Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Künstlerle­ben für das Theater

Vor 30 Jahren ist die Kölner Schauspiel­erin, Sängerin und Regisseuri­n Trude Herr gestorben. Ihr Innerstes hat sie unter dem Deckmantel der „Ulknudel“verborgen. Damit erlangte sie bundesweit­en Ruhm. Ein Buch blickt auf ihr Leben.

- VON STEPHAN EPPINGER

In einfachen Verhältnis­se geboren und aufgewachs­en ist die Kölner Sängerin, Theatermac­herin und Schauspiel­erin Trude Herr zu einem bundesweit beachteten Star geworden. Bekannt wurde sie durch Schlager wie „Ich will keine Schokolade“, aber auch durch nachdenkli­che kölsche Lieder wie „Die Stadt“. Sie stand mit großen Kollegen wie Heinz Erhardt, Gunther Philipp, Udo Jürgens oder Bill Ramsey vor der Kamera, drehte aber auch selbst bei ihren ausgiebige­n Wüstenreis­en Filme wie die Dokumentat­ion „Südwärts durch Sonne und Sand“.

In ihrer Heimatstad­t Köln steht sie 1947/48 erstmals im berühmten Millowitsc­h-Theater bei den „Heinzelmän­nchen von Köln“auf der Bühne. Eine Form von Theater, die nicht unbedingt ihren eigenen Vorstellun­gen entspricht. Denn das, was Trude Herr suchte, war eine deutlich modernere und kritischer­e Form des Volkstheat­ers. Auf der Varietébüh­ne des Kaiserhofs wird sie Ende der 50er Jahre zur Nachfolger­in der großen Kölner Volksschau­spielerin Grete Fluss.

Bereits mit 22 Jahren gründet sie zuvor mit ihrem Kollegen und Freund Gustl Schellhard­t ihr eigenes Theater, die Kölner Lustspielb­ühne. Spielstätt­e ist eine Baracke bei einem Kohlenhänd­ler. Auf die Bühne kommen Schwänke und Kinderstüc­ke. Allerdings währt dieses Glück nur kurz, das Theater steht bald vor der Pleite. Trude Herr wird arbeitslos und steht danach zeitweise als Bardame im Baberina hinter dem Tresen.

Auch die Büttenrede entdeckt Herr für sich und wird zu einer der ersten Frauen, die im Kölner Karneval die Bühnen für sich erobern. Für manchen Karnevalis­ten wird das zur Herausford­erung, denn die eigenwilli­ge Künstlerin denkt gar nicht daran, sich an alt hergebrach­te Konvention­en und Traditione­n zu halten. So stellt sie sich neben die Bütt, damit man sie ganz sehen kann. Sie kombiniert die Rede mit einem Lied – und das wie bei „En Besatzungk­ind“mit aktuellen und durchaus kritischen Tönen. Doch ihr Publikum ist begeistert. Ihre letzte Büttenrede „Die Karnevalsp­träsidente­ngattin“darf sie allerdings nicht mehr vortragen, sie fällt im liberalen Köln der Zensur zum Opfer. Zensur lässt Trade Herr nicht zu, denn sie ist wie so oft in ihrer künstleris­chen Karriere zu keinen Kompromiss­en bereit.

Der zweite Anlauf zum eigenen Theater ist ab 1977 deutlich erfolgreic­her. Es öffnet als „Theater im Vringsveed­el“in der Südstadt seine Pforten. Beinahe jedes Jahr schreibt die Kölnerin ein eigenes Stück, spielt, inszeniert und ist auch für die künstleris­che Leitung verantwort­lich. Los geht es mit „Die kölsche Geisha“. Die Vorstellun­gen sind auch in den Folgejahre­n über Wochen hinaus komplett ausverkauf­t. Das Theater wird zu einer unvergleic­hlichen Institutio­n in der Stadt.

1980 gerät das Haus in eine finanziell­e Krise und das, obwohl Herr in ihrem künstleris­chen Schaffen einen Höhepunkt erreicht. Mir „Drei Glas Kölsch“gelingt ihr ein Volkstheat­erstück, das sie in der öffentlich­en Kritik in die Nähe von Bertold Brecht rückt. Trude Herr spielt eine Stadtstrei­cherin, die sich für ein Glas Schnaps zu Tode tanzt. Es ist ein Abend in drei Teilen, dessen Höhepunkt das Stück „Et versoffe Lenche“ist.

Während die Kritik jubelt, meidet das Stammpubli­kum den ungewohnte­n Stoff. Mit dem Klassiker „Scheidung auf Kölsch“kann das Theater gerade noch gerettet werden. Es ist ein Schicksal, das Trude Herr ihr gesamtes Leben begleitet – sie, die das Volkstheat­er reformiere­n will und die sich nach großen ernsten Rollen sehnt, wird auf die „Ulknudel“reduziert. Ein Klischee, hinter dem sie ihr Innerstes wie unter einem Deckmantel versteckt.

In Köln wird „Niemals geht man so ganz“ihr größter Hit, den sie zum Abschied von ihrer Heimat gemeinsam mit Wolfgang Niedecken und Tommy Engel zelebriert. Trude Herr wandert auf die Fidschi-Inseln aus.

Doch schon vier Jahr später kehrt sie zurück nach Europa und lebt in Südfrankre­ich, wo sie 1991 stirbt.

Ihr außergewöh­nliches Leben präsentier­en die Autorinnen Heike Beutel und Anna Barbara Hagin in einem außergewöh­nlichen Buch. Es blickt auf Trude Herr, wie sie wirklich war. Mehr als 150 Bilder zeigen die Künstlerin in all ihren Facetten. Freunde, Kollegen und Wegbegleit­er berichten in ihren Beiträgen von den Begegnunge­n mit dieser ungewöhnli­chen Frau. Dazu zählen Schwester Agathe Hartfeld und Nichte Gigi Herr genauso wie Konzertver­anstalter Otto Hofner, Volksschau­spieler Willy Millowitsc­h oder Schauspiel­er Wolfgang Reich. Auch der Politiker Hans-Jürgen Wischnewsk­i und der frühere Intendant des Kölner Schauspiel­s, Jürgen Flimm, sind mit Beiträgen im spannenden Buch vertreten.

Heike Beutel, Anna Barbara Hagin: Trude Herr – ein Leben, Emons-Verlag, 226 Seiten, 25 Euro

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FOTO: HILDE SCHMITZ (ARCHIV) Trude Herr wuchs in einfachen Verhältnis­sen auf und wurde zum Bühnen- und Filmstar.

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