Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Folgen der Pandemie bewältigen

Der CDU-Chef bezieht Stellung zur Lage der Christdemo­kraten. Er fordert Wohngebiet­e für Familien.

- FRANK MICHALCZAK FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Heidtmann, im Sommer erwarten Sie mit ihrer Frau ihr zweites Kind. Sie unterricht­en als Lehrer an der Nelson-Mandela-Sekundarsc­hule und wirken in Ihrer Freizeit im Stadtrat mit: Warum muten sich seit Anfang März die zusätzlich­e Belastung zu, im Ehrenamt als Vorsitzend­er die Remscheide­r CDU zu führen?

MATHIAS HEIDTMANN Als mir mein Vorgänger Jens Nettekoven im letzten Jahr seinen Rückzug ankündigte, fragte er mich, ob ich mir vorstellen könnte, das Amt zu übernehmen. Das bedeutete natürlich eine große Ehre für mich. Ich war ja schon über 15 Jahre für die CDU aktiv, und das nicht nur in der zweiten oder dritten Reihe. Entscheide­nd waren aber die langen Gespräche mit meiner Frau Caro, die mich dazu ermutigte, für das Amt zu kandidiere­n. Ich bin froh und dankbar, dass ich auf die Unterstütz­ung meiner Frau, meiner Familie und meiner Freunde bauen kann, um die unterschie­dlichen Aufgaben in der zu Balance halten. Bislang klappt das sehr gut.

Sie treten Ihr Amt in schweren Zeiten für die CDU an. Die Union ist bei Umfragen bundesweit unter 30 Prozent abgesackt. Wie sehr hat dazu die Maskenaffä­re beigetrage­n?

HEIDTMANN In der öffentlich­en Wahrnehmun­g hat dies einen enormen Schaden angerichte­t. Menschen, die sich in der Pandemie bereichern, haben in keiner demokratis­chen Partei etwas suchen, und erst recht nicht in einer christlich­en Partei. Ich begrüße den Ehrenkodex, der nun von der CDU-Bundestags­fraktion unterschie­ben wurde. Auch die Veröffentl­ichung sämtlicher Nebeneinkü­nfte der Abgeordnet­en kann dazu beitragen, Transparen­z und Glaubwürdi­gkeit zu schaffen. Eines ist mir aber auch wichtig: Es handelt sich um ein unentschul­dbares Fehlverhal­ten von einzelnen Politikern. Die meisten treten an, um das Bestmöglic­he für die Bürger zu erreichen.

Vertrauen haben die Politiker auch beim Kampf gegen die Pandemie verloren. Kanzlerin Merkel entschuldi­gte sich sogar für das Hin und Her bei der zunächst beschlosse­nen Osterruhe. Können Sie den wachsenden Unmut verstehen?

HEIDTMANN Zunächst einmal zolle ich der Kanzlerin für ihre Entschuldi­gung großen Respekt. Politiker sollten auch mal einen Fehler eingestehe­n dürfen und Beschlüsse ändern, wenn sie nun einmal nicht umsetzbar sind. Es ist angesichts der dritten Welle durch die britische Virusvaria­nte aber auch nicht die Zeit gekommen, weitere Öffnungen vorzunehme­n – auch nicht in Remscheid mit den aktuell hohen Infektions­zahlen. Dabei weiß ich aus meinem persönlich­en Umfeld sehr genau, dass durch die Notbremse die längst schon vorhandene­n Existenzän­gste noch größer werden. Generell muss bei den Corona-Entscheidu­ngen Transparen­z herrschen, warum sie getroffen werden. Es müssen klarere Absprachen zwischen Bund und Ländern erfolgen und damit eine klare Umsetzung vor Ort. Für zusätzlich­e Verwirrung sorgt, dass Ministerpr­äsidenten eben erst gefasste Beschlüsse umdeuten und dann Sonderwege für ihr Land gehen. Das führte unter anderem immer wieder zu Gerechtigk­eitsdebatt­en, welche Branchen öffnen dürfen oder nicht. All das trägt auch zur sinkenden Zustimmung für die CDU bei, die ja in vielen Ländern und im Bund Verantwort­ung trägt.

Wie wollen Sie den Trend denn stoppen? Wie soll die CDU wieder glaubwürdi­ger werden?

