Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Ralf Kessens Treffer riss die Zuschauer von den Sitzen
Mit dem 2:0 in Bocholt hatte Fußball-Oberligist FC Remscheid Anfang März 1991 einen perfekten Start ins neue Jahr hingelegt, in dem ihm wenige Monate später Historisches gelingen sollte. Letztmals schaffte der FCR den Sprung in die Zweite Bundesliga. Die zweite Aufgabe des Jahres hatte es für die Mannschaft von Trainer Detlef Pirsig in sich. Im ersten Heimspiel nach über drei Monaten Pause kam mit dem Rheydter SV ein direkter Aufstiegskonkurrent ins Röntgen-Stadion, gegen den der Trainer im Vorfeld auch auf die eigenen Fans setzte. „Wir brauchen die lautstarke Unterstützung der Zuschauer“, hatte Pirsig in der Vorschau gesagt. Er sollte Recht behalten. Beide Mannschaften lieferten sich ein intensives Duell, aus dem die Remscheider als verdienter Sieger hervorgingen.
FCR – Rheydter SV 2:0 – Mit Siebenmeilenstiefeln der Tabellenspitze entgegen – der FC Remscheid lässt sich auf dem Weg nach oben nicht beirren. Bestes Beispiel: Der 2:0 (1:0)-Erfolg gegen den Rheydter SV. Imponierend, mit welcher Zielstrebigkeit der FCR einen Gegner niederrang, der sicher zu den besten der Klasse gehört. Erst mit Kampf, dann mit technischen Mitteln. Und wieder war es Carsten Pröpper, der seine Mannschaft auf den „Pfad des Erfolges“brachte. Herrlich von Ralf Kessen freigespielt, behielt der Wuppertaler „Dampfmacher“frei vor dem Rheydter Busch eiserne Nerven und verwandelte in der 35. Minute lässig zum 1:0.
Zu einem Zeitpunkt, als die gänzlich auf ein torloses Remis eingestellten Gäste mit den Gedanken schon in der Pause schienen, sich über die Zeit zu retten versuchten. Pröppers zehnter Saisontreffer – und Lohn für sein unermüdliches Antreiben. Bester Mann auf dem Platz war aber ein anderer: Ralf Kessen. Ungeheuer effektiv in der Abwehr, mit Auge und Spielmacherqualitäten in der Offensive. Sein Treffer zum 2:0 riss 1500 Zuschauer von den Sitzen. Das Zuspiel von André Kröning verwertete „Ralle“im Stile eines Klassemannes. Ein Blick, ein Schlenzer – ohrenbetäubender Jubel (79.).
Und die späte Entscheidung in einer Partie, die aus Remscheider Sicht nach dem Seitenwechsel sogar Zweitligaformat hatte. Der Rheydter Trainer Peter Schleuter übertrieb bestimmt nicht, als er später von einem „Klassenunterschied“sprach.
Erfreulich, dass es beim FCR keine Ausfälle gab. Die Abwehr ist schon seit Saisonbeginn eine Bank und seit 180 Minuten ohne Gegentor. Noch wichtiger: Weder der 1. FC Bocholt in der vergangenen Woche noch der Rheydter SV an diesem Spieltag arbeiteten sich eine einzige Torchance heraus. Und vorne ergeben sich durch den Remscheider Dauerdruck zwangsläufig Torgelegenheiten en masse. Dass letztlich „nur“zwei Tore heraussprangen, war schlicht und einfach Pech. Kessens Schuss wurde von Keeper Busch an die Latte bugsiert (21.), Pröppers Drehschuss von einem Rheydter „Abwehrgesäß“noch zur Ecke gelenkt (66.).
Strahlende Gesichter überall. Beim neuen Präsidenten Dr. Rolf Ludwig („Mein Wunschergebnis“), bei Matchwinner Ralf Kessen („Ein Tor mit Ansagen“) und auch bei Trainer Detlef Pirsig („Wir haben 90 Minuten Power gemacht“). Nur zwei Spieler guckten unglücklich drein. Sturmspitze Peter Gemein musste mit einer tiefen Fleischwunde am Knie vom Platz, Michael Griehsbach wegen schwacher Leistungen. So sah das jedenfalls Detlef Pirsig: „Micha war heute einfach nicht gut drauf, hat mir zu viele Fehler im Spiel nach hinten gemacht.“Der Gescholtene. der in fünf Wochen Vater wird, verbiss sich tunlichst eine spitze Bemerkung: „Das muss der Trainer wissen.
Für den Rheydt-Coach Schleuter stand fest: „Künftig können wir die Punkte schon vorher nach Remscheid schicken. Dreimal waren wir hier, dreimal haben wir 0:2 verloren.“Sein Spielmacher Dietmar Janssen lieferte die Begründung gleich mit: „Der FCR ist spieltechnisch einfach überragend. Ich glaube, die Meisterschaft ist gelaufen.“Wenn nur das leidige Terminchaos nicht wäre. Als zusätzliches „Schmankerl“hat der FCR jetzt im FVN-Pokal auch noch einen dicken Pokalbrocken vor der Brust – den SV 09 Wermelskirchen. Ursprünglich für den Ostermontag im Stadion Lennep angesetzt. Doch dann holt Remscheid gerade sein Meisterschaftsspiel in Essen nach. Kapitän Frank Kayser macht in Optimismus: „Besser viele Spiele, als viel zu trainieren.“