Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Das Virus mag Mehr-Personen-Haushalte
Zahlen der Stadt belegen: Die Pandemie hat soziale Auswirkungen und verbreitet sich in Stadtteilen unterschiedlich.
Nach aktuellen Zahlen der Stadt infizieren sich 92,5 Prozent aller Solinger im häuslichen Umfeld mit dem Corona-Virus. Und – stark wachsend – mit den Mutationen. Die Prozentzahl bezieht sich dabei auf den Teil der Ansteckungen, bei denen der Ort bekannt ist. In rund 25 Prozent aller Fälle ist dieser nicht ermittelbar.
Dementsprechend hat die Virus-Verbreitung auch soziale Aspekte. Es fällt auf: Im Zwei-Personen-Haushalt ist die Infektionsquote mit der Mutante mit 2:1,8 zunächst am höchsten, sinkt sie bei drei Personen (3:2,4) und steigt wieder an: Je größer ein Familienverbund laut Angaben der Stadt ist und zugleich Enge in der Wohnung herrscht, desto besser breitet sich das Virus aus, weil sich Menschen nicht aus dem Weg gehen können.
Insgesamt hat das Virus in großen Gruppen grundsätzlich bessere Chancen, besonders in geschlossenen Räumen. Denn dort können sich Aerosole anreichern, die beim Ausatmen entstehen und das Virus tragen – bis alle infiziert sind. „Es gibt knapp 34.000 Einpersonen-Haushalte“, erklärt Thomas Gross, Abteilungsleiter Statistik der Stadt. Das entspreche 21,4 Prozent aller Solinger. Unter den Infizierten ohne Mutationen seien nur 14,7 Prozent aus Einpersonenhaushalten gekommen, mit Mutationen waren es 10,8 Prozent. Erst ab den Drei-Personenhaushalten seien die Infizierten etwas überrepräsentiert. Grund: die hohe Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, wenn es eine Infektion in der Familie gibt.
Ein Aspekt ist auch die Verteilung nach Alter. Die Impfungen zeigen Wirkung bei der Gruppe „Ü 80“. Denn dort sinkt der Mutationsanteil gewaltig. Zugleich spielt offenbar das Geschlecht je nach Alter eine Rolle. Bei den 20- bis 29-Jährigen sind mehr Männer und bei den 40- bis 49-Jährigen mehr Frauen infiziert. Den Überblick finden Interessierte auf der Seite des Landes NRW (www.mags.nrw/coronavirus-fallzahlen-nrw).
Einen dritten Zahlenblock bilden die Stadtteile. In der Innenstadt ist die Bevölkerung jünger als in anderen Stadtteilen, ärmer und wohnt dort in der Regel außerdem auch dichter zusammen. Daher folgt das Virus seiner Logik, sich in großen Gruppen schneller zu verbreiten. Dazu Zahlen aus den Stadtteilen:
Innenstadt 42.602 Einwohner (26,2 % der Gesamtbevölkerung), 40,3 % der Infektionen mit Mutation bezogen auf alle Solinger. Ohligs/Aufderhöhe/Merscheid 42.847 (26,3 %), 14,2 %.
Wald 24.190 (14,8 %), 17,8 %.
Burg und Höhscheid 34.824 (21,4 %), 17,1 %.
Gräfrath 18.477 (11,3 %), 10,6 %
Die Innenstadt ist also der „Hotspot“. Kalkuliert man jetzt ein, dass in der City der Migrantenanteil höher ist als im Rest der Stadt, könnte der Schluss folgen: Migranten treiben die Pandemie. Dem widersprechen Beobachtungen von Prof. Dr. Winfried J. Randerath, dem Chefarzt in Bethanien. Er betont, dass es bei den Patienten in seiner Lungenfachklinik keine signifikant höhere Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund gebe – weder auf der Intensiv-,
noch auf der Normalstation. Überregional hatte die „Bild“über hohe Patientenzahlen von Migranten und Muslimen auf Intensivstationen berichtet – das Recherchenetzwerk „Correctiv“bezeichnet dies inzwischen allerdings als „unbelegt“. Bundesweit würden weder Herkunft noch Religion in Zusammenhang mit Covid-19 erfasst.
„Ich glaube nicht, dass die hohen Infektionszahlen in Mitte nur mit Migranten zu tun haben, sondern vielmehr mit Unklarheiten in der Gesellschaft“, betont Hassan Firouzkhah, der Vorsitzende des Zuwandererund Integrationsrates. „Heutzutage sind die Menschen alle digital vernetzt. Die Frage ist also vielmehr: Wie gehen die Menschen damit um?“
Schon seit März 2020 verschicke die Stadt mehrsprachige Infos. Kürzlich hat das Integrationszentrum zudem einen Kurzfilm in mehreren Sprachen zum Thema erstellt. Mehrsprachig informiert die Stadt in einem Leitfaden zum Thema Kita und Schule, auch die Elterninfobriefe zu Corona werden in mehrere Sprachen übersetzt.