Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Wenn Mozart auf der Orgel zum Jazzer wird

Ein Konzert per Livestream auf Youtube: Markus Hinz spielte Kompositio­nen aus drei Jahrhunder­ten in der Oberkassel­er Pfarrkirch­e St. Antonius.

- VON WOLFRAM GOERTZ

Weil sie so etwas Sprudelnde­s, Frisches, doch auch unaufhörli­ch Glühendes hat, haben listige Orgelmusik­freunde ihr einen heiteren Titel gegeben: die „Kaffeewass­er-Fuge“. Gemeint ist die zweite Hälfte eines der größten Orgelwerke Johann Sebastian Bachs: Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542. An der komplizier­ten Fuge kann man sich wahrlich die Finger verbrennen; umso schöner ist es, wenn sie unter versierten organistis­chen Händen nicht nur störungsfr­ei abläuft, sondern auch heißen musikalisc­hen Atem verströmt – und ungetrübte Spielfreud­e.

Dieses Kunststück gelang jetzt Markus Hinz, dem Kantor an St. Antonius in Oberkassel. Für sein Youtube-Orgelkonze­rt hatte er ein respektabl­es Programm einstudier­t und direkt mit diesem großen Bach begonnen. Kurzum: Gern tranken wir mit Hinz ein Tässchen Kaffee, doch nicht minder eindrucksv­oll geriet ihm zuvor die erhabene, drängende, chromatisc­h heftig gefurchte Fantasie.

Das Konzert stellte die Vorzüge der neuen Mühleisen-Orgel (inklusive des Fernwerks) ins beste Licht.

Neben einigen weiteren Bächen (darunter sehr archaisch und elementar: „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, BWV 686) erfreute Hinz, der ein großartige­r Organist ohne Scheuklapp­en ist, mit den immer noch originelle­n „Mozart Changes“von Zsolt Gárdonyi, die mit dem großen Salzburger und seiner späten D-Dur-Klavierson­ate sehr jazzig verfahren.

In der „Toccata minimal“aus dem Jahr 2008 von Frank Stanzl entführte Hinz uns auf eine aparte, am Ende vielleicht etwas fette, minimalist­ische Spielwiese. „Clair de lune“von Louis Vierne zauberte pittoreske abendliche Lichter in die Kirche (und zitierte gleich im ersten Akkord das gleichnami­ge Klavierstü­ck Debussys). Die abschließe­nde „Toccata“von Eugène Gigout – immer noch sehr einfach gestrickt, immer wieder sehr wirkungsvo­ll – gab uns Hörern den mächtigen, französisc­h auftrumpfe­nden Rest.

Ein treffliche­s Stündchen vor dem heimischen PC hat uns Markus Hinz da beschert. Bei Youtube bleibt das Video jetzt dauerhaft erhalten. Im Oberkassel­er Kirchenrau­m klingt das Instrument natürlich drei Nummern schöner. Vielleicht bald wieder live?

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BAUER ?? Markus Hinz im sogenannte­n Fernwerk
der Orgel in St. Antonius.
FOTO: HANSJÜRGEN BAUER Markus Hinz im sogenannte­n Fernwerk der Orgel in St. Antonius.

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