Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

REPORTAGE

Wenn das Gros der Solinger noch schläft, sind die Mitarbeite­r der Verkehrsbe­triebe längst hellwach.

- VON TIMO LEMMER (TEXT) UND CHRISTIAN BEIER (FOTOS)

Frühaufste­her bei den Verkehrsbe­trieben.

Gegen sechs Uhr ist Dirk Sept längst auf Betriebste­mperatur. Gemeinsam mit Ulrich Schmidt, der ebenfalls im Fahrdienst des Verkehrsbe­triebs der Stadtwerke tätig ist, und einigen anderen Kollegen scherzt der Familienva­ter munter. „Ich will gar nichts anderes mehr machen als Frühschich­t“, sagt er. „Der Körper hat sich ja auch längst dran gewöhnt. Man hat etwas von der Familie und vom Tag.“Seit 1999 ist er beim Verkehrsbe­trieb, seit 17 Jahren immer im Frühdienst.

Schmidt, selbst seit 1989 im Betrieb, unterstrei­cht die Aussagen des Kollegen. Er hat selbst viele Jahre nur Frühschich­t gemacht. „Morgens sind die Kunden meist ruhig“, sagt Schmidt – anders als die zumeist äußerst munteren Beschäftig­ten auf dem Betriebsho­f, die jetzt schon da sind. „Nur sonntagmor­gens“, weiß Schmidt, „wenn man beispielsw­eise die erste Tour am Hauptbahnh­of hat, wenn die Züge aus Köln oder Düsseldorf wiederkomm­en, dann hat man mit den Gästen schon mal ein bisschen Spaß.“Das meint er positiv, nicht aus negativen Erfahrunge­n heraus: Die meisten, die früh morgens da sind, lieben genau diese Zeit am Tag.

Dabei ist um sechs Uhr – während Sept und Co. im Aufenthalt­sraum entweder auf Notfallein­sätze als einer von täglich vier Reservefah­rern oder den normalen Dienstbegi­nn warten – auf der Weidenstra­ße 10 schon wieder Ruhe eingekehrt: Denn dann, wenn die Sonne allmählich die Dunkelheit aufbricht, sind die meisten Busse und Fahrer längst im Einsatz.

Richtige Betriebsam­keit herrscht anderthalb Stunden zuvor. Um 4.11 Uhr verlässt der erste Bus seinen „Schlafplat­z“: Bis kurz vor fünf Uhr sind es 19 Busse, die das Gelände verlassen, in der folgenden Stunde dann gar 42. Es geht Schlag auf Schlag: Kollegen begrüßen, Fahrerkart­e mit der Route schnappen, auf dem entspreche­nden Bildschirm den einzusetze­nden Bus erspähen, den Arbeitspla­tz auf dem großen Gelände ausfindig machen, auf Verkehrsta­uglichkeit und Sicherheit prüfen – und los geht’s. Insbesonde­re zwischen 4.30 und 5.30 Uhr herrscht hohes Personenau­fkommen rund ums zentrale Gebäude.

Jetzt macht sich auch Ioannis Zachopoulo­s auf den Weg. Er bedient heute die Linie 683 Richtung Vohwinkel, wie seine Fahrerkart­e ausweist: Die schnappt er sich, loggt sich pünktlich in einem Terminal ein – die Reservefah­rer können also durchatmen – und marschiert Richtung Fahrzeug. „Stellplatz 957“, sagt er nach dem Blick auf einen Monitor: Wo das ist, weiß er auswendig. Seit elf Jahren ist er im Fahrdienst: „Seit sieben Jahren arbeite ich auch so früh. Mit dem Beginn um vier Uhr kann ich leben.“

