Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Ich bin dankbar für das Engagement“
Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes über die Organisation in den Impfzentren und die Lehren aus der Krise.
Frau Hasselfeldt, noch immer geht es beim Testen und Impfen zäh voran und die Infektionszahlen steigen. Wie sehr beunruhigt Sie das?
Die steigenden Infektionszahlen sind beunruhigend. Sie hängen wesentlich mit den Mutationen zusammen. Die Umsetzung der Test- und Impfstrategie läuft regional sehr unterschiedlich. Ich höre auch von vielen positiven Erfahrungen, etwa was die Organisation in den vielen Test- und Impfzentren des DRK und die Betreuung durch das Personal vor Ort angeht. Da hat sich einiges verbessert im Vergleich zum Beginn der Pandemie. Ich bin sehr dankbar für das Engagement, das die Menschen einbringen. Das hängt mit vielen ehrenamtlichen Kräften zusammen, die wir kurzfristig einsetzen konnten. Bei allen Problemen, die diese unvorhersehbare Pandemie für das Krisenmanagement mit sich brachte, funktioniert es im Großen und Ganzen.
Stünden wir ohne die ehrenamtlichen Helfer schlechter da?
Es würde eine große Lücke klaffen, wenn wir dieses Engagement nicht hätten. Seit Beginn der Pandemie gibt es einen beispiellosen Einsatz – ob bei der Betreuung der Rückkehrer aus Wuhan vor einem Jahr, bei der Rückholung von Menschen aus Risikogebieten, der
Betreuung von Menschen in Quarantäne oder spontan organisierter Nachbarschaftshilfe. Unsere DRK-Kräfte sind im Rettungsdienst oder in der Pflege im Einsatz, sie leisten unkomplizierte Hilfe in den Teststationen und Impfzentren. Das ehrenamtliche Engagement hat den Vorteil, dass diese Menschen auch kurzfristig mobilisiert werden können. Allerdings können sie ihre Hilfe – anders als hauptamtliche Kräfte – selten über einen langen Zeitraum anbieten, weil sie in aller Regel auch berufstätig sind. Deshalb brauchen wir das Zusammenspiel von Hauptamt und Ehrenamt.
Wie sehr sind die Kräfte der vielen Helfer mittlerweile aufgezehrt?
Es ist in der Tat eine große Belastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Hauptamt wie im Ehrenamt. Die Pflegekräfte in den Heimen und im ambulanten Bereich sind einem verstärkten Infektionsrisiko ausgesetzt. Sie müssen mehr Hygienevorgaben beachten, wodurch auch mehr Arbeit anfällt als zuvor. Gleiches gilt für die Einsatzkräfte im Rettungsdienst, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Es gibt eine enorme zusätzliche Belastung für alle in diesen Bereichen. Trotzdem stelle ich nach wie vor eine hohe Motivation fest. Ich kann nicht erkennen, dass das Engagement nachlässt.
Wäre eine Stärkung der freiwilligen Helfer, etwa in der Pflege, für künftige Krisen für sinnvoll?
Das zurückliegende Jahr hat gezeigt, dass wir in zwei Bereichen mehr Vorhaltung brauchen: zum einen im Bereich von Schutzausrüstung und Hilfsgütern, zum anderen tatsächlich bei der menschlichen Ressource. Wir können zwar mit dem Ehrenamt kurzfristig Lücken schließen. Aber die Belastung der Ehren- und Hauptamtlichen geht an die Grenze, teilweise darüber hinaus. Ausgebildete freiwillige Pflegeunterstützungskräfte, die kurzfristig abrufbar sind, könnten in Krisenzeiten eine große Hilfe sein.
Wie soll das konkret aussehen?
Früher gab es bereits eine ähnliche Ausbildung im Rahmen eines Zivilschutzprogramms, das von der Bundesregierung gefördert wurde. Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde es eingestellt, weil man davon ausging, es nicht mehr zu brauchen – ähnlich übrigens wie bei der Bundesvorhaltung von Technik, Ausrüstung, Zelten oder Betten für den Katastrophenfall. Diese Lücke können und sollten wir schließen. Eine solcher freiwilliger Pflege-Basiskurs wäre ein wichtiger Beitrag zur Unterstützung der
Familien und Pflegedienste speziell in Krisenzeiten. Eine entsprechende kurzzeitige Ausbildung könnten wir und andere anerkannte Hilfsorganisationen durchaus leisten. Das Ziel könnte sein, dass ein Prozent der Bevölkerung als Pflegeunterstützungskräfte ausgebildet wird.
Wie zufrieden sind Sie mit der Vorhaltung von Schutzausrüstung?
Zufrieden bin ich vor allem damit, dass mittlerweile bei allen politischen Entscheidungsträgern die Erkenntnis angelangt ist, dass wir eine bessere Vorhaltung für Krisenfälle brauchen – und zwar auch vonseiten des Bundes. Dieses Bewusstsein war Ende 2017, als ich das Amt beim DRK übernommen habe, noch nicht so stark ausgeprägt. Ich musste sehr hart für den Aufbau der Reserven kämpfen. Grundsätzlich gibt es nun die Bereitschaft, dass wir an zehn Standorten in Deutschland Logistikzentren für die Betreuung von insgesamt etwa 50.000 Menschen in Krisenfällen aufbauen. Dabei geht es etwa um Zelte, Feldbetten, mobile Arztpraxen, Hygieneartikel und mobile Großküchen. Von den zehn Standorten sind zwei in konkreter Planung. Es gibt eine Bereitschaft der Haushaltspolitiker und der Bundesregierung, die acht weiteren nationalen Reserven in den nächsten Jahren zu realisieren. Wir liegen gut im Zeitplan beim Aufbau des ersten Standortes unter Federführung des DRK.