Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Dürpelflitzer auf „Schokofahrt“
Eine Wuppertaler Familie holte die Lieferung für das Solinger Süßwarenfachgeschäft „Schokoladenreich“mit dem Lastenfahrrad aus den Niederlanden. Der Kakao kam per Segelschiff aus der Dominikanischen Republik.
Per Lastenfahrrad kommt eine Lieferung für das Solinger Fachgeschäft „Schokoladenreich“emmissionsfrei aus den Niederlanden.
SOLINGEN / WUPPERTAL Wenn Kinder am ersten Schultag nach den Ferien von ihren Erlebnissen berichten, geht es oft um Ausflüge mit Familie und Freunden oder neue Spiele, die man ausprobiert hat. Die siebenjährige Tochter des Wuppertaler Paares Nicole und Bernhard wird ihre Zuhörer dabei womöglich am meisten erstaunen. Schließlich war sie in den Ferien in einer besonderen Mission unterwegs – in Diensten von sauberer Umwelt und fairem Handel.
Dazu schwangen sich die Eltern auf Lasten-Pedelecs – das Exemplar „Fienchen“von der Initiative Fahrradstadt Wuppertal und den Ohligser „Dürpelflitzer“, den die örtliche Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) zum Transport ausleiht. Zum Mitstrampeln für die jüngste Fahrerin fixierten sie dabei einen „Mitläufer“an einem Rad.
So begann an einem frühen Morgen in Wuppertal eine beachtliche Radtour. 182 Kilometer an einem Tag legten Nicole und Bernhard vom Bergischen Land zunächst bis Nordhorn, dem Wohnort von Verwandten, zurück. Die jüngste Tochter und ihr 13 Jahre alter Bruder kürzten die Strecke ein wenig mit der Bahn ab. Die zweite Etappe führte schließlich zum Zielort Haren an der Ems, unweit der niederländischen Grenze.
Dort übernahm das Ehepaar kistenweise Waren, die die Herzen von jung und alt hüpfen lassen: Schokolade für vier Läden aus dem Bergischen Land nahmen die passionierten Radfahrer in einem Lager entgegen. Allein 100 Tafeln – mit Kakao-Anteil zwischen 32 und 92 Prozent – gehen davon in die Ohligser Fußgängerzone. An der Düsseldorfer Straße 32 empfängt Aida Glindmeier Freunde süßer Gaumenfreuden in ihrem „Schokoladenreich“. „Die letzte Lieferung dieser Marke bekam ich im vergangenen Herbst mit dem Lastenrad“, erzählt die Inhaberin. Auch damals hatten sich Nicole und Bernhard auf den Weg gemacht – als ehrenamtliche Unterstützer der Initiative „Schokofahrt“.
Die hat sich dem emissionsfreien Transport der kakaohaltigen Süßwaren verschrieben – und zieht, von Münster ausgehend, immer weitere Kreise. „Inzwischen kommen die Fahrer aus ganz Deutschland und sogar Österreich, um die Schokolade entgegenzunehmen“, erzählt Nicole, deren Familie privat wie beruflich stark aufs Fahrrad setzt. Manche Gruppen seien in Corona-Zeiten als Staffel unterwegs.
Ohne die Pandemie ginge ihre Reise auf den Drahteseln – mit und ohne elektrische Unterstützung – nicht bloß bis zum „Hub“in Grenznähe, sondern direkt bis Amsterdam. Denn dort entsteht die naturbelassene Schokolade in der kleinen Manufaktur der „Chocolate Makers“. Den Kakao bezieht das Unternehmen aus der Dominikanischen Republik, wo er nach Angabe der Initiative „Schokofahrt“„von einer Kooperative unter biologischen Bedingungen angebaut und fair gehandelt“wird.
Den Umweltgedanken nehmen Händler und Hersteller offenbar sehr ernst: So überquert der Rohstoff den Atlantik konsequenterweise mit dem Segelschiff „Tres Hombres“. Und nun, da die Radtransporte nicht schon am Ort der Verarbeitung beginnen, bringt ein Elektroauto, das seinen Strom von einer Solaranlage bezieht, die Schokolade ins Lager.
Auch wenn Nicole und Bernhard mit dem Pedelec unterwegs waren – ein Spaziergang sei die Rückfahrt beileibe nicht, betont das Ehepaar. „Das ist schon sportlich“, stellt Nicole klar. Die Last sei deutlich spürbar, und den Akku habe man auf der Strecke nicht voll nutzen können. „Die Ladung dauert drei Stunden“, erklärt die Wuppertalerin. Ganz ohne Kapriolen ging es auf der Strecke ebenfalls nicht zu. Der Mitläufer brach ab, also brauchte die Familie Ersatzteile. „Handwerkliches Geschick sind auf so einer Fahrt schon gefragt“, betont Nicole.
Insgesamt kamen auf der Schokofahrt der Familie 450 Kilometer an drei Tagen zusammen. In dieser Woche nimmt Aida Glindmeier in Ohligs ihre Bio-Schokolade entgegen. „Damit komme ich über den Sommer“, erzählt die Händlerin, zu deren Sortiment unter anderem auch Pralinen, Fruchtgummi und Liköre gehören. Die nächsten Tafeln der „Chocolate Makers“werden die ehrenamtlichen Fahrrad-Kuriere wohl im September vorbeibringen.
Und was sagt die siebenjährige Tochter zur besonderen Fahrradtour? „Sie ist ganz begeistert“, erzählt Mutter Nicole, „und nimmt mehrere kleine Täfelchen mit in die Schule.“