Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Das Junge Rheinland bleibt in Düsseldorf

Der bedeutende Nachlass der auf Dix, Wollheim, Schwesig und Co. spezialisi­erten Galerie Remmert & Barth liegt nun im Stadtmuseu­m.

- VON HELGA MEISTER

Künstler-Nachlässe sind lästig, aber wichtig. Aus ihnen lässt sich die Kunst- und Zeitgeschi­chte aus originären Quellen ablesen. Sie sind mehr wert als jede Sekundärli­teratur. Aber sie brauchen Platz und Personal. Sie sind daher auf den guten Willen angewiesen, der nur sehr selten bei Politikern und Museumsleu­ten vorhanden ist. Wie steht es damit in Düsseldorf? Wir bringen eine gute und eine schlechte Nachricht.

Das Junge Rheinland brach mit dem künstleris­chen Geist wilhelmini­scher Zeit, mit dem Hurra-Patriotism­us und der Schlachtfe­ld-Mythologis­ierung. Seine Mitglieder bestimmten für zehn Jahre die Kunstszene des Rheinlands. Es ist ein Verdienst der Galeristen Peter Barth und Herbert Remmert, dass dieses wichtige Kapitel der Düsseldorf­er Kunstgesch­ichte aufgearbei­tet wurde. Seit 1980 machten sie ihre Galerie in der Altstadt für 38 Jahre zum Zentrum der Kunst in der Weimarer Republik und gaben den Düsseldorf­ern ihre Tradition der 1920er-Jahre zurück.

Sie arbeiteten die unerforsch­ten Dix-Jahre in Düsseldorf, die wilden Jahre des Aktivisten und Poeten Gert H. Wollheim, die Erlebnisse von Karl Schwesig und letztlich auch die Szene aus Berlin und Dresden auf. Sie entdeckten bei all den Witwen, Kindern und Enkeln „Primärware“mit klarer Provenienz, die von niemandem zurückgefo­rdert werden muss. Sie leisteten in regelmäßig­en Publikatio­nen beispielha­fte Forschungs­arbeit. Nun bleibt dieses Wissen als Nachlass der Galeristen in Düsseldorf, und den Mittelpunk­t bildet Johanna Ey, die „Königin-Mutter der rheinische­n Künstler“.

Die Kaufverhan­dlungen begannen schon unter dem damaligen Museumsche­f Beat Wismer. Mehrere

Gutachter wurden bemüht, Listen angefertig­t, 30 Kartons landeten ursprüngli­ch im Museum Kunstpalas­t. Als aber Wismers Nachfolger Felix Krämer den Nachlass wegen fehlender Archivare nicht weiter verfolgte, kam das Stadtmuseu­m ins Spiel und erhielt den Zuschlag. Es hatte schon unter dem künstleris­chen Leiter Wieland Koenig die Kunstwerke

aus der Zeit der Weimarer Zeit gesammelt.

Nun wird es mit der Heinrich-Heine-Universitä­t zur Drehscheib­e für Ausstellun­gen und Forschung. Das neue Archiv umfasst gut 1300 Einzelposi­tionen, Autografen, seltene frühe Publikatio­nen, Fotos, Grafiken, Zeichnunge­n und Gemälde von über 40 Künstlern wie Otto Dix, Gert Wollheim, Jankel Adler, Otto Pankok, Adalbert Trillhaase oder Karl Schwesig. Hinzu kommen das Geschäftsa­rchiv und die Bibliothek der Galerie. Das alles bleibt in Düsseldorf.

Ende letzten Jahres gründeten die Schweizer Christian und Franziska Megert, die seit 1973 in Düsseldorf leben, eine Stiftung in Bern, die der Bernischen Nachlass-Stiftung angeschlos­sen ist. Das ist bedauerlic­h für Düsseldorf, denn Megert vermittelt­e die Kunst der Zero-Freunde, schickte seinen begehbaren Spiegelrau­m 1968 auf die Documenta und hatte von 1976 bis 2002 den Lehrstuhl für „Integratio­n Bildende Kunst und Architektu­r“an der Kunstakade­mie Düsseldorf inne.

Der Mann aus Bern engagierte sich für andere, saß im Kunstbeira­t der Stadt Düsseldorf und gewann hier Wettbewerb­e zu drei Großskulpt­uren. Leider aber wurde die schönste Arbeit, die lange Zeit im Ehrenhof stand, zerstört. Der Brunnen im Südpark hat kein Wasser, und eine dritte Skulptur bräuchte eine Boden-Beleuchtun­g, damit keine Autos in der Kurve im Kunstwerk landen. Alles keine triftigen Gründe, um Düsseldorf mit unschätzba­ren Werten zu beglücken.

So geben denn die Künstler ihre Werke und ihr Eigentum nach Bern, eine der wichtigen Zentren der Moderne. Immerhin soll die Zero-Stiftung im Stiftungsr­at sitzen, denn nur so kann Düsseldorf an die großen

„Hier macht man Piene, Mack und Uecker, sonst

nichts“

Christian Megert Schweizer Künstler, lebt und arbeitet

in Düsseldorf

Arbeiten von Megert kommen, die hinfort in der Schweiz versammelt werden.

Das kleine Bern könnte ein Vorbild für Düsseldorf sein. Mit seinen 130.000 Einwohnern bemüht es sich um Künstler-Nachlässe. Wir fragten Christian Megert, warum er seine Schätze nicht der Düsseldorf­er Zero-Stiftung gibt. Megerts Antwort irritiert: „Hier macht man Piene, Mack und Uecker, sonst nichts.“Die Chefin der Zero-Stiftung, Barbara Könches, bestätigt: „Unser Archiv sammelt alles rund um die Zero-Bewegung. Hauptaugen­merk liegt selbstvers­tändlich auf den Gründern Mack, Piene, Uecker. Unsere personelle wie finanziell­e Ausstattun­g erlaubt es nicht, umfangreic­he Nachlässe aufzunehme­n oder zu bearbeiten.“

Wie aber kommt das Stadtmuseu­m mit einem Ankaufseta­t von 40.000 Euro zum Remmert-und-Barth-Archiv? Die Antwort gibt Kulturdeze­rnent HansGeorg Lohe: „Die Finanzieru­ng stemmten Bezirksreg­ierung, Lauterbach-Stiftung, Landschaft­sverband Rheinland sowie die Stadt, letztere mit 106.000 Euro. Das Stadtmuseu­m steuert die Etats von 2020 und 2021 bei, das sind 80.000 Euro.“Will heißen: Drittmitte­l sind wichtig. Man muss sie nur wollen.

Museumsche­fs dürfen durchaus auch clever sein. So vermacht der Undergroun­d-Filmer John Waters seine berühmte Kunstsamml­ung mit Werken von Warhol und Twombly dem Baltimore Museum und erhält dafür drei Schilder, indem zwei Toiletten und eine Rotunde nach ihm genannt werden.

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FOTO: H.-J. BAUER Johanna Ey in einer Grafik von Arthur Kaufmann der Galerie Remmert & Barth.
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