Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Risiko Thrombose
Die Ursachen von Blutgerinnseln sind vielfältig. Eine Impfung ist selten der Grund.
Die Diskussion um mögliche Thrombosen nach einer Impfung mit dem Vakzin von Astrazeneca stürzt derzeit selbst Impfwillige ins Ungewisse. Eine Thrombose ist ein Blutgerinnsel. Es kann entstehen, wenn der Blutfluss in den Gefäßen gestört ist. Dann bildet sich ein Blutpfropf, der Thrombus. Gefährlich wird es, wenn sich das Gerinnsel löst, in andere Gefäße gespült wird und sie verstopft. In seltenen Fällen können auch Bakterien das Blutgerinnsel besiedeln und sich dann über den Blutweg ausbreiten. Die Ursachen sind vielfältig. Eine Rolle spielen die Zusammensetzung des Bluts und die Beschaffenheit der Gefäßinnenwände. Langes Sitzen auf Reisen und Liegezeiten nach einer Operation etwa begünstigen die Entstehung von Thrombosen. Ebenso Ablagerungen und Entzündungen in den Gefäßen und Medikamente wie etwa die Anti-Baby-Pille.
Um die mögliche Gefahr einordnen zu können, hilft ein Blick auf die Zahlen: Etwa 1000 bis 3000 Menschen von einer Million bekommen jährlich eine Thromboembolie. In rund 90 Prozent der Fälle handelt es sich um Verstopfungen in den großen Bein- oder Beckenvenen, die direkt zum Herzen führen. Eine Hirnoder Sinusvenenthrombose, wie sie nun mit dem Impfstoff von Astrazeneca in Verbindung gebracht wird, ist ein sehr seltener Spezialfall: Sie kommt nur bei zwei bis zehn von einer Millionen Menschen vor. Hier ist der Durchfluss einer Hirnvene oder eines größeren venösen Blutgefäßes (Sinus) gestört. Staut sich das Blut dort an, erhöht sich der Druck vor dem Abflusshindernis. Es kommt zu einem Austritt von Flüssigkeit in das Gehirngewebe (Hirnödem), und der Hirndruck steigt.
„Wir wissen, dass das Auftreten einer Hirnvenenthrombose häufig auf eine spezielle Problematik der Gerinnung oder andere Grunderkrankungen hindeutet“, sagt Christoph Ploenes. Er ist Chefarzt für Innere Medizin und Angiologie und am Gefäßzentrum in der Schön-Klinik Düsseldorf. Es sei daher richtig, hier sensibel zu reagieren und die näheren Umstände zu klären. „Ich gehe davon aus, dass die Betroffenen Grunderkrankungen hatten, zumal ja bisher überwiegend die älteren Menschen geimpft wurden“, so Ploenes. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und Thrombosen ist bisher nicht wissenschaftlich belegt.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach von sieben Fällen einer Hirnthrombose unter 1,6 Millionen Astrazeneca-Geimpften. „Das ist extrem selten“, betont Ploenes. Weitaus höher ist das Risiko bei Einnahme der Anti-Baby-Pille. Sie greift in den weiblichen Hormonhaushalt ein. Gerade die neueren Generationen der sogenannten Mikropillen erhöhten das Thrombose-Risiko für junge Frauen. Hierzu gibt es Studien der Europäischen Arzneimittelagentur. Demnach bekommen neun bis zwölf Frauen von 10.000 unter Einnahme der Pille innerhalb eines Jahres eine Thrombose. Bei etwa sechs bis sieben Millionen Frauen, die in Deutschland mit der Pille verhüten, sind statistisch also jedes Jahr mehrere Tausend von Thrombosen und Embolien betroffen. Im Vergleich dazu erkranken von 10.000 Frauen, die nicht hormonell verhüten und nicht schwanger sind, jährlich nur zwei an einer venösen Thromboembolie.
Ein Thrombose muss immer ärztlich abgeklärt und behandelt werden. Wer nach der Impfung länger als vier Tage massive Kopfschmerzen hat, sollte zum Arzt gehen. Ist die Diagnose etwa durch bildgebende Verfahren gestellt, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Therapie. Im Vordergrund steht die Auflösung des Gerinnsels mit blutverdünnenden Mitteln. Parallel dazu gilt es, den Hirndruck zu senken, etwa mit Punktionen und entsprechender Lagerung des Patienten. Begleitend können krampflösende Mittel oder – wenn eine bakterielle Infektion zugrunde liegt – Antibiotika verabreicht werden.
Facharzt Christoph Ploenes plädiert nun für eine zügige Klärung der Impfumstände und dann für eine schnelle Entscheidung: „Wir dürfen die Bevölkerung nicht noch mehr verunsichern.“