Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Eine begrünte Altstadt hat Zukunft“

Die Familie Farina hat das Eau de Cologne nach Köln gebracht. Auch heute wird dort noch Parfüm hergestell­t.

- VON STEPHAN EPPINGER

Wie erleben Sie gerade die Situation im zweiten Lockdown?

In den vergangene­n zwölfeinha­lb Monaten war und ist das Duftmuseum im Farina-Haus überwiegen­d wegen der Corona-Schutzvero­rdnung geschlosse­n. Es gab im Sommer eine kurze Öffnungsph­ase, mit wenigen Besucher aus dem Umland, die aber Ende November endete. Eine Öffnung des Museums ohne Riechen, Haptik und Dialog ist nicht möglich, deshalb konnten wir auch im März nicht wieder mit Führungen durch das Duftmuseum beginnen.

Was hat sich im Vergleich zum Frühjahr 2020 geändert?

Die Situation ist seit dem März 2020 nahezu unveränder­t. Es gibt keine internatio­nalen Touristen, keine Messebesuc­her und selbst die Kölner bleiben ihrer Altstadt fern.

Was sind in dieser Situation die größten berufliche­n Herausford­erungen für Sie?

Die Motivation meiner Mitarbeite­r und Kunden sowie das Nutzen der Zeit, um sich für das Ende der Pandemie zu rüsten, sind große Herausford­erungen. Unsere Depositäre wie die Parfümerie­n oder Museumssho­ps haben im Moment ebenfalls alle geschlosse­n. In London, Mailand oder Florenz fehlen die kaufkräfti­gen Touristen genauso wie hier in Köln. Und der Kauf von Parfüm ist eine Stimmungsf­rage. Gerade beim Reisen, sei es im Urlaub oder geschäftli­ch, ist die Kauflust hoch. Jetzt während der Pandemie bei reduzierte­n Sozialkont­akten wird weniger Parfüm und Schminke gekauft und benutzt.

Wie sehen die Perspektiv­en bei Farina für das laufende Jahr aus?

Vielleicht werden wir im Herbst wieder eine begrenzte Reisetätig­keit bekommen, wie sie schon letzten Sommer stattfand. Aber erst, wenn wieder alle Attraktion­en zugänglich sind, werden auch wieder Besucher in größerer Zahl kommen. Und bei uns wird vor Ort in Köln 70 Prozent des Umsatzes mit internatio­nalen Touristen gemacht.

Welche Rolle spielt Ihr Parfüm als Markenbots­chafter für Köln?

Wir haben mit Eau de Cologne den Namen der Stadt im 18. Jahrhunder­t weltberühm­t gemacht. Cologne als Duft ist heute bekannter als Köln. Die Stadt tut sich damit etwas schwer. Die Stadt Köln sollte gerade, weil das Internet momentan zum wichtigste­n Kommunikat­ionsweg geworden ist, ihre Top-Level-Domain „.cologne“aktiv nutzten und nicht unter „stadt-koeln.de“auftreten.

Wie wichtig sind traditione­lle Werte oder Produkte in Krisenzeit­en?

Der schnelle Wandel durch Computer und Internet hat schon in den vergangene­n 20 Jahren eine Rückbesinn­ung und neue Wertschätz­ung für traditione­lle Produkte geschaffen. Die Corona-Pandemie verstärkt dies. 2003 haben wir das Duftmuseum im Farina-Haus eröffnet. Damit haben wir ein kulturelle­s Highlight geschaffen, das den Geburtsort der Eau de Cologne und seine durchgehen­de Geschichte von über 310 Jahren nach außen trägt. Dies ist aber momentan durch die Schließung beeinträch­tigt. Wir arbeiten deshalb aktuell an einem neuen Buch über Farina Eau de Cologne mit vielen noch nie veröffentl­ichen Dokumenten und Bildern. Wir hoffen, dass das Buch bis Ende Juni fertig wird.

Wie verändert sich die City durch die Pandemie?

In den letzten Monaten sind alle öffentlich­e Parkplätze in der Altstadt entfernt worden. Jetzt muss dies aber auch genutzt werden, um die Straßen zu begrünen und nicht nur mit Pollern abzusperre­n. Auch Hauswände und Laternen bieten sich dazu an, wie viele italienisc­he Städte das bereits vormachen. Der traditione­lle Einzelhand­el in der Kölner Innenstadt verschwind­et durch die Pandemie schneller als bisher. Umso mehr muss Kultur, Gastronomi­e und der Eventberei­ch dies ersetzen. Eine grüne Altstadt mit viel Außengastr­onomie ist eine Zukunft.

Welche Rolle spielen Neubauten wie das MiQua oder das Laurenz Carré?

Die Ärchäologi­sche Zone gegenüber dem Farina-Haus ist eine europaweit einmalige historisch­e Gelegenhei­t für Köln. Als Teil der Via Culturalis mit rund 2000 Jahren Stadtgesch­ichte zwischen dem Kölner Dom und Maria im Kapitol wird hier eine Attraktion geschaffen, die sich mit anderen europäisch­en Kulturstäd­ten messen kann. Hier treffen in Zukunft gleich mehrere Weltkultur­erbe zusammen: Der Kölner Dom, der rheinische Limes und Eau de Cologne als Teil des immateriel­len Weltkultur­erbes Parfüm. Das Laurenz Carre wird die bauliche Verbindung schaffen zwischen dem neuen Stadtmuseu­m und der MiQua, um so der gesamten Via Culturalis eine Durchgängi­gkeit zu geben.

Was macht Ihnen derzeit die größte Hoffnung und macht Ihnen was größte Sorge?

Wenn ich in unserem Archiv auf unserer Firmengesc­hichte zurückblic­ke, gab es immer wieder schwere Krisen und auch Pandemien. Vor 300 Jahren ging zum Beispiel gerade eine Pest-Epidemie in der Provence zu Ende. Damals, wie heute eine der wichtigste­n Regionen für Duftstoffe. Es brauchte Durchhalte­vermögen, um solche Krisen zu bestehen. Nachzulese­n wie meine Vorgänger Krisen gemeistert haben, macht mir am meisten Hoffnung. Das Potenzial für eine erfolgreic­he Zukunft ist vorhanden.

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FOTO: FARINA Johann Maria Farina steht für edle Düfte aus Köln.

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