Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
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Der Langenfelder Florian Staehler hat als Football-Spieler ein Stipendium an einem US-College erhalten. Die Erkenntniss des 21-Jährigen nach den ersten Wochen: Der Zeitplan ist eng getaktet, und er muss an Gewicht zulegen.
Morgens um sechs Uhr, also wenn Studierende dem Klischee zufolge eigentlich noch nicht einmal ans Aufstehen denken, steht Florian Staehler bereits im Kraftraum der Towson University im US-Bundesstaat Maryland und absolviert ein Trainingsprogramm. Staehler studiert „Business Management & Administration“, was man mit der deutschen Betriebswirtschaftslehre vergleichen kann. Vor allem aber ist er in Towson, weil er American Football spielt und dort ein Sport-Stipendium erhalten hat.
Der Weg dorthin war lang. Angefangen hat alles schon mit 13 Jahren in Langenfeld, bei den „Longhorns“, wo Staehler mit dem Footballspielen anfing. Außerdem war er später noch für die Cologne Crocodiles aktiv. 2019 ging es nach erfolgreichem Abitur erstmals in die USA, nach Rhode Island, an die „American International Academy“. „Dort habe ich jeden Tag einfach nur Football gespielt“, erzählt der 21-Jährige. Ziel war es, Material für Highlight-Videos zu sammeln, die er dann an verschiedene Colleges in den gesamten USA senden konnte, um sich für ein Stipendium zu bewerben.
Dabei gehe es vor allem darum, sich selbst gut zu verkaufen und irgendwie Aufmerksamkeit zu generieren. Dass er wegen der Corona-Pandemie nirgendwo persönlich vorstellig werden konnte, half dabei natürlich wenig. Doch irgendwie versetzte es Staehler auch den letzten Schub, es noch einmal zu versuchen: „Ich war zwischendurch fertig mit dem Thema, weil ich irgendwann anfangen wollte, zu studieren. Aber dann kam der Lockdown und ich hatte eh nichts besseres zu tun.“Vor ziemlich genau einem Jahr begann er also, sich bei Colleges zu bewerben. Seinen Platz in Towson bekam er erst im Dezember des vergangenen Jahres.
Um für Colleges in den USA interessant zu werden, braucht es von der National Collegiate Athletic Association (NCAA), die den College-Sport in den USA organisiert, erst einmal eine Spielberechtigung. Um die zu erhalten, muss man quasi sein gesammeltes Leben in Papierform an die NCAA aushändigen. „Der Prozess, das Stipendium zu bekommen, ist relativ teuer. Das ist schon ein Risiko, das man eingeht“, erklärt
Staehler. Klappt es nicht, ist das Geld weg.
Seit Ende Januar ist der gebürtige Leichlinger jetzt in Towson, einer mittelgroßen, typisch amerikanischen Stadt. Bis nach Baltimore, der Hauptstadt Marylands, sind es nur wenige Kilometer. Viel gesehen hat er aber noch nicht: alle Uni-Kurse finden online statt und auch sonst ist aktuell natürlich oberstes Gebot, zuhause zu bleiben. Am meisten Kontakt hat Staehler deshalb mit seinem Mitbewohner Roman Wahrheit, der ebenfalls aus Deutschland kommt und schon länger an der Universität ist. Raus gehen muss er aber auch gar nicht unbedingt: Wohnung, Essen, Sportkleidung, das alles bekommt er gestellt.
So hat Staehler aktuell vor allem mit Müdigkeit zu kämpfen. Bis 5.30 Uhr muss er einen Corona-Fragebogen ausfüllen, damit er anschließend auf dem Uni-Campus trainieren darf. Nach einem Zwei-Stunden-Programm beginnen die Vorlesungen. „Das schwierigste ist, wach genug zu sein und aufmerksam zu bleiben“, erzählt er. Da kommt es schon einmal vor, dass er einen seiner Trainer mehrmals auf Deutsch fragt, wo denn der Wäschekorb sei, bevor er selbst bemerkt, wieso er als Antwort nur ein Kopfschütteln bekommt.
Doch wach bleiben ist wichtig. Gute Noten im Studium sind auch für den sportlichen Erfolg essenziell: Fällt Staehler in einem Kurs durch, ist auch das Footballspielen für ihn gelaufen. Deshalb hat er einen Studienberater, bei dem er jede Woche einen Termin hat, um die Aufgaben in den einzelnen Kursen zu besprechen. Sind die erledigt, muss Staehler eine Beweisfoto schicken. Es ist das einzige „Privileg“, das er bislang für sich als Footballspieler festgestellt hat. Für andere Studenten gibt es diese Art der Kontrolle nicht.
Seiner Familie hat Staehler vor gut einem Jahr erst einmal nichts von seinen Plänen erzählt. „Ich habe selbst nicht daran geglaubt, dass ich es schaffe. Ich wollte es einfach nochmal probieren“, sagt er: „Als es dann konkreter wurde, habe ich meinem Vater Bescheid gesagt. Er hat mich dabei auch unterstützt und machen lassen.“Heute freuen sich alle für ihn. Was er neben seiner Familie am meisten an der Heimat vermisst? „Richtiges Graubrot, das nicht weiß und wabbelig ist.“
Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Es gibt an der Universität eine eigene Abteilung, die sich um das Thema kümmert und die Sportler berät. Ihnen irgendetwas vorschreiben dürfen sie zwar nicht, „aber man will natürlich die Erwartungen erfüllen“, sagt Staehler. Für ihn heißt das: Zunehmen. Rund 127 Kilogramm bei zwei Metern Körpergröße reichen nicht ganz, um in den USA als „Offensive Tackle“mithalten zu können.
Staehlers Aufgabe auf dem Football-Feld ist es in erster Linie, den eigenen Quarterback zu beschützen oder dem jeweiligen Ballträger den Weg freizuräumen. Dafür braucht er Masse und Kraft. Beides wird er sich neben der passenden Technik in seinem ersten Jahr antrainieren, denn spielen wird er noch nicht sehr oft, wenn überhaupt. Sportler an US-amerikanischen Universitäten dürfen vier Jahre lang an den Wettbewerben teilnehmen. Die reichen aber nicht, um den Master zu machen. Also wird Staehler in seinem ersten Jahr in Towson vor allem trainieren und darf in den Spielen im Herbst nur sehr sporadisch eingesetzt werden. Für dieses so genannte „Redshirt“-Jahr wird ihm keine Saison angerechnet und seine vier Sportler-Jahre beginnen erst 2022. Staehler hat so genügend Zeit, um seinen Master zu machen, was für ihn oberste Priorität hat. Denn obwohl Towson durchaus schon Profi-Spieler hervorgebracht hat, ist Staehlers Ziel nicht in erster Linie die Profiliga NFL. „Ich kann noch gar nicht einschätzen, ob ich das Talent dazu habe“, sagt er ganz bescheiden: „Ich will auf jeden Fall nicht, dass mein akademisches darunter leidet. Aber wenn sich nebenbei etwas entwickelt… keiner, der Football spielt, würde da nein sagen.“