Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die Folgen der Pandemie bewältigen
Der CDU-Chef bezieht Stellung zur Lage der Christdemokraten. Er fordert Wohngebiete für Familien.
Herr Heidtmann, im Sommer erwarten Sie mit ihrer Frau ihr zweites Kind. Sie unterrichten als Lehrer an der Nelson-Mandela-Sekundarschule und wirken in Ihrer Freizeit im Stadtrat mit: Warum muten sich seit Anfang März die zusätzliche Belastung zu, im Ehrenamt als Vorsitzender die Remscheider CDU zu führen?
MATHIAS HEIDTMANN Als mir mein Vorgänger Jens Nettekoven im letzten Jahr seinen Rückzug ankündigte, fragte er mich, ob ich mir vorstellen könnte, das Amt zu übernehmen. Das bedeutete natürlich eine große Ehre für mich. Ich war ja schon über 15 Jahre für die CDU aktiv, und das nicht nur in der zweiten oder dritten Reihe. Entscheidend waren aber die langen Gespräche mit meiner Frau Caro, die mich dazu ermutigte, für das Amt zu kandidieren. Ich bin froh und dankbar, dass ich auf die Unterstützung meiner Frau, meiner Familie und meiner Freunde bauen kann, um die unterschiedlichen Aufgaben in der zu Balance halten. Bislang klappt das sehr gut.
Sie treten Ihr Amt in schweren Zeiten für die CDU an. Die Union ist bei Umfragen bundesweit unter 30 Prozent abgesackt. Wie sehr hat dazu die Maskenaffäre beigetragen?
HEIDTMANN In der öffentlichen Wahrnehmung hat dies einen enormen Schaden angerichtet. Menschen, die sich in der Pandemie bereichern, haben in keiner demokratischen Partei etwas suchen, und erst recht nicht in einer christlichen Partei. Ich begrüße den Ehrenkodex, der nun von der CDU-Bundestagsfraktion unterschieben wurde. Auch die Veröffentlichung sämtlicher Nebeneinkünfte der Abgeordneten kann dazu beitragen, Transparenz und Glaubwürdigkeit zu schaffen. Eines ist mir aber auch wichtig: Es handelt sich um ein unentschuldbares Fehlverhalten von einzelnen Politikern. Die meisten treten an, um das Bestmögliche für die Bürger zu erreichen.
Vertrauen haben die Politiker auch beim Kampf gegen die Pandemie verloren. Kanzlerin Merkel entschuldigte sich sogar für das Hin und Her bei der zunächst beschlossenen Osterruhe. Können Sie den wachsenden Unmut verstehen?
HEIDTMANN Zunächst einmal zolle ich der Kanzlerin für ihre Entschuldigung großen Respekt. Politiker sollten auch mal einen Fehler eingestehen dürfen und Beschlüsse ändern, wenn sie nun einmal nicht umsetzbar sind. Es ist angesichts der dritten Welle durch die britische Virusvariante aber auch nicht die Zeit gekommen, weitere Öffnungen vorzunehmen – auch nicht in Remscheid mit den aktuell hohen Infektionszahlen. Dabei weiß ich aus meinem persönlichen Umfeld sehr genau, dass durch die Notbremse die längst schon vorhandenen Existenzängste noch größer werden. Generell muss bei den Corona-Entscheidungen Transparenz herrschen, warum sie getroffen werden. Es müssen klarere Absprachen zwischen Bund und Ländern erfolgen und damit eine klare Umsetzung vor Ort. Für zusätzliche Verwirrung sorgt, dass Ministerpräsidenten eben erst gefasste Beschlüsse umdeuten und dann Sonderwege für ihr Land gehen. Das führte unter anderem immer wieder zu Gerechtigkeitsdebatten, welche Branchen öffnen dürfen oder nicht. All das trägt auch zur sinkenden Zustimmung für die CDU bei, die ja in vielen Ländern und im Bund Verantwortung trägt.
