Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Tausende Rechnungen noch offen
Ein Jahr nach der größten Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik haben deutsche Urlauber erst einen kleinen Teil der Flugkosten zurückgezahlt.
Heiko Maas ließ sich extra mit Carsten Spohr verbinden, denn die Angelegenheit war dringend. Als der deutsche Außenminister im März vor einem Jahr mit dem Vorstandsvorsitzenden der Lufthansa telefonierte, saßen Zehntausende deutsche Urlauber im Ausland fest. Die Bundesregierung startete unter Federführung des Auswärtigen Amtes die größte Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik: Operation „Luftbrücke“. Deutsche Botschaften in aller Welt hatten oft unter widrigsten Umständen den Transport organisiert.
In einzelnen Fällen mussten sich deutsche Urlauber erst einmal aus dem Urwald in Peru oder Kolumbien zu einem nächsten Flughafen durchschlagen, wo die Touristen dann gesammelt und schließlich auch von Fluggesellschaften im Auftrag anderer EU-Staaten zurück nach Europa geflogen wurden. Der reguläre Luftverkehr war seinerzeit weltweit wegen Corona zum Erliegen gekommen. In einigen Urlaubsländern hatten die Behörden eine komplette Ausgangssperre verhängt. Allein für die Fahrt zum Flughafen mussten deutsche Diplomaten geduldig Ausnahmegenehmigungen bei den Behörden des Gastlandes erwirken.
Maas hatte seinerzeit eine formelle, weltweite Reisewarnung für alle touristischen Reisen ins Ausland ausgesprochen. Bei einer Reisewarnung konnten Urlauber, die ihre Reisen noch nicht angetreten haben, versuchen, von den Veranstaltern ihr Geld zurückzubekommen. Maas mahnte die Bürger: „Bleiben Sie zu Hause, das hilft Ihnen und anderen.“Der Außenminister kündigte damals an, man werde die Urlauber an den Kosten der Luftbrücke beteiligen.
Insgesamt 240.000 Deutsche waren teilweise noch durch die Reiseveranstalter selbst, teilweise aber auch durch eigens eingesetzte und vom Bund bezahlte Charterflüge nach Hause geholt worden. Gesamtkosten: 94 Millionen Euro, die sich der Bund von den Reisenden selbst wie auch aus dem EU-Zivilschutzfonds zurückholen wollte. Doch exakt ein Jahr nach dem Start der Luftbrücke haben deutsche Urlauber nach Angaben des Auswärtigen Amtes erst knapp 18 Millionen Euro für die Kosten der Flüge zurückgezahlt. Ziel ist es, sich etwa die doppelte Summe von jenen 67.000 deutschen Urlaubern zu holen, für die die Bundesregierung extra Heimflüge organisieren musste. Aus weltweit 65 Ländern wurden Touristen mit deutschem Pass oder aus anderen EU-Staaten mit 260 Flügen zurück nach Hause gebracht.
Dazu hatte die Bundesregierung im vergangenen Sommer beschlossen, den Urlaubern möglichst unbürokratisch Pauschalpreise in Rechnung zu stellen – gestaffelt nach Reiseländern. Für Flüge von den Kanarischen Inseln und aus Nordafrika sollten 200 Euro fällig werden, der Rückflug aus der Karibik und dem südlichen Afrika sollte 500 Euro kosten. Wer aus Südamerika und Asien zurückgeholt wurde, sollte 600 Euro bezahlen, die Corona-Heimkehr aus Neuseeland und Australien wollte der Bund mit 1000 Euro beglichen haben. Doch wegen des bürokratischen Aufwands und erschwerter Arbeitsbedingungen in der Pandemie seien bislang 21.000 Rechnungen noch gar nicht verschickt, meldete das Auswärtige Amt.