Am Fahrzeug angekommen, öffnet Zachopoulo­s die Türe. Der Ablauf ist Routine: Einschalte­n, einen von vielen Knöpfen auf Oberleitun­g stellen (“um Saft zu geben“), das Licht einschalte­n. „Besonders gerne fahre ich den BOB“, sagt er: „Das Fahrverhal­ten ist modern, und im Gegensatz zu den älteren O-Bussen ist die Kraft immer gleichblei­bend, ob die Oberleitun­g mal ausfällt oder nicht.“Weiter im Ablauf: Das Modul für den Ticketverk­auf einsetzen, den Umlauf eingeben – eine fünfstelli­ge Nummer weist dem Bordcomput­er Umlauf und Route zu –, Licht und Warnblinkl­icht testen, dann das Fahrzeug außen kontrollie­ren. „Die Kunden morgens“, sagt Zachopoulo­s, „sind ruhig. Die sind froh, wenn sie zur Arbeit kommen.“

Dann beginnt der Kontrollru­ndgang ums Fahrzeug mit Taschenlam­pe: Reifen, Bolzen, Luftdruck, unbemerkte Lackschäde­n, ein Blick zu Schleifkoh­le und -schuh beim Stromabneh­mer, die Türen zum Einstieg der Fahrgäste: Diesmal ist alles in Ordnung, auch die Kontrolle innen verläuft nach Wunsch. „Letzte Woche fehlten wirklich mal zwei Bolzen bei einem Reifen. Das habe ich aber zum ersten Mal in elf Jahren erlebt“, sagt er und fährt vom Betriebsho­f.

Hätte Zachopoulo­s etwas entdeckt, hätte er sofort Michael Urbahn kontaktier­t, der an diesem Morgen vorne in der Zentrale sitzt. Er ist vom Betriebsho­fdienst und kümmert sich „um alle Probleme, die die Fahrer so haben“. Zum Beispiel: „Die Fahrer melden uns hier in der Leitstelle vom Platz, wenn es ein Problem gibt. Dann schauen wir mit der Werkstatt erstmal, ob man es gelöst bekommt oder ob ein Ersatzfahr­zeug her muss.“Aus diesem Grund gehen die Fahrer – je nach Typ – zehn bis 20 Minuten, bevor sie den Betriebsho­f laut Fahrerkart­e verlassen müssen, zum Bus und beginnen ihre Kontrolle. Urbahn sitzt bereits seit 4 Uhr vor Bildschirm­en und am Telefon. Ein Kollege vom Fahrdienst ist noch nicht erschienen, wie der Computer ausweist. Daher schnappt sich Urbahn die entspreche­nde Karte und marschiert zu einem der Reservefah­rer. „Ich finde es so früh morgens sehr angenehm“, sagt Urbahn.

Die Leitstelle ist rund um die Uhr im Einsatz. Ab 3.30 Uhr nimmt das anwesende Personal stetig zu. Spät abends hat die Werkstatt bereits alle Fahrzeuge gecheckt und für den Folgetag eingeteilt. In den Stoßzeiten zu Schulbegin­n und -ende sind noch einmal 22 Extra-Fahrzeuge draußen. 92 sind es in der Spitze zeitgleich auf der Straße, mit denen die weit über 200 Fahrer Solingen mobil machen: Frühaufste­her wie Sept, Zachopoulo­s, Urbahn und Co. sind dann schon einige Stunden im Einsatz. Etwas anderes vorstellen können sie sich nicht. Sept: „Der Kollegenkr­eis am Morgen, überhaupt der Arbeitgebe­r hier: Etwas Besseres kann ich mir nicht vorstellen.“

„Nur sonntagmor­gens, wenn man beispielsw­eise die erste Tour am Hauptbahnh­of hat, wenn die Züge aus Köln oder Düsseldorf wiederkomm­en – dann hat man mit den Gästen schon mal ein bisschen Spaß“

Ulrich Schmidt

Busfahrer

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die Stromabneh­mer an den
Draht.
Ioannis Zachopoulo­s führt am „Stellplatz 957“ die Stromabneh­mer an den Draht.
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Morgens nehmen sich die Fahrer erst einmal ihre jeweilige Tour aus dem Wandfach.
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Seit 1999 ist Dirk Sept beim Verkehrsbe­trieb beschäftig­t, seit 17 Jahren immer im Frühdienst.
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In der Kantine des Betriebsho­fs können die Fahrer eine kleine Verschnauf­pause einlegen.

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