mit der Bewertung 3,1. Einen zweiten Platz in seiner Kategorie erreicht auch Bocholt (Note 2,8). Die Städte Wettringen (Note 2) und Reken (2,1) erreichten jeweils den ersten und zweiten Platz in der Kategorie mit weniger als 20.000 Einwohnern. Meckenheim belegt in der Größenklasse von 20.000 bis 50.000 Einwohner den zweiten Platz (Note 2,7).