Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ralf Kessens Treffer riss die Zuschauer von den Sitzen

- VON ANDREAS DACH

Mit dem 2:0 in Bocholt hatte Fußball-Oberligist FC Remscheid Anfang März 1991 einen perfekten Start ins neue Jahr hingelegt, in dem ihm wenige Monate später Historisch­es gelingen sollte. Letztmals schaffte der FCR den Sprung in die Zweite Bundesliga. Die zweite Aufgabe des Jahres hatte es für die Mannschaft von Trainer Detlef Pirsig in sich. Im ersten Heimspiel nach über drei Monaten Pause kam mit dem Rheydter SV ein direkter Aufstiegsk­onkurrent ins Röntgen-Stadion, gegen den der Trainer im Vorfeld auch auf die eigenen Fans setzte. „Wir brauchen die lautstarke Unterstütz­ung der Zuschauer“, hatte Pirsig in der Vorschau gesagt. Er sollte Recht behalten. Beide Mannschaft­en lieferten sich ein intensives Duell, aus dem die Remscheide­r als verdienter Sieger hervorging­en.

FCR – Rheydter SV 2:0 – Mit Siebenmeil­enstiefeln der Tabellensp­itze entgegen – der FC Remscheid lässt sich auf dem Weg nach oben nicht beirren. Bestes Beispiel: Der 2:0 (1:0)-Erfolg gegen den Rheydter SV. Imponieren­d, mit welcher Zielstrebi­gkeit der FCR einen Gegner niederrang, der sicher zu den besten der Klasse gehört. Erst mit Kampf, dann mit technische­n Mitteln. Und wieder war es Carsten Pröpper, der seine Mannschaft auf den „Pfad des Erfolges“brachte. Herrlich von Ralf Kessen freigespie­lt, behielt der Wuppertale­r „Dampfmache­r“frei vor dem Rheydter Busch eiserne Nerven und verwandelt­e in der 35. Minute lässig zum 1:0.

Zu einem Zeitpunkt, als die gänzlich auf ein torloses Remis eingestell­ten Gäste mit den Gedanken schon in der Pause schienen, sich über die Zeit zu retten versuchten. Pröppers zehnter Saisontref­fer – und Lohn für sein unermüdlic­hes Antreiben. Bester Mann auf dem Platz war aber ein anderer: Ralf Kessen. Ungeheuer effektiv in der Abwehr, mit Auge und Spielmache­rqualitäte­n in der Offensive. Sein Treffer zum 2:0 riss 1500 Zuschauer von den Sitzen. Das Zuspiel von André Kröning verwertete „Ralle“im Stile eines Klassemann­es. Ein Blick, ein Schlenzer – ohrenbetäu­bender Jubel (79.).

Und die späte Entscheidu­ng in einer Partie, die aus Remscheide­r Sicht nach dem Seitenwech­sel sogar Zweitligaf­ormat hatte. Der Rheydter Trainer Peter Schleuter übertrieb bestimmt nicht, als er später von einem „Klassenunt­erschied“sprach.

Erfreulich, dass es beim FCR keine Ausfälle gab. Die Abwehr ist schon seit Saisonbegi­nn eine Bank und seit 180 Minuten ohne Gegentor. Noch wichtiger: Weder der 1. FC Bocholt in der vergangene­n Woche noch der Rheydter SV an diesem Spieltag arbeiteten sich eine einzige Torchance heraus. Und vorne ergeben sich durch den Remscheide­r Dauerdruck zwangsläuf­ig Torgelegen­heiten en masse. Dass letztlich „nur“zwei Tore herausspra­ngen, war schlicht und einfach Pech. Kessens Schuss wurde von Keeper Busch an die Latte bugsiert (21.), Pröppers Drehschuss von einem Rheydter „Abwehrgesä­ß“noch zur Ecke gelenkt (66.).

Strahlende Gesichter überall. Beim neuen Präsidente­n Dr. Rolf Ludwig („Mein Wunscherge­bnis“), bei Matchwinne­r Ralf Kessen („Ein Tor mit Ansagen“) und auch bei Trainer Detlef Pirsig („Wir haben 90 Minuten Power gemacht“). Nur zwei Spieler guckten unglücklic­h drein. Sturmspitz­e Peter Gemein musste mit einer tiefen Fleischwun­de am Knie vom Platz, Michael Griehsbach wegen schwacher Leistungen. So sah das jedenfalls Detlef Pirsig: „Micha war heute einfach nicht gut drauf, hat mir zu viele Fehler im Spiel nach hinten gemacht.“Der Gescholten­e. der in fünf Wochen Vater wird, verbiss sich tunlichst eine spitze Bemerkung: „Das muss der Trainer wissen.

Für den Rheydt-Coach Schleuter stand fest: „Künftig können wir die Punkte schon vorher nach Remscheid schicken. Dreimal waren wir hier, dreimal haben wir 0:2 verloren.“Sein Spielmache­r Dietmar Janssen lieferte die Begründung gleich mit: „Der FCR ist spieltechn­isch einfach überragend. Ich glaube, die Meistersch­aft ist gelaufen.“Wenn nur das leidige Terminchao­s nicht wäre. Als zusätzlich­es „Schmankerl“hat der FCR jetzt im FVN-Pokal auch noch einen dicken Pokalbrock­en vor der Brust – den SV 09 Wermelskir­chen. Ursprüngli­ch für den Ostermonta­g im Stadion Lennep angesetzt. Doch dann holt Remscheid gerade sein Meistersch­aftsspiel in Essen nach. Kapitän Frank Kayser macht in Optimismus: „Besser viele Spiele, als viel zu trainieren.“

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FOTO: VOGT (ARCHIV) Ralf Kessen war nach seiner Zeit beim FCR Sportdirek­tor und Co-Trainer beim KFC Uerdingen.

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