Wie wollen Sie den Trend denn stoppen? Wie soll die CDU wieder glaubwürdiger werden?
HEIDTMANN Ich halte den Weg von unserem CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet für zukunftsweisend, dass sich unsere Mitglieder und auch sonstige Interessierte mit Ideen und Anregungen an unserem Bundestagswahlprogramm beteiligen können. Das ist mir auch in unserem Remscheider Kreisverband wichtig. Nicht nur Funktionäre sollen das Sagen haben, sämtliche Parteifreunde müssen sich bei uns einmischen können - und auch alle, die sich den Werten der CDU verbunden fühlen. Ich werde dafür sorgen, dass sie Gehör finden.
Kommen wir zur Remscheider Ortspolitik: Die CDU befindet sich in der Opposition. Und momentan bietet sich kein Bündnispartner an. SPD, Grüne und FDP haben bis 2025 ihre Zusammenarbeit vereinbart. Wie soll sich denn da die CDU positionieren?
HEIDTMANN Zunächst einmal darf es nicht entscheidend sein, wer einen Antrag stellt, sondern ob es sich um einen guten oder schlechten Antrag handelt. Wir bieten jedenfalls der Gestaltungsmehrheit eine konstruktive Zusammenarbeit an. Die FDP hat sich personell ja neu aufgestellt und ich bin sehr gespannt, wie sich die Ampel-Koalition zum Beispiel beim Wohngebiet Knusthöhe entscheidet. Es gibt da ja unterschiedliche Ansichten, ob es erschlossen werden soll oder nicht.
Welche Herausforderungen sehen Sie denn in ihrer zweijährigen Amtszeit als CDU-Chef auf Remscheid zukommen?
HEIDTMANN Wir müssen vor allem die Folgen der Pandemie bewältigen – so dass Remscheid möglichst gestärkt aus der Krise herauskommt. Corona hat ja große Defizite ans Licht gebracht. Ein Stichwort ist dabei unter anderem die fehlende Digitalisierung an den Schulen. Da herrscht großer Handlungsbedarf. Aber auch Sofortmaßnahmen können helfen, etwa Gaststätten unbürokratisch mehr Platz für ihre Außengastronomie einzuräumen, wenn dies wieder möglich ist. Besonders am Herzen liegt mir, dass wir für junge Familien dringend Baugrundstücke erschließen müssen. Nachbarstädte wie Radevormwald sind da schon deutlich weiter. So würde es uns auch gelingen, dringend benötigte Fachkräfte für unsere Wirtschaft in der Stadt zu halten oder in die Stadt zu holen. Neben diesem Aspekt müssen wir eine Lösung für den Platzbedarf unserer Unternehmen in Remscheid finden.
Und: Glauben Sie noch an den Bau des Outlet-Centers?
HEIDTMANN Ich glaube daran, und ich hoffe auch weiterhin, dass es entsteht. Die Entscheidung liegt aber bei den Gerichten und dabei war das Urteil in Münster ganz sicher ein Rückschlag. Immerhin hat der Investor erst vor einigen Tagen noch einmal versichert, dass er hinter dem Projekt steht.
Könnten Sie sich vorstellen, einmal Remscheids Oberbürgermeister oder ein Abgeordneter in Landoder Bundestag zu sein?
HEIDTMANN Vorstellen kann ich mir einiges. Aber die Frage stellt sich nicht: Wir haben mit Jürgen Hardt einen hervorragenden Bundestagsabgeordneten und mit Jens Nettekoven einen hervorragenden Landtagsabgeordneten. Und auch der OB-Posten ist in den nächsten fünf Jahren besetzt. Außerdem bin ich gerne Lehrer und würde Schule und die Kinder sehr vermissen. Zusätzlich macht mir eben das kommunalpolitische Ehrenamt Spaß, weil ich in dieser Funktion auch für kommende Generationen in Remscheid etwas bewegen will.