Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
In Solinger Wäldern verschwinden 50.000 Fichten
Die vorige Woche abgeschlossenen Baumfällungen rund um Müngsten belegen das Ausmaß der Folgen der Trockenheit für den Baumbestand.
SOLINGEN Seit Donnerstag rollt der Verkehr auf der B 229 zwischen Remscheid und Solingen wieder. Die gute Nachricht für die Autofahrer ist zugleich eine Katastrophenmeldung für den Zustand des Solinger Walds. Denn statt auf Nadelgehölz blickt man in Müngsten jetzt auf große Lichtungen – fast zwei Wochen regierte die Kettensäge gnadenlos.
Rund 50.000 Fichten auf Solinger Stadtgebiet sind bisher abgestorben, schätzt Markus Schlösser, Abteilungsleiter Wald und Landschaft im Stadtdienst Natur und Umwelt. Sie müssen alle gefällt werden – oder sind es bereits. Die Wiederaufforstung wird nicht im gleichen Zeitraum von Wochen oder Monaten passieren, sie ist eine Generationenaufgabe.
Finanziellen Profit aus den Fällungen gibt es nicht. Nach Müngsten zieht es die Waldarbeiter noch nach Widdert und zum Pfaffenberg. In Gräfrath war zu Jahresbeginn bereits sehr viel Holz geschlagen worden.
Enrique Pless, Vorsitzender des Beirats der Unteren Naturschutzbehörde, verweist auf weitere abgestorbene Fichten im Bereich Teufelsklippen und an den Wupperhängen westlich von Burg Hohenscheid. Gefällt wurde nach seinen Angaben bisher schwerpunktmäßig in den Bereichen der Hänge an der Sengbachtalsperre, im Bereich Müngsten sowie in der Ohligser Heide und am Wanderparkplatz Schellbergtal.
Zwei extrem trockene Sommer haben den Fichten zugesetzt. Sie bilden normalerweise mit Harz einen Schutz, um sich den Borkenkäfer vom Stamm zu halten. Die Diagnose ist eindeutig: Kein Wasser, kein Harz, viele Käferlarven – und die Fichte stirbt. „Derzeit nimmt die Baumart Fichte am Solinger Wald etwa einen Flächenanteil von zehn Prozent ein, was einer Fläche von 100 Hektar entspricht. Es ist davon auszugehen, dass diese Flächen auch komplett geschädigt sind“, erklärt Markus Schlösser. Bei durchschnittlich 500 Bäumen pro Hektar kommt er auf 50.000 abgestorbene Fichten. Die Fällarbeiten würden unter Berücksichtigung der Brut- und Setzzeiten an den Stellen fortgesetzt, „an denen die abgestorbenen Bäume zur Verkehrsgefahr werden können.“
Die Lichtungen können aber nicht bleiben, wie sie sind. Enrique Pless erklärt, was der Beirat diskutiert hat und jetzt fordert: „Steilhänge im Bereich der Wupper oder der Sengbachtalsperre müssen zur Verhinderung von Erosion wieder mit standortgerechten Laubbäumen aufgeforstet werden. Ansonsten würde sich hier die nicht erwünschte Fichte verjüngen.“Buche und Eiche mit Beimischung von Eberesche und auch Kirsche zählt Pless auf.
Markus Schlösser erklärt, was nun passiert: „Im Anschluss an die Räumung der Flächen wird für jede einzelne Fläche eine Planung für die Wiederaufforstung erstellt.“Es sei zu prüfen, welche Bäume überhaupt für die Aufforstung zu einem gewünschten Mischwald zur Verfügung stünden.
Danach müssten Förderanträge für die Umsetzung gestellt werden. Auf Gewinn aus dem Verkauf der 50.000 toten Fichten hofft er nicht. Im Gegenteil: Bei dem Großteil des Holzes habe bereits eine Entwertung eingesetzt. „Insgesamt decken deshalb die Einnahmen aus dem Verkauf des Holzes derzeit die Aufwendungen nicht.“Das Defizit trage grundsätzlich der Eigentümer – also Stadt und Steuerzahler.
„Für die Wiederbewaldung wird ein Horizont von mindestens fünf Jahren anvisiert“, sagt der Abteilungsleiter. Bis die Bäume dann groß sind, ist mindestens eine Generation vergangen. Pless reicht das so nicht, er sieht die Politik gefordert: „Für all diese Aufgaben – Planung, Ausschreibungen, Stellen von Förderanträgen, Vergabe von Aufträgen – ist eine personelle Aufstockung im Forstbereich ebenso notwendig wie das Einstellen von Eigenmitteln für Förderanträge in die Etats der kommenden Jahre.“