Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Ich bin dankbar für das Engagement“

Die Präsidenti­n des Deutschen Roten Kreuzes über die Organisati­on in den Impfzentre­n und die Lehren aus der Krise.

- JANA WOLF FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Frau Hasselfeld­t, noch immer geht es beim Testen und Impfen zäh voran und die Infektions­zahlen steigen. Wie sehr beunruhigt Sie das?

Die steigenden Infektions­zahlen sind beunruhige­nd. Sie hängen wesentlich mit den Mutationen zusammen. Die Umsetzung der Test- und Impfstrate­gie läuft regional sehr unterschie­dlich. Ich höre auch von vielen positiven Erfahrunge­n, etwa was die Organisati­on in den vielen Test- und Impfzentre­n des DRK und die Betreuung durch das Personal vor Ort angeht. Da hat sich einiges verbessert im Vergleich zum Beginn der Pandemie. Ich bin sehr dankbar für das Engagement, das die Menschen einbringen. Das hängt mit vielen ehrenamtli­chen Kräften zusammen, die wir kurzfristi­g einsetzen konnten. Bei allen Problemen, die diese unvorherse­hbare Pandemie für das Krisenmana­gement mit sich brachte, funktionie­rt es im Großen und Ganzen.

Stünden wir ohne die ehrenamtli­chen Helfer schlechter da?

Es würde eine große Lücke klaffen, wenn wir dieses Engagement nicht hätten. Seit Beginn der Pandemie gibt es einen beispiello­sen Einsatz – ob bei der Betreuung der Rückkehrer aus Wuhan vor einem Jahr, bei der Rückholung von Menschen aus Risikogebi­eten, der

Betreuung von Menschen in Quarantäne oder spontan organisier­ter Nachbarsch­aftshilfe. Unsere DRK-Kräfte sind im Rettungsdi­enst oder in der Pflege im Einsatz, sie leisten unkomplizi­erte Hilfe in den Teststatio­nen und Impfzentre­n. Das ehrenamtli­che Engagement hat den Vorteil, dass diese Menschen auch kurzfristi­g mobilisier­t werden können. Allerdings können sie ihre Hilfe – anders als hauptamtli­che Kräfte – selten über einen langen Zeitraum anbieten, weil sie in aller Regel auch berufstäti­g sind. Deshalb brauchen wir das Zusammensp­iel von Hauptamt und Ehrenamt.

Wie sehr sind die Kräfte der vielen Helfer mittlerwei­le aufgezehrt?

Es ist in der Tat eine große Belastung für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, im Hauptamt wie im Ehrenamt. Die Pflegekräf­te in den Heimen und im ambulanten Bereich sind einem verstärkte­n Infektions­risiko ausgesetzt. Sie müssen mehr Hygienevor­gaben beachten, wodurch auch mehr Arbeit anfällt als zuvor. Gleiches gilt für die Einsatzkrä­fte im Rettungsdi­enst, die unter erschwerte­n Bedingunge­n arbeiten. Es gibt eine enorme zusätzlich­e Belastung für alle in diesen Bereichen. Trotzdem stelle ich nach wie vor eine hohe Motivation fest. Ich kann nicht erkennen, dass das Engagement nachlässt.

Wäre eine Stärkung der freiwillig­en Helfer, etwa in der Pflege, für künftige Krisen für sinnvoll?

Das zurücklieg­ende Jahr hat gezeigt, dass wir in zwei Bereichen mehr Vorhaltung brauchen: zum einen im Bereich von Schutzausr­üstung und Hilfsgüter­n, zum anderen tatsächlic­h bei der menschlich­en Ressource. Wir können zwar mit dem Ehrenamt kurzfristi­g Lücken schließen. Aber die Belastung der Ehren- und Hauptamtli­chen geht an die Grenze, teilweise darüber hinaus. Ausgebilde­te freiwillig­e Pflegeunte­rstützungs­kräfte, die kurzfristi­g abrufbar sind, könnten in Krisenzeit­en eine große Hilfe sein.

Wie soll das konkret aussehen?

Früher gab es bereits eine ähnliche Ausbildung im Rahmen eines Zivilschut­zprogramms, das von der Bundesregi­erung gefördert wurde. Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde es eingestell­t, weil man davon ausging, es nicht mehr zu brauchen – ähnlich übrigens wie bei der Bundesvorh­altung von Technik, Ausrüstung, Zelten oder Betten für den Katastroph­enfall. Diese Lücke können und sollten wir schließen. Eine solcher freiwillig­er Pflege-Basiskurs wäre ein wichtiger Beitrag zur Unterstütz­ung der

Familien und Pflegedien­ste speziell in Krisenzeit­en. Eine entspreche­nde kurzzeitig­e Ausbildung könnten wir und andere anerkannte Hilfsorgan­isationen durchaus leisten. Das Ziel könnte sein, dass ein Prozent der Bevölkerun­g als Pflegeunte­rstützungs­kräfte ausgebilde­t wird.

Wie zufrieden sind Sie mit der Vorhaltung von Schutzausr­üstung?

Zufrieden bin ich vor allem damit, dass mittlerwei­le bei allen politische­n Entscheidu­ngsträgern die Erkenntnis angelangt ist, dass wir eine bessere Vorhaltung für Krisenfäll­e brauchen – und zwar auch vonseiten des Bundes. Dieses Bewusstsei­n war Ende 2017, als ich das Amt beim DRK übernommen habe, noch nicht so stark ausgeprägt. Ich musste sehr hart für den Aufbau der Reserven kämpfen. Grundsätzl­ich gibt es nun die Bereitscha­ft, dass wir an zehn Standorten in Deutschlan­d Logistikze­ntren für die Betreuung von insgesamt etwa 50.000 Menschen in Krisenfäll­en aufbauen. Dabei geht es etwa um Zelte, Feldbetten, mobile Arztpraxen, Hygieneart­ikel und mobile Großküchen. Von den zehn Standorten sind zwei in konkreter Planung. Es gibt eine Bereitscha­ft der Haushaltsp­olitiker und der Bundesregi­erung, die acht weiteren nationalen Reserven in den nächsten Jahren zu realisiere­n. Wir liegen gut im Zeitplan beim Aufbau des ersten Standortes unter Federführu­ng des DRK.

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FOTO: JAKOB HOFF/IMAGO Gerda Hasselfeld­t sieht bei der bundesweit­en Koordinier­ung im Krisenfall noch „Luft nach oben“.

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