Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
REPORTAGE
Wenn das Gros der Solinger noch schläft, sind die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe längst hellwach.
Frühaufsteher bei den Verkehrsbetrieben.
Gegen sechs Uhr ist Dirk Sept längst auf Betriebstemperatur. Gemeinsam mit Ulrich Schmidt, der ebenfalls im Fahrdienst des Verkehrsbetriebs der Stadtwerke tätig ist, und einigen anderen Kollegen scherzt der Familienvater munter. „Ich will gar nichts anderes mehr machen als Frühschicht“, sagt er. „Der Körper hat sich ja auch längst dran gewöhnt. Man hat etwas von der Familie und vom Tag.“Seit 1999 ist er beim Verkehrsbetrieb, seit 17 Jahren immer im Frühdienst.
Schmidt, selbst seit 1989 im Betrieb, unterstreicht die Aussagen des Kollegen. Er hat selbst viele Jahre nur Frühschicht gemacht. „Morgens sind die Kunden meist ruhig“, sagt Schmidt – anders als die zumeist äußerst munteren Beschäftigten auf dem Betriebshof, die jetzt schon da sind. „Nur sonntagmorgens“, weiß Schmidt, „wenn man beispielsweise die erste Tour am Hauptbahnhof hat, wenn die Züge aus Köln oder Düsseldorf wiederkommen, dann hat man mit den Gästen schon mal ein bisschen Spaß.“Das meint er positiv, nicht aus negativen Erfahrungen heraus: Die meisten, die früh morgens da sind, lieben genau diese Zeit am Tag.
Dabei ist um sechs Uhr – während Sept und Co. im Aufenthaltsraum entweder auf Notfalleinsätze als einer von täglich vier Reservefahrern oder den normalen Dienstbeginn warten – auf der Weidenstraße 10 schon wieder Ruhe eingekehrt: Denn dann, wenn die Sonne allmählich die Dunkelheit aufbricht, sind die meisten Busse und Fahrer längst im Einsatz.
Richtige Betriebsamkeit herrscht anderthalb Stunden zuvor. Um 4.11 Uhr verlässt der erste Bus seinen „Schlafplatz“: Bis kurz vor fünf Uhr sind es 19 Busse, die das Gelände verlassen, in der folgenden Stunde dann gar 42. Es geht Schlag auf Schlag: Kollegen begrüßen, Fahrerkarte mit der Route schnappen, auf dem entsprechenden Bildschirm den einzusetzenden Bus erspähen, den Arbeitsplatz auf dem großen Gelände ausfindig machen, auf Verkehrstauglichkeit und Sicherheit prüfen – und los geht’s. Insbesondere zwischen 4.30 und 5.30 Uhr herrscht hohes Personenaufkommen rund ums zentrale Gebäude.
Jetzt macht sich auch Ioannis Zachopoulos auf den Weg. Er bedient heute die Linie 683 Richtung Vohwinkel, wie seine Fahrerkarte ausweist: Die schnappt er sich, loggt sich pünktlich in einem Terminal ein – die Reservefahrer können also durchatmen – und marschiert Richtung Fahrzeug. „Stellplatz 957“, sagt er nach dem Blick auf einen Monitor: Wo das ist, weiß er auswendig. Seit elf Jahren ist er im Fahrdienst: „Seit sieben Jahren arbeite ich auch so früh. Mit dem Beginn um vier Uhr kann ich leben.“
Am Fahrzeug angekommen, öffnet Zachopoulos die Türe. Der Ablauf ist Routine: Einschalten, einen von vielen Knöpfen auf Oberleitung stellen (“um Saft zu geben“), das Licht einschalten. „Besonders gerne fahre ich den BOB“, sagt er: „Das Fahrverhalten ist modern, und im Gegensatz zu den älteren O-Bussen ist die Kraft immer gleichbleibend, ob die Oberleitung mal ausfällt oder nicht.“Weiter im Ablauf: Das Modul für den Ticketverkauf einsetzen, den Umlauf eingeben – eine fünfstellige Nummer weist dem Bordcomputer Umlauf und Route zu –, Licht und Warnblinklicht testen, dann das Fahrzeug außen kontrollieren. „Die Kunden morgens“, sagt Zachopoulos, „sind ruhig. Die sind froh, wenn sie zur Arbeit kommen.“
Dann beginnt der Kontrollrundgang ums Fahrzeug mit Taschenlampe: Reifen, Bolzen, Luftdruck, unbemerkte Lackschäden, ein Blick zu Schleifkohle und -schuh beim Stromabnehmer, die Türen zum Einstieg der Fahrgäste: Diesmal ist alles in Ordnung, auch die Kontrolle innen verläuft nach Wunsch. „Letzte Woche fehlten wirklich mal zwei Bolzen bei einem Reifen. Das habe ich aber zum ersten Mal in elf Jahren erlebt“, sagt er und fährt vom Betriebshof.
Hätte Zachopoulos etwas entdeckt, hätte er sofort Michael Urbahn kontaktiert, der an diesem Morgen vorne in der Zentrale sitzt. Er ist vom Betriebshofdienst und kümmert sich „um alle Probleme, die die Fahrer so haben“. Zum Beispiel: „Die Fahrer melden uns hier in der Leitstelle vom Platz, wenn es ein Problem gibt. Dann schauen wir mit der Werkstatt erstmal, ob man es gelöst bekommt oder ob ein Ersatzfahrzeug her muss.“Aus diesem Grund gehen die Fahrer – je nach Typ – zehn bis 20 Minuten, bevor sie den Betriebshof laut Fahrerkarte verlassen müssen, zum Bus und beginnen ihre Kontrolle. Urbahn sitzt bereits seit 4 Uhr vor Bildschirmen und am Telefon. Ein Kollege vom Fahrdienst ist noch nicht erschienen, wie der Computer ausweist. Daher schnappt sich Urbahn die entsprechende Karte und marschiert zu einem der Reservefahrer. „Ich finde es so früh morgens sehr angenehm“, sagt Urbahn.
Die Leitstelle ist rund um die Uhr im Einsatz. Ab 3.30 Uhr nimmt das anwesende Personal stetig zu. Spät abends hat die Werkstatt bereits alle Fahrzeuge gecheckt und für den Folgetag eingeteilt. In den Stoßzeiten zu Schulbeginn und -ende sind noch einmal 22 Extra-Fahrzeuge draußen. 92 sind es in der Spitze zeitgleich auf der Straße, mit denen die weit über 200 Fahrer Solingen mobil machen: Frühaufsteher wie Sept, Zachopoulos, Urbahn und Co. sind dann schon einige Stunden im Einsatz. Etwas anderes vorstellen können sie sich nicht. Sept: „Der Kollegenkreis am Morgen, überhaupt der Arbeitgeber hier: Etwas Besseres kann ich mir nicht vorstellen.“
„Nur sonntagmorgens, wenn man beispielsweise die erste Tour am Hauptbahnhof hat, wenn die Züge aus Köln oder Düsseldorf wiederkommen – dann hat man mit den Gästen schon mal ein bisschen Spaß“
Ulrich Schmidt
Busfahrer