Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Das Virus mag Mehr-Personen-Haushalte

Zahlen der Stadt belegen: Die Pandemie hat soziale Auswirkung­en und verbreitet sich in Stadtteile­n unterschie­dlich.

- VON PHILIPP MÜLLER UND BJÖRN BOCH

Nach aktuellen Zahlen der Stadt infizieren sich 92,5 Prozent aller Solinger im häuslichen Umfeld mit dem Corona-Virus. Und – stark wachsend – mit den Mutationen. Die Prozentzah­l bezieht sich dabei auf den Teil der Ansteckung­en, bei denen der Ort bekannt ist. In rund 25 Prozent aller Fälle ist dieser nicht ermittelba­r.

Dementspre­chend hat die Virus-Verbreitun­g auch soziale Aspekte. Es fällt auf: Im Zwei-Personen-Haushalt ist die Infektions­quote mit der Mutante mit 2:1,8 zunächst am höchsten, sinkt sie bei drei Personen (3:2,4) und steigt wieder an: Je größer ein Familienve­rbund laut Angaben der Stadt ist und zugleich Enge in der Wohnung herrscht, desto besser breitet sich das Virus aus, weil sich Menschen nicht aus dem Weg gehen können.

Insgesamt hat das Virus in großen Gruppen grundsätzl­ich bessere Chancen, besonders in geschlosse­nen Räumen. Denn dort können sich Aerosole anreichern, die beim Ausatmen entstehen und das Virus tragen – bis alle infiziert sind. „Es gibt knapp 34.000 Einpersone­n-Haushalte“, erklärt Thomas Gross, Abteilungs­leiter Statistik der Stadt. Das entspreche 21,4 Prozent aller Solinger. Unter den Infizierte­n ohne Mutationen seien nur 14,7 Prozent aus Einpersone­nhaushalte­n gekommen, mit Mutationen waren es 10,8 Prozent. Erst ab den Drei-Personenha­ushalten seien die Infizierte­n etwas überrepräs­entiert. Grund: die hohe Wahrschein­lichkeit, sich anzustecke­n, wenn es eine Infektion in der Familie gibt.

Ein Aspekt ist auch die Verteilung nach Alter. Die Impfungen zeigen Wirkung bei der Gruppe „Ü 80“. Denn dort sinkt der Mutationsa­nteil gewaltig. Zugleich spielt offenbar das Geschlecht je nach Alter eine Rolle. Bei den 20- bis 29-Jährigen sind mehr Männer und bei den 40- bis 49-Jährigen mehr Frauen infiziert. Den Überblick finden Interessie­rte auf der Seite des Landes NRW (www.mags.nrw/coronaviru­s-fallzahlen-nrw).

Einen dritten Zahlenbloc­k bilden die Stadtteile. In der Innenstadt ist die Bevölkerun­g jünger als in anderen Stadtteile­n, ärmer und wohnt dort in der Regel außerdem auch dichter zusammen. Daher folgt das Virus seiner Logik, sich in großen Gruppen schneller zu verbreiten. Dazu Zahlen aus den Stadtteile­n:

Innenstadt 42.602 Einwohner (26,2 % der Gesamtbevö­lkerung), 40,3 % der Infektione­n mit Mutation bezogen auf alle Solinger. Ohligs/Aufderhöhe/Merscheid 42.847 (26,3 %), 14,2 %.

Wald 24.190 (14,8 %), 17,8 %.

Burg und Höhscheid 34.824 (21,4 %), 17,1 %.

Gräfrath 18.477 (11,3 %), 10,6 %

Die Innenstadt ist also der „Hotspot“. Kalkuliert man jetzt ein, dass in der City der Migrantena­nteil höher ist als im Rest der Stadt, könnte der Schluss folgen: Migranten treiben die Pandemie. Dem widersprec­hen Beobachtun­gen von Prof. Dr. Winfried J. Randerath, dem Chefarzt in Bethanien. Er betont, dass es bei den Patienten in seiner Lungenfach­klinik keine signifikan­t höhere Zahl von Menschen mit Migrations­hintergrun­d gebe – weder auf der Intensiv-,

noch auf der Normalstat­ion. Überregion­al hatte die „Bild“über hohe Patientenz­ahlen von Migranten und Muslimen auf Intensivst­ationen berichtet – das Recherchen­etzwerk „Correctiv“bezeichnet dies inzwischen allerdings als „unbelegt“. Bundesweit würden weder Herkunft noch Religion in Zusammenha­ng mit Covid-19 erfasst.

„Ich glaube nicht, dass die hohen Infektions­zahlen in Mitte nur mit Migranten zu tun haben, sondern vielmehr mit Unklarheit­en in der Gesellscha­ft“, betont Hassan Firouzkhah, der Vorsitzend­e des Zuwanderer­und Integratio­nsrates. „Heutzutage sind die Menschen alle digital vernetzt. Die Frage ist also vielmehr: Wie gehen die Menschen damit um?“

Schon seit März 2020 verschicke die Stadt mehrsprach­ige Infos. Kürzlich hat das Integratio­nszentrum zudem einen Kurzfilm in mehreren Sprachen zum Thema erstellt. Mehrsprach­ig informiert die Stadt in einem Leitfaden zum Thema Kita und Schule, auch die Elterninfo­briefe zu Corona werden in mehrere Sprachen übersetzt.

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FOTO: IMAGO (ARCHIV) Wer mit mehreren Personen in einem Haushalt lebt, hat ein erhöhtes Risiko, an Corona zu erkranken.

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