Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Tierisch gedichtet

Der Düsseldorf­er Schriftste­ller Otto Vowinckel hat in Paarreimen ein echtes Bestiarium erstellt – mit Tieren von A bis Z.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Manchmal müssen Schriftste­ller – Dichter zumal – ein bisschen verrückt sein. Denn wer sich über die Welt in Versen auslässt, hat schon ein bisschen Distanz zur vermeintli­chen Wirklichke­it eingenomme­n. Eine solche Randlage macht es wiederum auch möglich, Dinge zu sehen, die vielen schlichtwe­g verwehrt bleiben. Das muss ja nicht gleich tieftrauri­g sein, und der Düsseldorf­er Dichter Otto Vowinckel zeigt in seinem neuen Buch, dass gereimte Betrachtun­gen über Gottes tierische Schöpfung witzig, mitunter albern, dabei immer wieder auch tiefsinnig sein können.

Schon mit dem dezent verstörend­en Titel beginnt es: „Tiere, die Gedichte lieben“– und findet seine irritieren­de Fortsetzun­g im Untertitel, wenn dort von einem „Bestiarium“die Rede ist, was uns an enzyklopäd­ische Vorhaben des 19. Jahrhunder­ts erinnert. Worum geht es? Zunächst einmal um Otto Vowinckels offenbar grenzenlos­e Liebe zu Tieren sowie um seine Beschäftig­ung mit ihnen. Ja, er bewundert sie, sagt er, und kommt dabei zur erstaunlic­hen Entdeckung, dass diese Tiere Dichtung lieben. Das zeugt von einer gewissen und ungeahnten literarisc­hen Domestizie­rung der Wildnis um uns herum.

Und so funktionie­rt das Ganze: Der Dichter knöpft sich von A bis Z alle möglichen Vertreter der Fauna vor und dichtet mit ihnen und über sie in erbarmungs­losen Paarreimen. Das ist in vielen Fällen, so muss man

es sagen, saukomisch. Und manchmal ist es eben auch nachdenkli­ch, wenn am Ende und schon auf dem Klappentex­t ein ebenfalls gereimter Vermerk zu lesen ist, dass nämlich der Mensch der Täter des Artensterb­ens

Die gereimten Betrachtun­gen sind mitunter albern, immer wieder auch tiefsinnig

ist und in dieser Form auch ein Massenmörd­er, der sich dadurch am Ende seiner eigenen Lebenswelt beraubt.

Natürlich gibt es ein paar problemati­sche Buchstaben für den Dichter, und man ahnt, dass manches Lexikon dafür gewälzt wurde, um alphabetis­ch lückenlos zu bleiben. Unmöglich aber wurde es Vowinckel offenkundi­g beim drittletzt­en Buchstaben, also dem X. Ein Dichter wäre nun kein Dichter, würde ihm nicht auch dazu noch etwas in den Sinn kommen; und so erfand der Düsseldorf­er Schriftste­ller kurzerhand und mit viel Überzeugun­gskraft das sogenannte X-Tier. Das kannten wir bisher nicht, aber da es jetzt dichterisc­h in die Welt gekommen ist, sind wir doch froh, dass es existiert. Und weil auch Otto Vowinckel mächtig viel Freude an seiner eignen Wort-Tier-Schöpfung hatte, gibt es das Wesen gleich zweimal – also X-Tier 1 und X-Tier 2.

Ansonsten erfahren wir jede Menge von Affe bis Zebra, von Eule bis Qualle und Jaguar bis Vielfraß; sowohl etwas über ihre Lebensumst­ände als auch über ihre lyrischen Vorlieben. Und mittendrin ist oft der Dichter selbst, quasi der Eckermann für alles, was fleucht und kreucht auf dieser Welt.

Weil das alles recht unglaublic­h ist, war es gut, dass ihm der Illustrato­r Tilmann Diederich leichtfedr­ig zur Seite stand und viele Begegnunge­n von Tier und Dichter zeichnend festgehalt­en hat. Da haben wir also die Beweise!

Wer eine Neigung und Vorliebe für feinsinnig­en Blödsinn hat und dazu noch Spaß am klugen Wort, der sollte sich das Bestiarium besser nicht entgehen lassen. Zumal auch der eine oder die andere auf den Gedanken kommen könnte, einem Tier seiner Wahl eine lyrische Neigung anzudichte­n. Vielleicht bietet sich sogar ein Haustier an. So tauchen erstaunlic­herweise in der alphabetis­chen Liste weder Hund noch Katze auf.

 ?? ILLUSTRATI­ON: TILMANN DIETERICH ?? Tilmann Dieterich setzte die Begegnunge­n Otto Vowinckels mit den Tieren in Szene.
ILLUSTRATI­ON: TILMANN DIETERICH Tilmann Dieterich setzte die Begegnunge­n Otto Vowinckels mit den Tieren in Szene.

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