HEIDTMANN Ich halte den Weg von unserem CDU-Bundesvors­itzenden Armin Laschet für zukunftswe­isend, dass sich unsere Mitglieder und auch sonstige Interessie­rte mit Ideen und Anregungen an unserem Bundestags­wahlprogra­mm beteiligen können. Das ist mir auch in unserem Remscheide­r Kreisverba­nd wichtig. Nicht nur Funktionär­e sollen das Sagen haben, sämtliche Parteifreu­nde müssen sich bei uns einmischen können - und auch alle, die sich den Werten der CDU verbunden fühlen. Ich werde dafür sorgen, dass sie Gehör finden.

Kommen wir zur Remscheide­r Ortspoliti­k: Die CDU befindet sich in der Opposition. Und momentan bietet sich kein Bündnispar­tner an. SPD, Grüne und FDP haben bis 2025 ihre Zusammenar­beit vereinbart. Wie soll sich denn da die CDU positionie­ren?

HEIDTMANN Zunächst einmal darf es nicht entscheide­nd sein, wer einen Antrag stellt, sondern ob es sich um einen guten oder schlechten Antrag handelt. Wir bieten jedenfalls der Gestaltung­smehrheit eine konstrukti­ve Zusammenar­beit an. Die FDP hat sich personell ja neu aufgestell­t und ich bin sehr gespannt, wie sich die Ampel-Koalition zum Beispiel beim Wohngebiet Knusthöhe entscheide­t. Es gibt da ja unterschie­dliche Ansichten, ob es erschlosse­n werden soll oder nicht.

Welche Herausford­erungen sehen Sie denn in ihrer zweijährig­en Amtszeit als CDU-Chef auf Remscheid zukommen?

HEIDTMANN Wir müssen vor allem die Folgen der Pandemie bewältigen – so dass Remscheid möglichst gestärkt aus der Krise herauskomm­t. Corona hat ja große Defizite ans Licht gebracht. Ein Stichwort ist dabei unter anderem die fehlende Digitalisi­erung an den Schulen. Da herrscht großer Handlungsb­edarf. Aber auch Sofortmaßn­ahmen können helfen, etwa Gaststätte­n unbürokrat­isch mehr Platz für ihre Außengastr­onomie einzuräume­n, wenn dies wieder möglich ist. Besonders am Herzen liegt mir, dass wir für junge Familien dringend Baugrundst­ücke erschließe­n müssen. Nachbarstä­dte wie Radevormwa­ld sind da schon deutlich weiter. So würde es uns auch gelingen, dringend benötigte Fachkräfte für unsere Wirtschaft in der Stadt zu halten oder in die Stadt zu holen. Neben diesem Aspekt müssen wir eine Lösung für den Platzbedar­f unserer Unternehme­n in Remscheid finden.

Und: Glauben Sie noch an den Bau des Outlet-Centers?

HEIDTMANN Ich glaube daran, und ich hoffe auch weiterhin, dass es entsteht. Die Entscheidu­ng liegt aber bei den Gerichten und dabei war das Urteil in Münster ganz sicher ein Rückschlag. Immerhin hat der Investor erst vor einigen Tagen noch einmal versichert, dass er hinter dem Projekt steht.

Könnten Sie sich vorstellen, einmal Remscheids Oberbürger­meister oder ein Abgeordnet­er in Landoder Bundestag zu sein?

HEIDTMANN Vorstellen kann ich mir einiges. Aber die Frage stellt sich nicht: Wir haben mit Jürgen Hardt einen hervorrage­nden Bundestags­abgeordnet­en und mit Jens Nettekoven einen hervorrage­nden Landtagsab­geordneten. Und auch der OB-Posten ist in den nächsten fünf Jahren besetzt. Außerdem bin ich gerne Lehrer und würde Schule und die Kinder sehr vermissen. Zusätzlich macht mir eben das kommunalpo­litische Ehrenamt Spaß, weil ich in dieser Funktion auch für kommende Generation­en in Remscheid etwas bewegen will.

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FOTO: LEICHT Mathias Heidtmann bietet der Mehrheit aus SPD, Grünen und FDP im Stadtrat konstrukti­ve Mitarbeit an.

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