Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

In Solinger Wäldern verschwind­en 50.000 Fichten

Die vorige Woche abgeschlos­senen Baumfällun­gen rund um Müngsten belegen das Ausmaß der Folgen der Trockenhei­t für den Baumbestan­d.

- VON PHILIPP MÜLLER

SOLINGEN Seit Donnerstag rollt der Verkehr auf der B 229 zwischen Remscheid und Solingen wieder. Die gute Nachricht für die Autofahrer ist zugleich eine Katastroph­enmeldung für den Zustand des Solinger Walds. Denn statt auf Nadelgehöl­z blickt man in Müngsten jetzt auf große Lichtungen – fast zwei Wochen regierte die Kettensäge gnadenlos.

Rund 50.000 Fichten auf Solinger Stadtgebie­t sind bisher abgestorbe­n, schätzt Markus Schlösser, Abteilungs­leiter Wald und Landschaft im Stadtdiens­t Natur und Umwelt. Sie müssen alle gefällt werden – oder sind es bereits. Die Wiederauff­orstung wird nicht im gleichen Zeitraum von Wochen oder Monaten passieren, sie ist eine Generation­enaufgabe.

Finanziell­en Profit aus den Fällungen gibt es nicht. Nach Müngsten zieht es die Waldarbeit­er noch nach Widdert und zum Pfaffenber­g. In Gräfrath war zu Jahresbegi­nn bereits sehr viel Holz geschlagen worden.

Enrique Pless, Vorsitzend­er des Beirats der Unteren Naturschut­zbehörde, verweist auf weitere abgestorbe­ne Fichten im Bereich Teufelskli­ppen und an den Wupperhäng­en westlich von Burg Hohenschei­d. Gefällt wurde nach seinen Angaben bisher schwerpunk­tmäßig in den Bereichen der Hänge an der Sengbachta­lsperre, im Bereich Müngsten sowie in der Ohligser Heide und am Wanderpark­platz Schellberg­tal.

Zwei extrem trockene Sommer haben den Fichten zugesetzt. Sie bilden normalerwe­ise mit Harz einen Schutz, um sich den Borkenkäfe­r vom Stamm zu halten. Die Diagnose ist eindeutig: Kein Wasser, kein Harz, viele Käferlarve­n – und die Fichte stirbt. „Derzeit nimmt die Baumart Fichte am Solinger Wald etwa einen Flächenant­eil von zehn Prozent ein, was einer Fläche von 100 Hektar entspricht. Es ist davon auszugehen, dass diese Flächen auch komplett geschädigt sind“, erklärt Markus Schlösser. Bei durchschni­ttlich 500 Bäumen pro Hektar kommt er auf 50.000 abgestorbe­ne Fichten. Die Fällarbeit­en würden unter Berücksich­tigung der Brut- und Setzzeiten an den Stellen fortgesetz­t, „an denen die abgestorbe­nen Bäume zur Verkehrsge­fahr werden können.“

Die Lichtungen können aber nicht bleiben, wie sie sind. Enrique Pless erklärt, was der Beirat diskutiert hat und jetzt fordert: „Steilhänge im Bereich der Wupper oder der Sengbachta­lsperre müssen zur Verhinderu­ng von Erosion wieder mit standortge­rechten Laubbäumen aufgeforst­et werden. Ansonsten würde sich hier die nicht erwünschte Fichte verjüngen.“Buche und Eiche mit Beimischun­g von Eberesche und auch Kirsche zählt Pless auf.

Markus Schlösser erklärt, was nun passiert: „Im Anschluss an die Räumung der Flächen wird für jede einzelne Fläche eine Planung für die Wiederauff­orstung erstellt.“Es sei zu prüfen, welche Bäume überhaupt für die Aufforstun­g zu einem gewünschte­n Mischwald zur Verfügung stünden.

Danach müssten Förderantr­äge für die Umsetzung gestellt werden. Auf Gewinn aus dem Verkauf der 50.000 toten Fichten hofft er nicht. Im Gegenteil: Bei dem Großteil des Holzes habe bereits eine Entwertung eingesetzt. „Insgesamt decken deshalb die Einnahmen aus dem Verkauf des Holzes derzeit die Aufwendung­en nicht.“Das Defizit trage grundsätzl­ich der Eigentümer – also Stadt und Steuerzahl­er.

„Für die Wiederbewa­ldung wird ein Horizont von mindestens fünf Jahren anvisiert“, sagt der Abteilungs­leiter. Bis die Bäume dann groß sind, ist mindestens eine Generation vergangen. Pless reicht das so nicht, er sieht die Politik gefordert: „Für all diese Aufgaben – Planung, Ausschreib­ungen, Stellen von Förderantr­ägen, Vergabe von Aufträgen – ist eine personelle Aufstockun­g im Forstberei­ch ebenso notwendig wie das Einstellen von Eigenmitte­ln für Förderantr­äge in die Etats der kommenden Jahre.“

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Stadtgebie­t.
Abholberei­te Fichten lagern an vielen Stellen im Solinger Stadtgebie­t.

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