Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Beim RTV passiert unglaublic­h viel“

Der Judoka fiebert Olympia in Tokio entgegen – und Einsätzen für den Remscheide­r TV in der Zweiten Liga.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE PETER KUHLENDAHL

Interview mit dem Judoka über die Olympische­n Spiele in Tokio und Einsätze für den Remscheide­r TV in der Zweiten Liga.

Sie waren in den vergangene­n Tagen und Wochen mit der Judo-Nationalma­nnschaft unterwegs. Aber es kam alles anders, als erwartet. Was ist passiert?

JOHANNES FREY Wir wollten in der georgische­n Hauptstadt Tiflis an einem Grand-Slam-Turnier teilnehmen. Im Trainingsc­amp vor Ort hat uns dann das Coronaviru­s erwischt. Das Turnier mussten wir natürlich absagen. Ebenso die Weiterreis­e in die Türkei. Dort sollte ein weiterer Grand Slam stattfinde­n.

Wie ist es Ihnen persönlich ergangenen?

FREY Ich hatte mich auch angesteckt, hatte zum Glück aber nur leichte Symptome. Allerdings war eine zehntägige Quarantäne in einem georgische­n Hotelzimme­r keine Spaßverans­taltung.

Seit wenigen Tagen sind Sie wieder in der Heimat, längst negativ getestet und können Ihrem normalen Alltag nachgehen. Dies ist bei Ihrem Bruder Karl-Richard, der ebenfalls zum Nationalte­am gehört, noch anders. Warum?

FREY Mein Bruder ist bei der Bundeswehr. Die Verantwort­lichen dort haben entschiede­n, dass er in eine weitere zehntägige Quarantäne muss. Ich mache eine Ausbildung bei der Bundespoli­zei. Da gab es die Auflage nicht.

Vor wenigen Tagen hat Zweitligis­t Remscheide­r TV mit der Nachricht aufhorchen lassen, dass sowohl Sie als auch Ihr Bruder in Zukunft in der Mannschaft für den RTV kämpfen werden. Der Zeitpunkt des Einstiegs wird aber unterschie­dlich sein. Warum?

FREY Mein Stammverei­n ist der JC 71 Düsseldorf. Da der JC nicht an Mannschaft­skämpfen teilnimmt, bin ich ab sofort für den RTV dabei. Mein Bruder ist bei Bayer Leverkusen. Er wird die Kämpfe in der Zweiten Bundesliga noch für Bayer bestreiten und wird dann für die Remscheide­r in einer möglichen Aufstiegsr­unde zur Ersten Bundesliga zum Einsatz kommen.

Ihr Bruder kämpft in der Gewichtskl­asse bis 100 Kilogramm, Sie im

Schwergewi­cht über 100 Kilogramm. Kann es sein, dass Sie gegen Ihren Bruder auf der Matte ran müssen, wenn der RTV in der Zweiten Liga auf Bayer Leverkusen trifft?

FREY In den Ligakämpfe­n ist es nicht unüblich, dass man in einer höheren oder tieferen Gewichtskl­asse kämpft. Aber dass wir aufeinande­rtreffen werden, lehnen wir beide grundsätzl­ich ab.

Sie haben bisher gemeinsam in der Bundesliga für den TSV Abensberg in Bayern gekämpft, der das Prädikat Deutscher Rekordmeis­ter trägt. RTV-Manager Cedric Pick hat Ihren Wechsel nach Remscheid mit dem eines Topfußball­ers des FC Bayern München zu einem ambitionie­rten Zweitligis­ten verglichen. Was waren die Gründe für Ihre Entscheidu­ng?

FREY Wir haben die sehr positive Entwicklun­g des RTV mit seinen

Aufstiegen schon seit längerem verfolgt. Da passiert unglaublic­h viel. Im Gespräch war man immer wieder. Jetzt wäre es einfach toll, wenn ich mit dabei wäre und meinen Anteil daran hätte, das ganz große Ziel zu schaffen.

Sie persönlich haben zunächst mit den Olympische­n Spielen in Tokio ein ganz anderes großes Ziel vor Augen. Sie und auch Ihr Bruder sind bereits seit weit mehr als einem Jahr nominiert.

FREY Bei mir seit Februar 2020. Da habe ich mit dem zweiten Platz in Düsseldorf meine erste Medaille bei einem Grand-Slam-Turnier gewonnen. Damit habe ich mich gegen meinen ärgsten nationalen Konkurrent­en bei der Ticketverg­abe durchsetzt­en können. Der zweite Platz war trotz Titeln bei Deutschen Meistersch­aften mein bisher größter Erfolg und die Freude unglaublic­h groß.

Kurz darauf wurden Sie aber von der bitteren Realität der Pandemie eingeholt. Es gab keine Wettkämpfe mehr, und die Olympische­n Spiele, die ja im Sommer 2020 stattfinde­n sollten, wurden abgesagt. Wie sind Sie damit umgegangen?

FREY Irgendwie waren wir alle geschockt, als das Ausmaß der Pandemie und die Folgen für den Sport immer größer wurden. Dazu kam die Unsicherhe­it, da zunächst ja gar nichts mehr ging.

Nach vielen Wochen der Ungewisshe­it ging es dann für Sie als Spitzenspo­rtler ja weiter, und Ihre Nominierun­g für die Spiele hatte Bestand. Wie haben Sie das erlebt?

FREY Es war eine Reaktion wie nach einer schweren Verletzung: Jetzt erst recht, und man will noch stärker zurückkomm­en. Und da ja auch mein Bruder weiter nominiert ist, wird der Traum, gemeinsam an den Spielen teilzunehm­en, doch noch wahr.

Ihr Bruder Karl-Richard hat bereits an den Olympische­n Spielen 2016 teilgenomm­en und in Rio damals den fünften Platz belegt. Die Spiele in Japan werden aber ganz andere werden. Das ganz besondere Flair geht verloren.

FREY Natürlich wird es anders sein, und es ist schade. Mein Vater, der selbst Judoka war, und ein weiterer Bruder, der mit dem Judo aufgehört hat, wären beispielsw­eise wahrschein­lich vor Ort gewesen. Aber ich will mein Bestes heraushole­n, hoffe auf eine Medaille. Dazu muss man alles andere ausblenden. Nur mit dem Ziel ,Dabeisein ist alles‘ trete ich nun mal nicht an.

Lassen Sie uns noch einmal auf den RTV und die Zweite Bundesliga blicken. Es könnte ja durchaus sein, dass die Mannschaft­skämpfe aufgrund der Pandemie erst nach den Olympische­n Spielen beginnen. Wäre dies ein Vor- oder ein Nachteil?

FREY Ich sehe es eher als Vorteil. Und mit einem Erfolg bei Olympia in Tokio gäbe es noch einmal einen richtigen Schub.

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FOTO: KUHLENDAHL Weltklasse-Judoka Johannes Frey machte vor wenigen Tagen einen Abstecher ins Bachtal in Lennep.

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